Im folgenden wird die normative brandschutztechnische Beurteilung von Baustoffen, Bauteilen und Tragwerken [8.1 bis 8.3] behandelt.

8.4.1 Baustoffe

Massgebend für die brandschutztechnische Beurteilung sind in erster Linie Brennbarkeit, Qualmbildung und Abtropfverhalten.

Brennbarkeit

Die Brennbarkeit eines Stoffes wird durch seine Zündbarkeit und Abbrandgeschwindigkeit bestimmt.

  • Brennbare Baustoffe und Bauelemente

Als leicht brennbar gelten Baustoffe und Bauelemente, die durch die Flamme eines Streichholzes in atmosphärischer Luft entflammen und ohne zusätzliche Wärmezufuhr selbstständig und rasch abbrennen.

Als mittel brennbar gelten Baustoffe und Bauelemente, die nach Entflammung in atmosphärischer Luft ohne zusätzliche Wärmezufuhr selbstständig weiterbrennen.

Als schwer brennbar gelten Baustoffe und Bauelemente, die unter der Einwirkung von Feuer und Wärme schwer entflammen und nur bei zusätzlicher Wärmezufuhr mit geringer Geschwindigkeit abbrennen bzw. verkohlen. Nach Verschwinden der Wärmequelle müssen die Flammen nach kurzer Zeit erlöschen, und das Nachglimmen muss aufhören.

  • Nicht brennbare Baustoffe und Bauelemente/Wärmefestigkeit

Als nicht brennbar gelten Baustoffe und Bauelemente, die nicht zur Entflammung gebracht werden können und auch nicht verkohlen oder veraschen. Baustoffe und Bauelemente mit brennbaren Komponenten, deren Anteil sehr gering ist oder deren Verbrennung durch Imprägnierung, Mineralisierung usw. in besonderem Masse erschwert ist, können für die Belange der Praxis als nicht brennbar bewertet werden. Sie werden als « quasi nichtbrennbar » bezeichnet. Für diese Bewertung ist ein spezieller Nachweis erforderlich.

Als wärmefest gelten nicht brennbare Baustoffe und Bauelemente, deren Festigkeit bei ständiger Erwärmung auf 100 °C nicht über ein zulässiges Mass abnimmt.

Als hochwärmefest gelten nicht brennbare Baustoffe und Bauelemente, deren Festigkeit bei ständiger Erwärmung auf 400 °C nicht über ein zulässiges Mass abnimmt.

Als feuerfest gelten nicht brennbare Baustoffe und Bauelemente, deren Festigkeit bei einer betriebsmässigen Temperatureinwirkung von 1200 °C nicht über ein zulässiges Mass abnimmt und deren Erweichungspunkt nicht unter 1500 °C liegt.

Es werden folgende Brennbarkeitsgrade nach VKF unterschieden:

  1. äusserst leicht entzündbar und äusserst rasch abbrennend (nicht zulässig als Baustoff!)
  2. leicht entzündbar und rasch abbrennend (nicht zulässig als Baustoff!)
  3. leicht brennbar (z. B. Holzwolle, Kunststoffe): Baustoffe, die leicht entzündbar sind und ohne zusätzliche Wärmezufuhr selbstständig und rasch abbrennen
  4. mittel brennbar (z. B. Tannenholz, Span- und Faserplatten, Polyäthylen und andere Kunststoffe): Baustoffe, die normal entzündbar sind und ohne zusätzliche Wärmezufuhr während längerer Zeit selbstständig weiterbrennen
  5. schwer brennbar (z. B. Eichenholz, PVC hart und andere Kunststoffe): Baustoffe, die schwer entzündbar sind und nur bei zusätzlicher Wärmezufuhr langsam weiterbrennen oder verkohlen. Nach dem Verschwinden der Wärmequelle müssen die Flammen nach kurzer Zeit erlöschen, und das Nachglimmen muss aufhören.
  6. nicht brennbar (z. B. Metalle, Steine)
  • 6 q: quasi nicht brennbarBaustoffe, die zwar einen geringen Anteil an brennbaren Komponenten aufweisen, aber nicht entzündbar sind und für die Belange der Praxis als nichtbrennbar bewertet werden
  • 6: nicht brennbarBaustoffe ohne brennbaren Anteil, die nicht entzündbar sind und auch nicht verkohlen oder veraschen

Qualmbildung

Das Qualmverhalten eines Stoffes wird aufgrund der Lichtdurchlässigkeit bzw. Sichttrübung ermittelt. Es werden folgende Qualmgrade unterschieden:

Toxische und korrosive Zersetzungsprodukte

Baustoffe, die unter Brandeinwirkung neben Kohlenmonoxid zusätzlich toxische, korrosive oder stark reizende, panikfördernde Brandgase oder Dämpfe entwickeln (z. B. nitrose Gase, Salzsäure), werden zusätzlich durch die Symbole Tx bzw. Co gekennzeichnet.

Die Zulässigkeit solcher Baustoffe ist von Fall zu Fall zu überprüfen. Insbesondere kann ihre Verwendung in Räumen, die zur Aufnahme einer grossen Zahl von Personen bestimmt sind oder in solchen mit hochwertigen und korrosionsanfälligen Einrichtungen oder Produkten eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

Brandkennziffer nach VKF [8.3]

In der Brandkennziffer wird die Brennbarkeit mit 1 bis 6 und das Qualmverhalten mit 1 bis 3 bezeichnet. Zusätzlich kann das korrosive Verhalten mit Co oder das toxische mit Tx angegeben werden. Beispiel: 4.2 (Co), mittel brennbarer und mittelstark qualmender Baustoff, der im Brand korrosive Gase oder Dämpfe abspaltet.

In Tabelle 8.4 ist die Klassierung von Baustoffen nach EN, DIN und VKF einander gegenübergestellt.

Wurde die Brennbarkeit bei höherer Umgebungstemperatur bestimmt, so ist diese zusätzlich anzugeben. Beispiel: 5 (200 °C).2

8.4.2 Bauteile und Tragwerke

Bauteile

Für bestimmte Bauteile ist es wichtig, dass sie unter der Einwirkung eines Brandes bis zu einer bestimmten Temperatur und über eine gewisse Zeit ihre Funktion als Tragelement oder als Raumabschluss aufrechterhalten können. Um diese Eignung vereinfachend und routinemässig beurteilen zu können, verwendet man heute vielfach einen genormten Temperaturverlauf (sog. Einheitstemperaturkurve (ETK) oder ISO-Normbrandkurve; vgl. Brandmodell B1, Kapitel 8.3.2). Dieser sogenannte Normbrand stellt einen bei Schadenfeuern möglichen Verlauf dar, dessen Anfangsverlauf mit dem eines materialgesteuerten Brandes übereinstimmt, der jedoch keinen abfallenden Teil aufweist (vgl. dazu Abb. 8.1).

Einheits-Brandraumtemperatur-Zeit-Kurve
Abbildung 8.9: Einheits-Brandraumtemperatur-Zeit-Kurve (ETK) nach ISO 834

Feuerwiderstand

Das Brandverhalten von Bauteilen wird insbesondere durch ihre Feuerwiderstandsdauer gekennzeichnet. Sie ist die Mindestdauer in Minuten, während der ein Bauteil die an ihn gestellten Anforderungen erfüllen muss.

Bauteile sind den folgenden Klassen zugeordnet und werden nach der Dauer ihres Feuerwiderstandes gekennzeichnet:

Tragwerke

Als Tragwerk gilt die Gesamtheit aller zur Lastaufnahme und Lastableitung sowie zur Stabilisierung eines Gebäudes notwendigen Bauteile und deren Verbindungen.

Tragwerke, an deren Feuerwiderstand Anforderungen gestellt werden, sind so zu bemessen und zu erstellen, dass ihre Standsicherheit unter Brandbeanspruchung ausreichend erhalten bleibt.

Das Tragwerk ist so auszulegen, dass

  1. weder das Versagen eines einzelnen Bauteils noch die Auswirkung von Wärmedehnungen auf gleicher Ebene oder in anderen Geschossen zu seinem Einsturz führen,
  2. keine unverhältnismässigen Schäden in angrenzenden Brandabschnitten entstehen.

Wenn nötig, sind Wärmedehnung oder deren Behinderung zu berücksichtigen.

Feuerwiderstand

Der Feuerwiderstand des Tragwerkes ist auf die Anzahl der Geschosse und die Nutzung des Gebäudes auszurichten, unter Berücksichtigung der Brandgefahren, gewichtet an der Brandbelastung des Gebäudes oder Brandabschnittes.

8.4.3 Brandschutzabschlüsse

Brandschutzabschlüsse sind dazu bestimmt, den Durchgang von Feuer und Rauch durch Öffnungen in Wänden und Decken zu verhindern. Als Türen und Tore (T), rauch- und flammendichte Abschlüsse und Verglasungen (R), Brandschutzklappen (K) und Aufzugsschachttüren (A) werden sie nach speziellen Anforderungen auf ihr Brandverhalten geprüft und entsprechenden Feuerwiderstandsklassen (z. B. T 30; R 60; K 90; A 90) zugeordnet.

Reine Silikatglasscheiben sind für den vorbeugenden Brandschutz ungeeignet, da sie im Brandfall zerspringen. Um den offensichtlichen Vorteil der Transparenz aber auszunützen, wurden Drahtgläser eingeführt, die aber Nachteile aufwiesen, wie bedingte Standfestigkeit und grosse Hitzeübertragung durch Wärmestrahlung. Gläser neuerer Entwicklung schützen vor Flammen und Rauch, sog. R-Gläser (z. B. Borsilikatglas), einige bieten zusätzlich sogar einen Schutz gegen Hitzeübertragung durch Strahlung (F-Gläser). Letztere bestehen aus mehreren Silikatglasscheiben mit zwischengelagerten Brandschutzschichten, die ihrerseits erst bei 120 °C aufschäumen und die brandisolierende Wirkung während der geforderten Feuerwiderstandsdauer gewährleisten.