Über die gesamte Heizperiode betrachtet, ist aus energetischer Sicht plausibel, den Heizwärmebedarf durch möglichst hohe passivsolare Gewinne zu reduzieren. Dies wird durch grosse unverschattete Glasflächen mit hohen Energiedurchlassgraden (g-Wert) erreicht.

Die passivsolaren Wärmegewinne fallen jedoch nicht nur im Winter an, auch im Sommerhalbjahr wirken die grossen Fensterflächen als «Heizkörper». Dazu kommt, dass die Gebäude immer besser wärmegedämmt werden und die anfallende Wärme via Transmission über die Gebäudehülle nicht mehr abgegeben werden kann. Dies hat zur Folge, dass Gebäude mit grossen Glasflächen im Sommer zur Überhitzung neigen und deshalb die Behaglichkeit bemängelt wird. Generell stellt der Wärmeschutz im Sommer an die Planer eher grössere Herausforderungen als der Wärmeschutz im Winter.

2.3.1 Einflussfaktoren

Der thermische Komfort im Sommer wird primär durch folgende Faktoren beeinflusst.

Klima

Das Klima können wir bei der Planung nicht ändern, wir müssen aber unter Berücksichtigung der klimatischen Bedingungen planen und bauen. Es gilt, ein optimales Gebäude zu erreichen, dies im Kontext von Architektur, Bautechnik/Bauphysik und Haustechnik. Speziell zu berücksichtigen gilt, dass davon auszugehen ist, dass der Sommer immer «heisser» wird. Vor allem bei Konzepten mit natürlicher Fensterlüftung muss diesem Umstand Rechnung getragen werden.

Nutzung/Nutzer

Die Nutzung ist, wie das Klima, objektspezifisch gegeben. Auch diesbezüglich gilt es, das der Nutzung entsprechend effizienteste Gebäude, mit dem bestmöglichen thermischen Komfort, zu realisieren. Relevant sind hierbei die internen Lasten, die in drei Gruppen unterteilt sind:

  • Personen geben an den Raum Wärme (und Feuchte) ab, dies abhängig von der Bekleidung und der Aktivität der Personen. Entscheidend für den Wärmeanfall ist die Belegungsdichte (gemäss Merkblatt SIA 2024). In einem Wohnhaus mit einer Belegungsdichte von
    50 m2/Person ist die Wärmelast deutlich kleiner als bei einem Schulzimmer mit 3 m2/Person.
  • Geräte (Computer, Fernseher, Kühlschrank usw.) sind nahezu in jedem Raum vorhanden und führen teilweise zu hohen Wärmelasten. Es ist wichtig, dass möglichst energieeffiziente Geräte gewählt werden.
  • Die Beleuchtung macht, je nach Nutzung, einen grossen Teil der internen Lasten aus. Dieser kann durch Optimierung der Tageslichtversorgung (vgl. Kapitel 2.8 «Tageslicht») und den Einsatz von effizienten Leuchtmitteln und optimale Steuerung deutlich reduziert werden.

Nicht zu vergessen ist der individuelle Einfluss des Nutzers, der bei der Planung und Erstellung von Gebäuden nicht berücksichtigt werden kann, sich jedoch oft massgebend auf eine bemängelte Überhitzung auswirkt:

  • Gewährleisten eines genügenden Luftwechsels dann, wenn die Aussentemperatur tiefer ist als die Raumtemperatur (Nachtauskühlung).
  • Korrekter Einsatz des aussen liegenden Sonnenschutzes (bevor es zur Überhitzung kommt).
  • Einsatz von Geräten, Maschinen, Licht, der über das Übliche (Standardnutzung) hinausgeht.

Gebäude/Bauweise

Mit dem Konzept bezüglich Gebäude und Bauweise kann die Behaglichkeit im Sommer massgeblich beeinflusst werden. Bereits in einer frühen Planungsphase muss der sommerliche Wärmeschutz ein wichtiges Thema werden, damit ein Optimum erreicht werden kann. Grundsätzlich muss versucht werden, den Wärmeeintrag so zu reduzieren, dass auf eine technisch aufwendige und teure
Lösung verzichtet werden kann. Folgende Kriterien sind dabei zentral.

Glasanteil

Gläser bringen Tageslicht, willkommenen Energieeintrag während der Heizperiode und ermöglichen dem Nutzer den Bezug zum Aussenraum. Es ist aber zu klären, wie viel Glas es wirklich sein muss und wo die Fenster angeordnet werden. Fenster unterhalb einer Höhe von 80 cm (Brüstungshöhe, Tisch/Arbeitsfläche) bringen keinen zusätzlichen Tageslichtgewinn, die solaren Gewinne fallen jedoch trotzdem an. Der Energiegewinn bei übermässig grossen Glasflächen wird durch den Ausnutzungsgrad reduziert und dadurch wird der Nutzen bezüglich Reduktion des Heizwärmebedarfs kleiner. Das Überhitzungsrisiko steigt jedoch mit zunehmend grösseren Glasflächen an. Die Tendenzen in der Architektur gehen trotzdem in Richtung hohe Transparenz, womit die Gewährleistung der Behaglichkeit im Sommer ein zentrales Thema ist.

Sonnenschutz

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für den Sonnenschutz:

  • Der effektivste Sonnenschutz ist auf der Aussenseite der Fenster angeordnet, ist beweglich und kann je nach Sonnenstand und Raumklima variiert werden. Bei korrektem Einsatz lässt er während der Heizperiode passivsolare Gewinne zu und reduziert diese in der Sommerperiode wirkungsvoll.
  • Beschattungssysteme auf der Innenseite haben lediglich die Funktion eines Blendschutzes.
  • Mit in die Isoliergläser oder Closed-Cavity-Fassaden integrierten Lamellen oder Raffgeweben kann ein variabler Sonnenschutz bis zu g-Werten um 10 % erreicht werden.
  • Mit Sonnenschutzgläsern muss ein grosser Kompromiss an den konstant tiefen g-Wert (bis etwa 20 % möglich) eingegangen werden.
  • Fixe Beschattungseinrichtungen (Lamellen, Seitenblende, Balkone, Vordächer u.Ä.) können die Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz ebenfalls erfüllen (Nachweis mittels dynamischer Gebäudesimulation erforderlich). Sie sind aber in den meisten Fällen betreffend Gesamtenergieaufwand (Heizung, Kühlung und Beleuchtung) nicht besonders effizient.

Wärmekapazität

Die thermische Speichermasse (Wärmekapazität im Raum) hat einen grossen Einfluss auf die Raumlufttemperaturen. Es ist deshalb wichtig, dass raumseitig möglichst viel thermische Speichermasse zur Verfügung steht. Massivbaukonstruktionen aus Stahlbeton, Kalksandsteinen oder Backsteinen sind gegenüber reinen Holzkonstruktionen im Vorteil. Bei Leichtbaukonstruktionen ist darauf zu achten, dass raumseitig möglichst dick beplankt wird (Gipskarton- oder Gipsfaserplatten oder evtl. Latentspeicherplatten) und dass ein Unterlagsboden aus mind. 6 cm Zement- oder Anhydritmörtel eingesetzt wird.

Aber auch Gebäude in massiv-schwerer Bauweise werden mitunter zu «thermischen Leichtgewichten»: Bei hohem Fassaden- oder Glasanteil, vollflächigen Akustikbekleidungen an den Betondecken und nicht tragenden Leichtbauwänden sowie Doppelböden reduziert sich die thermische Speichermasse massiv.

Auskühlung

Am einfachsten lässt sich der Raum mit seiner wärmespeichernden Masse über eine natürliche Fensterlüftung auskühlen. Im Idealfall ist die Fensterlüftung so konzipiert, dass sie unabhängig von der Witterung geöffnet werden kann. Wenn die Auskühlung mittels Fensterlüftung nicht ausreichend ist, sind gebäudetechnische Massnahmen zu prüfen (sanfte Bodenkühlung, aktive Kühlung).

2.3.2 Anforderungen

Energiegesetze

Die Kantone beziehen sich bei den energietechnischen Anforderungen auf die MuKEn 2014 (Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich). Diese wiederum stützt sich auf die folgenden Normen des SIA:

  • Norm SIA 180 «Wärmeschutz, Feuchteschutz und Raumklima in Gebäuden»
  • Norm SIA 382/1 «Lüftungs- und Klimaanlagen – Allgemeine Grundlagen und Anforderungen»
  • Merkblatt SIA 2024 «Standard-Nutzungsbedingungen für die Energie- und Gebäudetechnik»
  • Merkblatt SIA 2028 «Klimadaten für Bauphysik, Energie- und Gebäudetechnik»

MINERGIE

Die Anforderungen betreffend des sommerlichen Wärmeschutzes beziehen sich auf die aktuellen Normen SIA 180, SIA 382/1, SIA 342, SIA 416 sowie die SIA Merkblätter 2024 und 2028.

Norm SIA 180:2014

Der Wärmeschutz im Sommer ist in Norm SIA 180:2014 «Wärmeschutz, Feuchteschutz und Raumklima in Gebäude» im Kapitel 5 beschrieben. Nachfolgend sind die wichtigsten Anforderungen zusammengefasst, erläutert und beschrieben. Die Kenntnis und Berücksichtigung der ganzen Norm SIA 180 wird aber vorausgesetzt.

Die Anforderungen an den Wärmeschutz im Sommer gelten für alle Hauptnutzflächen innerhalb der thermischen Gebäudehülle. Als Hauptnutzung gelten Räume, in denen sich Personen während mehr als einer Stunde pro Tag aufhalten. Verkehrsflächen gelten nicht als Hauptnutzflächen; bei Verwaltungs- und Schulgebäuden mit Arbeits-, Lehr- oder Besprechungszonen innerhalb von Verkehrsflächen ist diese jedoch auch als Hauptnutzfläche mit Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz zu betrachten. Eine allfällige Überhitzung einer Verkehrsfläche darf sich aber nicht negativ auf die Behaglichkeit in einer Hauptnutzung auswirken.

Hallenbäder stellen einen Ausnahmefall dar: trotz Hauptnutzung werden keine Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz gestellt.

Der Nachweis muss für alle kritischen Räume einzeln geführt werden, wobei für ähnliche Raumtypen (Nutzung, Geometrie, Ausrichtung, Speichermasse) der Nachweis nur einmal geführt werden muss (mit der Bewilligungsbehörde vorgängig klären, welche Referenzräume zu beurteilen sind).

2.3.3 Nachweisverfahren

Für den Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes stehen gemäss Norm SIA 180, Kapitel 5, drei Nachweisverfahren zur Verfügung. Grundsätzlich kann man frei wählen, welches Verfahren für den Nachweis gewählt wird. Das Verfahren muss jedoch die Eigenschaften des Projekts abbilden können. Je komplexer die Situation und je mehr von «Standardlösungen» abgewichen wird, desto eher muss der sommerliche Wärmeschutz differenziert, mittels dynamischer Simulation optimiert und nachgewiesen werden.

Verfahren 1:

  • Einhalten von einfachen Kriterien.
  • Nachweis einer effizienten Nachtauskühlung.
  • Damit das Nachweisverfahren angewandt werden kann, müssen alle Anforderungen erfüllt werden.

Wird von einer Anforderung abgewichen, muss das Verfahren 2 verwendet werden.

Verfahren 2:

  • Nachweis einer effizienten Nachtauskühlung.
  • Nachweis, dass der Sonnenschutz die Anforderungen erfüllt.
  • Nachweis, dass der Wärmeschutz und die Wärmespeicherfähigkeit ausreichend sind.

MINERGIE hat mit der Nachweis-Variante 2 eine raumweise Systembetrachtung entwickelt, welche die Einflüsse von Verglasung, Sonnenschutz und Speichermasse analog zum Verfahren 3 gemäss Norm SIA 180:2014 vereinfacht berücksichtigt. Diese «Minergie-Variante 2» wird für den Nachweis akzeptiert. Wird von einer Anforderung gemäss Verfahren 2 nach Norm SIA 180:2014 bzw. Variante 2 nach MINERGIE abgewichen, muss das Verfahren 3 verwendet werden.

Verfahren 3:

  • Nachweis mittels Simulation, dass der thermische Komfort gemäss Norm SIA 180:2014, Ziffer 2.2, eingehalten werden kann.
  • Der Nachweis ist gemäss SIA 180:2014, Ziffer 5.2.6, zu führen.

2.3.4 Einfache Kriterien

(Relevant für Verfahren 1)
Damit das einfache Verfahren angewendet werden kann, müssen alle Räume folgende Bedingungen einhalten:

  • Alle Fenster verfügen über einen Sonnenschutz mit gtot ≤ 0,1 (Verglasung und Sonnenschutz) bei Einhaltung der Windklasse 6.
  • Die Oberlichter sind kleiner als 5 % der Nettoraumfläche und verfügen über einen Sonnenschutz.
  • Dächer mit U ≤ 0,2 W/m2·K.
  • Die Raumtiefe beträgt mindestens 3,5 m.
  • Gegenüberliegende Fassaden mit Fenstern haben mindestens einen Abstand von 7 m.

Werden alle erwähnten Bedingungen eingehalten, kann der maximal zulässige Glasanteil gemäss Bild 2.3.1 ermittelt werden.

Bild 2.3.1: Maximal zulässiger Glasanteil, abhängig von Bauweise, Nutzung, Anzahl Fassaden sowie der Bedienung des Sonnenschutzes.

2.3.5 Anforderungen an die Nachtauskühlung

(Relevant für Verfahren 1 und 2)
Für den Nachweis wird von einem Luftvolumenstrom von 10 m3/m2·h ausgegangen. Dies entspricht bei Wohnbauten mit einer Raumhöhe von 2,5 m einem etwa dreifachen Luftwechsel. Dieser Luftwechsel kann wie folgt erreicht werden:

  • Die öffenbare Fensterfläche muss 5 % der Bodenfläche betragen.
  • Ist die Raumtiefe kleiner als das 2,5-fache der Raumhöhe, genügen öffenbare Fenster auf einer Fassade. Beträgt die Raumtiefe das 2,5- bis 5-fache der Raumhöhe, sind die öffenbaren Fenster auf zwei unterschiedlichen Fassaden (gegenüberliegend oder über Eck) anzuordnen (Querlüftung).
  • Die Öffnungsflächen sind so anzuordnen, dass sie auch nachts offen bleiben können.
  • Im Idealfall werden Lüftungsöffnungen so positioniert, dass über mehrere Geschosse gelüftet werden kann (Kamineffekt).

2.3.6 Nachweis des Sonnenschutzes

(Relevant für Verfahren 2)
Damit der Nachweis gemäss dem Verfahren 2 erfüllt werden kann, müssen alle Verglasungen (Fassaden und Oberlichter) folgende Grundanforderungen genügen.

Automatische Steuerung

Diese Anforderung ist dann zu erfüllen, wenn die Räume aktiv gekühlt werden.

Die Praxiserfahrungen zeigen aber, dass es durchaus auch bei nicht aktiv gekühlten Wohnbauten sinnvoll ist, in eine etwas aufwendigere Steuerung des Sonnenschutzes zu investieren. Insbesondere bei nicht windfestem Sonnenschutz kann damit vermieden werden, dass der Sonnenschutz bei einem kurzen Windstoss hochgefahren wird und dann nicht mehr selbsttätig nach unten fährt.

Windfestigkeit

Der Sonnenschutz muss den Windfestigkeiten gemäss SIA 342:2009 Ziff. B.2 entsprechen. Diese sehen in Abhängigkeit der Klimaregion (Mittelland, Voralpen, Föhntäler), der Geländekategorie (Seeufer, Ebene, Ortschaften, Stadtgebiet) sowie der Einbauhöhe unterschiedliche Windfestigkeiten vor. Die Anforderungen an die Windfestigkeiten für das Mittelland liegen grösstenteils im Bereich der Windklasse 3 bis 5. Für Einbauhöhen über 28 m ist eventuell die Windklasse 6 erforderlich. Einfache, seilgeführte, textile Sonnenschutzsysteme weisen meist eine Windklasse 2 auf. Damit können die Anforderungen gemäss dem Verfahren 2 nicht eingehalten werden.
Werden die Anforderungen an die Windfestigkeit nicht eingehalten, muss der Nachweis gemäss dem Verfahren 3 erbracht werden.

Oberflächentemperatur

Die innere Oberflächentemperatur der Verglasungen darf maximal 5 Kelvin höher als die Raumtemperatur sein. Vor allem bei innen liegendem Sonnenschutz gilt es zu prüfen, ob das eingehalten werden kann. Bei heute üblichen Isoliergläsern und aussen liegendem Sonnenschutz lässt sich diese Anforderung einhalten.

Anforderung an den g-Wert gtot

In Abhängigkeit der Fassadenorientierung sowie des Glasanteils werden unterschiedliche Anforderungen an den Gesamtenergiedurchlassgrad gtot gestellt (vgl. Bild 2.3.2). Für die Nord-, Nordwest- und Nordost-Fassaden ist zu beachten, dass im Fall von reflektierenden Nachbarfassaden die Anforderungen einer nach Süden orientierten Fassade eingehalten werden müssen.

Bei Eckräumen gelten für alle Verglasungen dieselben Anforderungen. Die Praxiserfahrungen zeigen, dass bei Räumen mit hohem Glasanteil (fg ab 50 %) ein gtot von
7 % erreicht werden muss.

Kleine Glasflächen einer dritten verglasten Fassade können auf die Hauptfassaden addiert werden, solange diese Flächen darauf Platz haben. Die detaillierte Berechnung der Anforderung erfolgt gemäss SIA 180:2014.

Anforderung an den Gesamtenergiedurchlassgrad gtot, abhängig vom Glasanteil und der Orientierung
Bild 2.3.2: Anforderung an den Gesamtenergiedurchlassgrad gtot, abhängig vom Glasanteil und der Orientierung (Quelle: Norm SIA 180:2014).

Abschätzung des benötigten TS-Werts
Bild 2.3.3: Abschätzung des benötigten TS-Werts (Sonnenschutz) in Abhängigkeit der Anforderung an den Gesamtenergiedurchlassgrad sowie der Verglasung (g-Wert). Detaillierte Berechnung gemäss EN 13363-1.

Je nach g-Wert der Verglasung gilt es, den vom Sonnenschutz zu leistenden TS-Wert zu ermitteln. Der TS-Wert ist der Direktstrahlungsdurchlassgrad vom Sonnenschutz und sagt aus, wie viel Solarstrahlung bzw. Solarenergie durch den Sonnenschutz auf die dahinter liegende Verglasung trifft. Handelsübliche Sonnenschutzsysteme weisen folgende TS-Werte auf:

  • Rafflamellen (ganz geschlossen): 0,02 bis 0,3
  • Rollladen: 0,01 bis 0,3
  • Textiler Sonnenschutz: 0,04 bis 0,4

Bild 2.3.3 gibt Auskunft über den erforderlichen TS-Wert, um zusammen mit dem g-Wert der Verglasung den geforderten gtot-Wert zu erreichen.

Bild 2.3.4 Maximal zulässiger g-Wert (ohne Sonnenschutz) bzw. gtot-Wert (mit Sonnenschutz), abhängig von der fixen Beschattung und der Orientierung der Fassade. Das Ablesebeispiel zeigt, dass bei einer gegen W, SW, SO oder O orientierten Loggia, bei einer Tiefe von 4,5 m (Fenster 4 m breit und 3 m hoch), ein g-Wert von 46 % zulässig ist, was ohne zusätzlichen Sonnenschutz erreicht werden kann. Externe Verschattungen durch Nachbargebäude wurden nicht berücksichtigt.

Einfluss von fixen Beschattungen

In vielen Fällen werden die Fenster durch Balkone, Loggien oder andere fixe Einrichtungen beschattet. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob auf einen zusätzlichen, beweglichen Sonnenschutz verzichtet werden kann. In Norm SIA 180:2014 ist ein Verfahren beschrieben, mit dem der Einfluss der fixen Beschattung beurteilt werden kann. Bild 2.3.4 zeigt für drei unterschiedliche Beschattungstypen (Balkon so breit wie das Fenster, Balkon beidseitig über das Fenster weitergeführt, Loggia mit Seitenblende) bei differenten Ausrichtungen den noch erforderlichen g-Wert der Verglasung oder, wenn der Einfluss der fixen Beschattung nicht ausreicht, den gtot-Wert von Verglasung und beweglichem Sonnenschutz.

Wichtig: Alle anderen, nicht fix beschatteten Fenster im Raum müssen den Anforderungen an den Sonnenschutz genügen, damit für den gesamten Raum die Anforderung an den Sonnenschutz eingehalten ist.

2.3.7 Anforderungen an die Wärmedämmung/Wärmekapazität

(Relevant für Verfahren 2)
Die Anforderungen an den für den sommerlichen Wärmeschutz erforderlichen U-Wert werden von jedem MuKEn-Gebäude eingehalten. Für den sommerlichen Wärmeschutz wird im Dach ein U-Wert von ≤ 0,20 W/m2·K gefordert. Für Wände, Boden und Fenster werden keine speziellen U-Wert-Anforderungen gestellt.

Etwas strenger sind die Anforderungen an die Wärmespeicherfähigkeit. Die Wärmespeicherfähigkeit muss in jedem Raum 45 Wh/m2·K betragen.

In der alten Norm zum sommerlichen Wärmeschutz lag dieser Wert noch bei 30 Wh/m2·K und konnte bei üblicher Baukonstruktion eingehalten werden. Die neu geforderten 45 Wh/m2·K sind vor allem bei leichter Bauweise kaum zu erreichen. Aber auch bei massiver Bauweise ist das Einhalten der Anforderung schwierig, wenn z.B. Teile der Betondecke von einer Akustikdecke abgedeckt werden oder der Bodenbelag einen eher hohen Wärmedurchlasswiderstand aufweist. Ein 25 mm dicker Parkett entkoppelt die thermische Speichermasse des Unterlagsbodens bereits wesentlich vom Raum, wodurch die thermische Speichermasse des Raums gegenüber einem Linoleumbodenbelag wesentlich reduziert wird.

Ermittlung der thermischen Speichermasse für einen Raum von 8,5 m Länge, 4,8 m Breite und 2,5 m Höhe: Bei einem Glasanteil fg von 55 % resultiert bei zu 100 % freier Decke und einem Linoleumboden und bei Fenster auf nur 1 Fassade bei der leichten Bauweise eine Wärmespeicherfähigkeit von etwa 32 Wh/m2·K und bei der schweren Bauweise eine solche von etwa 60 Wh/m2·K.
Bild 2.3.5: Ermittlung der thermischen Speichermasse für einen Raum von 8,5 m Länge, 4,8 m Breite und 2,5 m Höhe: Bei einem Glasanteil fg von 55 % resultiert bei zu 100 % freier Decke und einem Linoleumboden und bei Fenster auf nur 1 Fassade bei der leichten Bauweise eine Wärmespeicherfähigkeit von etwa 32 Wh/m2·K und bei der schweren Bauweise eine solche von etwa 60 Wh/m2·K.

Bild 2.3.5 zeigt den Einfluss der konstruktiven Entscheide betreffend die Decken- und Bodenflächen auf die zu erreichende Wärmespeicherfähigkeit des Raums, für Räume mit einer oder zwei Fassaden, bei der Bauweise «mittel» und «schwer».

2.3.8 Sommerlicher Wärmeschutz mittels dynamischer Gebäudesimulation

(Verfahren 3)
Wenn die Verfahren 1 oder 2 nicht angewendet werden können, ist der Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes differenziert, mittels dynamischer Gebäudesimulationen zu führen. Dazu wird für die zu beurteilenden kritischen Zonen ein dreidimensionales Simulationsmodell erstellt. Berücksichtigt werden die Klimadaten, die Gebäudehülle (Baukonstruktion, Wärmespeichermasse, Fenster …), die internen Lasten (Personen, Geräte, Licht), die Gebäudetechnik sowie die Beschattung. Damit lassen sich die zeitlichen Verläufe der Komfortvariablen (Lufttemperatur, empfundene Temperatur) rechnerisch vorhersagen.

Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes

(gemäss Norm SIA 180:2014, Ziff. 5.2.6/Anhang C.1)
Für den Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes wird, wie bei den Verfahren 1 und 2, eine Betrachtung der Raumgeometrie (Flächen, Fenster usw.), der Baukonstruktion (Schichtaufbau, Wärmespeichermasse) sowie der Beschattung gemacht. Der Nachweis erfolgt beim Verfahren 3 jedoch dynamisch über das Sommerhalbjahr (16. April bis 15. Oktober 2011) und mit fiktiven internen Lasten. Damit wird der Nachweis unabhängig von der effektiven Nutzung geführt.

Diese Simulation dient somit lediglich dem Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes gemäss SIA-Norm und sie sagt wenig über die nutzungsspezifisch differenten, effektiven Raumtemperaturen im Sommer aus. Vor allem bei Nutzungen mit hohen internen Lasten (z.B. Schulräume) weichen die effektiven Raumtemperaturen stark von denjenigen des Nachweisverfahrens ab.

Der sommerliche Wärmeschutz gilt dann als eingehalten, wenn die Raumtemperaturen über alle simulierten Stunden innerhalb der Grenzkurve gemäss Norm SIA 180:2014 liegen (vgl. Bild 2.3.6, roter Bereich). Es sind keine Überschreitungen zulässig.

Nachweis der sommerlichen Raumtemperaturen

(gemäss Norm SIA 180:2014, Anhang C.2)
Für den Nutzer der Räume sind die effektiv zu erwartenden Raumtemperaturen entscheidend, dies unter Annahme einer möglichst realen Nutzung. Für die Beurteilung der effektiv zu erwartenden Raumtemperaturen wird zwischen zwei Varianten unterschieden.

Räume mit Fensterlüftung

Für Räume mit reiner Fensterlüftung gilt die Grenzkurve gemäss Norm SIA 180:2014 (vgl. Bild 2.3.6, roter Bereich). Die obere Grenzkurve ist nach oben nicht begrenzt, was heisst, dass bei hohen Aussentemperaturen auch entsprechend hohe Raumtemperaturen zulässig sind. Für einen heissen Sommer, wie etwa im Jahr 2015, heisst das, dass während 7 bis 10 Tagen eine maximale Raumtemperatur von über 30 °C noch «normkonform» und somit zulässig ist. Erfahrungsgemäss werden jedoch derart hohe Raumtemperaturen von den Nutzern nicht geschätzt und kaum akzeptiert. Es ist daher empfehlenswert, bei der Beurteilung der sommerlichen Raumtemperaturen die Grenzkurve für mechanisch gelüftete und gekühlte Räume zu verwenden (vgl. Bild 2.3.6, grüner Bereich).

Räume mit mechanischer Lüftung oder Kühlung

Für gekühlte und/oder mechanisch belüftete Raume ist in Norm SIA 180:2014 eine Grenzkurve definiert (vgl. Bild 2.3.6, grüner Bereich). Anders als bei der Grenzkurve für Räume mit reiner Fensterlüftung, sind hier Überschreitungen der Temperaturen zulässig. Gemäss Norm SIA 382/1:2014 werden folgende Bereiche unterschieden:

  • Keine Stunden über dem Grenzwert:
    Kühlung nicht notwendig
  • 0 bis 100 Stunden Überschreitung (*):
    Kühlung erwünscht
  • Mehr als 100 Stunden Überschreitung (*):
    Kühlung notwendig

(*) Für Wohnbauten liegt die Grenze bei 400 Stunden.

2.3.9 Beispiel Gebäudesimulation

Am Beispiel eines Wohnraumes werden die unterschiedlichen Einflussfaktoren auf den sommerlichen Wärmeschutz mittels dynamischer Simulation aufgezeigt (Verfahren 3).

Bild 2.3.6: Zulässiger Bereich der empfundenen Temperatur in Wohn- und Büroräumen, je nach Aussentemperatur (gleitender Mittelwert).

Grundlagen/Eigenschaften

Für den Wohnraum mit den Abmessungen 8,8 m x
4,8 m x 2,47 m (vgl. Bild 2.3.7) werden folgende Varianten untersucht:

  • Klimastationen:
    • Davos
    • Luzern
    • Lugano
  • Glasanteil pro Fassade 45 % und 65 %.
  • Eine oder zwei Fassaden mit Fenster.
  • Ohne und mit verschattendem Balkon (Tiefe: 2,5 m).
  • Ausrichtung der Längsfassade gegen Norden, Süden, Westen oder Osten.
  • Ohne Sonnenschutz und mit Sonnenschutz der Windklassen WK2 und WK6.
  • Thermische Speichermasse für «mittlere Bauweise»:
    • Brettstapeldecke mit 6 cm Unterlagsboden
    • Leichtbauwände
  • Thermische Speichermasse für «schwere Bauweise»:
    • Betondecke mit 6 cm Unterlagsboden
    • Backsteinwände
Geometrisches Modell des Wohnraumes.
Bild 2.3.7: Geometrisches Modell des Wohnraumes.
  • Energiestandard: Die dynamischen Simulationen wurden für ein MuKEn-Gebäude und ein MINERGIE-P- Gebäude durchgeführt. Der Unterschied zwischen diesen beiden Varianten ist jedoch so klein, dass eine differenzierte Gegenüberstellung nicht sinnvoll ist; betreffend den sommerlichen Wärmeschutz sind diese Standards gleichwertig.

Folgende Festlegungen sind für alle Varianten gleich:

  • Isoliergläser und Sonnenschutz:
    • U-Wert Ug = 0,6 W/m2·K
    • g-Wert Glas (ohne Sonnenschutz) = 54 %
    • gtot-Wert (mit Sonnenschutz) = 7 %
  • Lüftung: Fensterlüftung zur Raumkühlung bei Bedarf (Tag und Nacht); die Erkenntnisse der Simulation gelten auch für Wohnräume mit Komfortlüftung.
  • Bodenbelag: Parkett 1,3 cm
  • Decke: ohne Akustikbekleidung, Beton- bzw. Brettstapeldecke zu 100 % frei.

Analyse der Resultate

Die Erkenntnisse aus der dynamischen Simulation (Auswertung vgl. Bild 2.3.8) lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Sonnenschutz

  • Der Sonnenschutz ist das zentrale Element für den sommerlichen Wärmeschutz.
  • Es gibt Konstellationen (massive Südräume mit Balkon), bei welchen der sommerliche Wärmeschutz auch ohne Sonnenschutz eingehalten werden kann. Vergleicht man diese Varianten jedoch mit den Varianten mit Sonnenschutz, ist zu sehen, dass der Komfort deutlich schlechter wird.
  • Die Windfestigkeit des Sonnenschutzes spielt in den wenigsten Fällen eine Rolle für den Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes. Entscheidend ist jedoch, dass eine intelligente Sonnenschutzsteuerung vorgesehen ist. Diese soll den Sonnenschutz bei Wind nicht nur hochfahren, sondern nach dem Wind auch wieder herunterfahren.

Balkon als fixe Beschattung

  • Die fixe Beschattung in Form eines Balkons bringt vor allen gegen Süden eine deutliche Verbesserung der Situation im Sommer.
  • Gegen Osten und Westen bringt der Balkon nur noch eine kleine Verbesserung des sommerlichen Wärmschutzes.

Thermische Speichermasse

  • Der Unterschied der thermischen Speichermasse zeigt sich vor allem bei den Varianten mit viel Glas und ohne Sonnenschutz.
  • Auch wenn die Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz eingehalten werden können, ist im Gebäude mit mittlerer Bauweise mit leicht höheren Temperaturen zu rechnen.

Glasanteil/Anzahl Fassaden mit Fensterflächen

  • Natürlich steigen die Temperaturen mit steigenden Glasflächen. In den untersuchten Varianten mit 45 % und 65 % Glasanteil sind die Unterschiede bei der massiven Bauweise jedoch sehr klein.
  • Der Glasanteil ist vor allem bei Räumen mit einer kleinen thermischen Masse relevant.
  • In massiven Gebäuden spielen der Sonnenschutz und der Balkon eine wichtigere Rolle als der Glasanteil. Dass heisst, wenn Sonnenschutz und Balkon richtig geplant werden, darf es auch ein bisschen mehr Glas sein.
Auswertung der untersuchten Varianten.
Bild 2.3.8: Auswertung der untersuchten Varianten.