3.10.1 Problemstellung, Grundanforderung

Ein Zirkulationssystem stellt die räumliche Beziehung zwischen Raumeinheiten her. Die Orientierung der Räume zum Licht und nach Himmelsrichtungen einerseits und die Verbindungsmöglichkeiten von Raumzugängen, Horizontal- und Vertikalwegen andererseits sind ordnungsbildende Faktoren für die räumliche Organisation von Raumeinheiten und Gebäuden. Die Anzahl, Grösse und Form der zu erschliessenden Einheiten und deren nutzungsbedingte Beziehung zueinander bilden weitere systembestimmende Kriterien. Ein Zirkulationssystem kann nicht als Einzelteil entwickelt werden, es ist im Gesamtzusammenhang aller Räume und Raumgruppen zu sehen (vgl. Bild 3.10.1). Funktionstüchtigkeit, Orientierung und Ökonomie sind in einer einfachen Systemgeometrie und einer angemessenen Direktheit der Erschliessungswege zu suchen. Folgende Anforderungen müssen im Allgemeinen an die Leistung von Zirkulationssystemen gestellt werden.

Funktionstüchtigkeit

Erreichbarkeit der Ziele in der Direktheit, welche der Aufgabe angemessen ist. Unterscheidung (Abtrennung) von öffentlicher, halböffentlicher und privater Sphäre.

Leistungsfähigkeit

Angemessenheit von Dimensionen (von Länge, Breite, Steilheit bzw. Fahrgeschwindigkeit) an die auftretenden Zirkulationssituationen (Stosszeit, Normalverkehr usw.).

Sicherheit

Unfallsicherheit aller Teile für alle Arten von Benutzern (auch alte Leute, Kinder), Notfallsicherheit.

Effiziente Erschliessung von drei Wohnungen je Geschoss mit Treppe, Lift und Haustechnikinstallationen
Bild 3.10.1: Effiziente Erschliessung von drei Wohnungen je Geschoss mit Treppe, Lift und Haustechnikinstallationen (Marques AG).

Bequemlichkeit

Angemessenheit der Elementeigenschaften an die ergonomischen, allgemein physiologischen und psychologischen Erfordernisse.

Orientierung

Lesbarkeit und Eindeutigkeit der Systemgeometrie. Verständlichkeit des Standorts im Gebäude in Bezug auf die natürlichen Orientierungselemente der Umgebung bzw. Natur.

Erlebnisträchtigkeit

Erschliessen des Erlebnisgehalts des Gebäudeinnern und der Beziehung des Gebäudes zu seiner Umgebung.

Ökonomie

Angemessenheit des Mitteleinsatzes für die Erstellung, den Betrieb und den Unterhalt der Anlage.

Schematische Darstellung der Anordnung von Erschliessungszonen.
Bild 3.10.2: Schematische Darstellung der Anordnung von Erschliessungszonen.

3.10.2 Wärmeschutz

Bei Wohnbauten wird die Erschliessungszone bzw. das Treppenhaus in der Regel nicht aktiv beheizt. Je nach Disposition (Anteil der Bauteile, die Wärme zuführen bzw. über die Wärme abgeführt wird, vgl. Bild 3.10.2) und Ausbildung der Bauteile (Wärmedämmvermögen) resultiert zwischen den effektiv beheizten Nutzräumen und der Erschliessungszone eine mehr oder weniger grosse Temperaturdifferenz.

In diesem Zusammenhang stellt sich immer wieder die Frage, ob die Erschliessungszone, als nicht beheizter Raum, gegenüber den aktiv beheizten Räumen thermisch abgetrennt werden muss. Wenn ja, haben die Trennbauteile den Anforderungen an Bauteile gegen nicht beheizte Räume zu genügen bzw. sie sind bei der Beurteilung des Heizwärmebedarfs relevant (Systemnachweis gemäss Norm SIA 380/1). Fast immer wird aber die Erschliessungszone als unbeheizter Bereich innerhalb der thermischen Gebäudehülle betrachtet, wodurch aus energetischer Sicht Anforderungen an die Trennbauteile «beheizt/unbeheizt» entfallen. Im Bereich des Gebäudezugangs (Erdgeschoss) kann es aber zur Gewährleistung von Behaglichkeit und Bauschadenfreiheit erforderlich sein, einen Mindestwärmeschutz zu gewährleisten, z.B. bei einer Trennwand zwischen Wohnung und Treppenhaus. Alternativ wird im Hauseingangsbereich die Temperatur öfters mittels Radiator erhöht.

Bei zweischaliger Ausbildung der Trennbauteile (vgl. Bild 3.10.3) gewährleistet die «Schalldämmschicht» aus Faserdämmstoff sowohl einen Mindestwärmeschutz wie auch eine optimale schalltechnische Trennung (Luft- und Körper- bzw. Trittschallschutz).

Effizienter und platzsparender ist aber die in Bild 3.10.4 gezeigte einschalige Variante, mit welcher der erforderliche Schallschutz auch erreicht werden kann und die dank «Treppenhaus innerhalb der thermischen Gebäudehülle» auch ohne spezielle Wärmedämmung realisiert werden kann.

Noch schwieriger ist es, eine optimale Abgrenzung der thermischen Gebäudehülle im Übergangsbereich vom Erd- zum Untergeschoss oder zu den Untergeschossen zu finden. Insbesondere bei mehreren unbeheizten Untergeschossen ist es meist am effizientesten, wenn die Erschliessungszone als «Loch in der thermischen Gebäudehülle» akzeptiert und mit einem äquivalenten U-Wert von 2,5 W/m2·K berücksichtigt wird. Alternativ müssten die Bauteile zwischen der sich innerhalb der thermischen Gebäudehülle befindenden Erschliessung und den unbeheizten Untergeschossräumen wärmegedämmt werden. Diese Variante ist im Bereich der Wände mit meist erheblichen Wärmebrücken, mit grossen Wärmeverlusten über die Türen und aufwendigen Wärmedämmungen im Bereich von Bodenplatte und Liftunterfahrt verbunden. Diese Variante führt dann, wenn mehr als ein unbeheiztes Untergeschoss vorhanden ist, in der Regel zu einem eher höheren Wärmeverlust als die Berücksichtigung des «Loches in der thermischen Gebäudehülle» und ist somit ineffizient.

Erschliessungszone mit zweischaliger Trennwand zur wärme- und schalltechnisch optimalen Trennung gegenüber der Wohnung.
Bild 3.10.3: Erschliessungszone mit zweischaliger Trennwand zur wärme- und schalltechnisch optimalen Trennung gegenüber der Wohnung.

Erschliessungszone mit einschaliger Trennwand zwischen Treppenhaus und Wohnung.
Bild 3.10.4: Erschliessungszone mit einschaliger Trennwand zwischen Treppenhaus und Wohnung.

3.10.3 Schallschutz

Die Norm SIA 181:2020 «Schallschutz im Hochbau» definiert Anforderungen an den Schutz gegen Innenlärm, in Form von Luft- und Trittschall sowie von Geräuschen haustechnischer Anlagen. Daraus resultieren auch verschiedene Anforderungen an die Erschliessungszone, jeweils in Abhängigkeit vom Grad der Störung und von der Lärmempfindlichkeit der angrenzenden Nutzungseinheiten:

  • Luftschallschutz zwischen Erschliessungszone und Wohnung, z.B:
    • zwischen Erschliessungszone und Wohn- /Schlafräumen ohne Türeinfluss mit Di ≥ 52 dB für den Mindestschallschutz bzw. von Di ≥ 56 dB für den erhöhten Schallschutz.
    • zwischen Erschliessungszone und Wohnung mit Zugang zu direkt erschlossenen Räumen mit Di ≥ 47 dB und Türen mit R‘w + C ≥ 37 dB.
  • Trittschallübertragung von Treppenläufen, Podesten, Korridoren, Laubengängen u.Ä. bei direkter und indirekter Schallübertragung, im Wohnungsbau mit
    Anforderungen L‘ ≤ 53 dB (Mindestschallschutz) bzw. L‘ ≤ 49 dB (erhöhter Schallschutz).
  • Maximaler Störschallpegel aus Funktionsgeräuschen allfälliger mechanischer Förderanlagen, wie z.B. einer Liftanlage, mit Anforderungswert LH ≤ 33 dB (Mindestanforderung) bzw. LH ≤ 29 dB (erhöhte Anforderung).

Damit die gestellten Anforderungen bei Wohnbauten erfüllt werden können, sind in etwa folgende Massnahmen erforderlich bzw. üblich.

Luftschallschutz zwischen Treppenhaus und Wohn- und Schlafräumen ohne Türeinfluss

  • Für den Mindestschallschutz sind Betonwände von etwa 20 cm Dicke, wie sie meist auch statisch erforderlich sind, ausreichend.
  • Für den erhöhten Schallschutz sind etwa 28 cm dicke Stahlbetonwände zu empfehlen.

Luftschallschutz zwischen Treppenhaus und direkt erschlossenen Wohnungsräumen

  • Entscheidend für das Erreichen des Schallschutzes ist in der Regel fast nur die Türe. Werkvertraglich ist der Anforderungswert von R‘w + C ≥ 37 dB zu vereinbaren. Hierfür sind Konstruktionslösungen mit Schwellen zu bevorzugen, in Ausnahmefällen werden auch Türen mit Senkdichtung eingesetzt.
  • An die Trennwand werden bei Türeinfluss keine allzu grossen Anforderungen gestellt; ein Luftschalldämmvermögen im Bereich von R‘w = 45 dB ist ausreichend.

Trittschallschutz zwischen Treppenhaus und Wohn- und Schlafräumen

Es sind trittschalldämmende Massnahmen erforderlich, wobei folgende Varianten zu prüfen sind:

  • Vollständige Trennung des Treppenhauses durch eine zweischalige Konstruktion (vgl. Bild 3.10.3), was z.B. im Bereich des Erdgeschosses oft nicht konsequent umgesetzt werden kann. Bei solchen Konzepten sind keine schwimmenden, trittschallgedämmten Bodenüberkonstruktionen, trittschalldämmenden Bodenbeläge, speziellen Auflagerungen von Treppenläufen und dergleichen erforderlich. Durch das Betonieren der Podeste und Treppenläufe dürfen jedoch keine Schallbrücken entstehen!
  • Bei einschaliger Ausbildung der Wände zwischen Erschliessungsbereich und Wohn- und Schlafräumen (vgl. Bild 3.10.4) sind zur Erreichung eines genügenden Schallschutzes verschiedene Einzelmassnahmen erforderlich, die aufeinander abzustimmen sind und teilweise hohe Anforderungen an die Ausführung stellen:
    • Podeste und Treppenläufe über spezielle, körperschalldämmende Konsolen am übrigen Baukörper befestigen.
    • Podeste mit dem Baukörper starr verbinden, jedoch mit schwimmender, trittschallgedämmter Bodenüberkonstruktion ausbilden. Treppenläufe über spezielle, körperschalldämmende Lager auf den Podesten auflagern bzw. von denen trennen.
    • Podeste und Treppenläufe mit dem Baukörper starr verbinden, jedoch mit schwimmender, trittschallgedämmter Überkonstruktion (schwierig auszuführen) oder mit trittschalldämmenden, weichfedernden Bodenbelägen (Verschmutzung, Abnützung, Hygiene!) ausbilden.

Liftgeräusche in Wohn- und Schlafräumen

Schlafräume grenzen teilweise direkt an Liftschächte an. Die Erfahrungen zeigen, dass mit den heute am Markt verfügbaren Liften (elektromechanische und hydraulische Lifte) auch bei einschaligen Wänden der erhöhte Schallschutz (LH ≤ 30 dB) gewährleistet werden kann. Hierfür sind aber Schachtwände mit genügend hohem Flächengewicht, z.B. in Form von Stahlbetonwänden ≥ 25 cm Dicke, erforderlich.

Ideal wäre, wenn der Ersteller der Liftanlage bestätigen würde, dass er mit den baulichen Randbedingungen, z.B. einer 25 cm dicken Stahlbetonwand zwischen Liftschacht und angrenzemden Wohn- und Schlafzimmer, den erforderlichen Schallschutz (erhöhte oder Mindestanforderungen) einhalten kann. Leider ist das aber kaum je der Fall!

3.10.4 Raumakustik

Durch spezielle Schallabsorptionsmassnahmen, wie z.B. Akustikdecken an Podestuntersichten, soll in Treppenhäusern eine Nachhallzeit von etwa einer Sekunde angestrebt werden. Dadurch lässt sich die oftmals lästige Halligkeit von Treppenhäusern spürbar verringern.