5.2.1 Luftwechsel

Neu gebaute oder sanierte Gebäude sind in der Regel dermassen luftdicht, dass ohne eine systematische Lufterneuerung aus bauphysikalischer Sicht Probleme auftreten können. Architekten und Fachplaner müssen daher für alle Gebäudekategorien in einer frühen Planungsphase Lüftungskonzepte entwickeln (Norm SIA180). Das Lüftungskonzept und das Luftdichtheitskonzept müssen aufeinander abgestimmt sein. Die Auslegung von Lüftungsanlagen in Wohngebäuden erfolgt üblicherweise auf Grundlage der Norm SIA 382/5. Im Folgenden werden diese Möglichkeiten für den Luftwechsel thematisiert:

  • Manuelle Fensterlüftung
  • Automatisierte Fensterlüftung
  • Einfache Lüftungsanlagen
    • Einzelwohnungsanlagen
    • Mehrwohnungsanlagen
    • Lüftungsanlagen mit aktiven Überströmern
    • Einzelraum-Lüftungsgeräte
    • Abluftsysteme mit Aussenwand-Luftdurchlässen

5.2.2 Manuelle Fensterlüftung

In den meisten Bestandsbauten und teilweise auch in neuen Gebäuden werden die Räume über manuell zu öffnende Fenster be- und entlüftet. Dieses Lüftungskonzept funktioniert so gut, wie es durch die Nutzer bedient wird. Die Wirkung dieser Lüftung ist von der Fenstergrösse, der Lage der Fenster, dem Öffnungsgrad der Fenster und der Wetterlage (Temperaturdifferenz zwischen innen und aussen, Wind usw.) abhängig.

Im Winter, wenn es draussen sehr kalt ist und der Raum auf 20 °C geheizt ist, wird beim Öffnen von raumhohen Fenstern ein etwa 20-facher Luftwechsel erzeugt. Dies bedeutet, dass innerhalb von nur 3 Minuten die gesamte Raumluft einmal ausgetauscht wird. Durch diesen hohen Luftwechsel wird der Raum sehr schnell abgekühlt. Werden die Fenster wieder geschlossen, muss die kalte Luft über die Raumheizung wieder aufgewärmt werden.

Ist die Temperaturdifferenz zwischen innen und aussen klein, ist auch die Wirkung der Fensterlüftung entsprechend bescheiden. In diesem Fall kann die Wirkung eventuell erhöht werden, wenn Durchzug erzeugt wird. Dabei werden sich gegenüberliegende Fenster, evtl. in unterschiedlichen Räumen, geöffnet (Querlüftung).

Dauernd schräg gestellte Fenster führen in der kalten Jahreszeit zu erheblichen Wärme- und somit Energieverlusten. Es strömt dauernd warme Luft nach draussen und durch den dauernden Eintrag von kalter Aussenluft wird die Gebäudemasse abgekühlt.

Bei der manuellen Fensterlüftung gilt es zu beachten:

  • dass bei geöffnetem Fenster kein Schutz vor Aussenlärm besteht,
  • die nachströmende Aussenluft nicht gefiltert wird,
  • die Wärme aus der nach aussen strömenden Luft nicht zurückgewonnen wird und
  • die durch die Fenster nachströmende Aussenluft die thermische Behaglichkeit im Raum erheblich beeinträchtigen kann (Zugluft).

5.2.3 Automatisierte Fensterlüftung

Mittels Antriebssystemen und einer intelligenten Regulierung/Steuerung kann das Öffnen von Fenstern automatisiert werden. Mit diesem System kann der minimal notwendige hygienische Luftwechsel und der Schutz vor Feuchteschäden auf einfache Weise auch bei Abwesenheit der Nutzer weitgehend sichergestellt werden.

Automatisierte Fensterlüftungssysteme sind mit einem Wettersensor ausgerüstet, der bei starkem Wind oder Regen die Fenster automatisch schliessen lässt.

Bei Wohnungen werden automatische Fensterantriebe teilweise in Kombination mit Fortluft-Dunstabzugshauben eingesetzt. Das heisst, dass sich bei Betrieb der Dunstabzugshaube ein in der Nähe liegendes Fenster automatisch öffnet.

Wie bei der manuellen Fensterlüftung ist auch hier zu beachten, dass der Schutz gegen Aussenlärm bei geöffnetem Fenster nicht gewährleistet ist, die nachströmende Aussenluft nicht gefiltert wird und aus der ausströmenden Luft die Wärme nicht zurückgewonnen werden kann.

5.2.4 Einfache Lüftungsanlagen

Es gilt klarzustellen, dass einfache Lüftungsanlagen keine Klimaanlagen sind!

Für die mechanische Be- und Entlüftung von Wohnbauten (Ein- und Mehrfamilienhäuser) werden in der Regel einfache Lüftungsanlagen (Wohnungslüftung, Komfortlüftung) mit Wärmerückgewinnung (WRG) eingebaut. Über die WRG kann im Winter die in der Abluft enthaltene Wärme zu etwa 80 % zurückgewonnen und an die kalte Aussenluft übertragen werden. Da bei gut wärmegedämmten Gebäuden die Lüftungswärmeverluste bei händischem Fensterlüften bis zu 40 % der Gesamt-Wärmeverluste ausmachen, leisten Wohnungslüftungsanlagen einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion des Energieverbrauchs. Durch die gute Wärmerückgewinnung kann in der Regel auch auf ein zusätzliches Nachwärmen der Zuluft verzichtet werden. Mit diesen Lüftungsanlagen können der notwendige hygienische Luftwechsel sichergestellt und die üblichen Luftbelastungen abgeführt werden. Wird in der Zuluft ein Filter der geforderten Qualität ISO ePM1 50 % eingebaut, ist die Qualität der in den Raum eingeführten Luft in der Regel besser als die Qualität der Aussenluft.

Die Luftführung in den Wohnungen erfolgt nach dem Kaskadenprinzip (vgl. Bild 5.2.1): In den Räumen, wo sich Personen aufhalten (Wohnen, Schlafen, Arbeiten), wird die Zuluft eingeblasen. In den Räumen mit Luftbelastungen (WC, Bad/Dusche, im Bereich der Küche, Abstellräume) wird die Luft wieder abgesogen. Vom Zuluftbereich strömt die Luft durch Überströmer (Türschlitze, schalldämmende Überströmer o.Ä.) in den Abluftbereich. Diese Überströmbereiche (Korridore, evtl. Zimmer) werden so mitbelüftet.

Je nach Grundrissgestaltung ist es möglich, auch im Wohnbereich auf eine Zuluftöffnung zu verzichten. Durch das Kaskadenprinzip wird der Raum trotzdem genügend gut durchströmt. Durch diese Anordnung kann der Installationsaufwand für die Lüftungsanlage klein gehalten werden. Im Idealfall können die Luftleitungen im Korridorbereich im Deckenhohlraum geführt werden (vgl. Bild 5.2.2). So können kurze Leitungen realisiert werden und der Zugang für allfällige spätere Erneuerungen bleibt sichergestellt. Zudem lässt sich so die Dicke der Betondecke meist reduzieren.

Die Lufteinführung in den Raum erfolgt üblicherweise über Lüftungsgitter im Sturzbereich von Türen (vgl. Bild 5.2.3). An der gleichen Stelle kann auch in den entsprechenden Räumen die Abluft gefasst werden. Nur wenn Räume mit grossen Raumtiefen zu entlüften sind, sollte die Abluft möglichst nahe an der Quelle (WC, Dusche) gefasst werden.

Komfortlüftung nach dem Prinzip der «Kaskadenlüftung».
Bild 5.2.1: Komfortlüftung nach dem Prinzip der «Kaskadenlüftung».

Installation der Lüftung in der abgehängten Decke: Variante mit flexiblen Schläuchen oder mit Spirorohren und Blechkanälen.

Bild 5.2.2: Installation der Lüftung in der abgehängten Decke: Variante mit flexiblen Schläuchen oder mit Spirorohren und Blechkanälen.

Werden die Luftleitungen in der Betondecke eingelegt, muss aus installationstechnischer und statischer Sicht die Decke entsprechend dicker ausgeführt werden (vgl. Bild 5.2.4). Durch diese Leitungsführung erhöht sich aber die Flexibilität bei der Platzierung der Durchlässe, wobei anzumerken ist, dass der Standort der Luftdurchlässe nur geringen Einfluss auf die Luftqualität und Luftverteilung im Raum hat. Wichtig ist, dass für den gewählten Standort und den dimensionierten Luftvolumenstrom die richtigen Durchlässe eingebaut werden. Nur so kann ein zugfreier und behaglicher Betrieb der Lüftungsanlage sichergestellt werden.

Die in der Norm SIA 382/5 aufgeführten Luftvolumenströme (z.B. 30 m3/h Zuluft für Räume, in denen sich Personen aufhalten) sollten nicht überschritten werden. Diese Vorgaben gelten für die mittlere Betriebsstufe. Auf dieser Stufe wird die Lüftungsanlage bei Anwesenheit der Bewohner und in der Nacht betrieben. Und somit gelten auf dieser Betriebsstufe auch die Anforderungen an die Schallbelastung (Norm SIA 382/5 und Norm SIA 181: z.B. für erhöhte Anforderung in Schlafzimmern ≤ 25 dBA). Die Empfindlichkeit der Nutzer gegenüber Betriebsgeräuschen von Lüftungsanlagen ist gross, dieser kann entsprochen werden, wenn genügend gute, auf das Frequenzspektrum der Schallquelle abgestimmte Schalldämpfer eingebaut werden und bei der Wahl der Durchlässe auch die Schallbelastung berücksichtigt wird.

Im Sommer kann die WRG über einen Bypass umfahren werden, oder diese wird durch den temporären Einbau einer Sommerbox ersetzt. Die Wohnungslüftung kann, wenn gewünscht, im Sommer auch ausgeschaltet oder in einem Intervallbetrieb betrieben werden. Falls die Wohnung über gefangene Nasszellen oder gefangene Räume verfügt, muss die Entlüftung dieser Räume aber auch im Sommer sichergestellt werden. Dies kann durch einen Intervallbetrieb (Zeitschaltprogramm) oder mit der Einschaltung der Lüftungsanlage über Lichtschalter realisiert werden.

Zuluftdurchlass im Türsturz.
Bild 5.2.3: Zuluftdurchlass im Türsturz.

Lüftungseinlagen in der Betondecke. Die offenen Enden sind wegen der Verschmutzung abgeklebt.
Bild 5.2.4: Lüftungseinlagen in der Betondecke. Die offenen Enden sind wegen der Verschmutzung abgeklebt.

Installation eines Erdreich-Wärmeübertragers zur Erwärmung oder Kühlung der Aussenluft, je nach Jahreszeit.
Bild 5.2.5: Installation eines Erdreich-Wärmeübertragers zur Erwärmung oder Kühlung der Aussenluft, je nach Jahreszeit.

Luftheizung mit Heizfunktion

In sehr gut gedämmten Wohnbauten (z.B. MINERGIE- P) liegt der spezifische Wärmeleistungsbedarf oft unter 10 W/m2. In solchen Fällen ist neben den konventionellen Wärmeabgabesystemen (z.B. Fussbodenheizung, Heizkörper) auch eine Luftheizung möglich. Dabei wird die Zuluft auf eine Temperatur von 35 bis 40 °C erwärmt. Grundsätzlich sollte es dann möglich sein, mit den für die Wohnungslüftung notwendigen Luftvolumenströmen, das Haus zu heizen. Je nach Grundrissgeometrie kann es jedoch notwendig werden, Räume, die bei einer Wohnungslüftungsanlage im Überströmbereich liegen, zusätzlich mit Luft zu versorgen, um die notwendige Heizleistung zu erreichen. Dadurch erhöht sich der Gesamtvolumenstrom der Lüftungsanlage für die Wohnung.

Weil bei der Luftheizung die Verteilleitungen gegen Wärmeverluste gedämmt werden müssen, erhöht sich der Platzbedarf für die Leitungsführung gegenüber der üblichen Komfortlüftung. Die Planung und Realisierung von Luftheizungsanlagen erfordert viel Erfahrung. In der Schweiz hat sich die Luftheizung nicht durchgesetzt, diese wird aber in Passivhausbauten vornehmlich in Österreich und Deutschland häufig eingesetzt.

Erdreich-Wärmeübertrager (EWT)

Wird die Aussenluft über ein Erdreich-Wärmeübertrager angesogen, kann die Zuluft im Sommer leicht vorgekühlt (keine Klimaanlage!) und im Winter leicht vorgewärmt werden (vgl. Bild 5.2.5).

Erdreich-Wärmeübertrager müssen im Gefälle verlegt werden und die Reinigung muss jederzeit sichergestellt sein. Der Bau erfolgt in enger Abstimmung mit der Umgebungsplanung.

Einzelwohnungsanlagen

In jeder Wohnung wird ein Luftaufbereitungsgerät eingebaut. Als Standort für die Geräte eignen sich Nebenräume oder ein Schrank (vgl. Bild 5.2.6). Die Schallemissionen durch den Betrieb der Geräte müssen bei der Standortwahl und bei der Konstruktion allfälliger Abdeckungen/Schranktüren berücksichtig werden. Die Zugänglichkeit zu den Geräten muss für die Instandhaltung sichergestellt sein.

Bei Einfamilienhäusern wird das Luftaufbereitungsgerät im Keller oder im Estrich aufgestellt. Hier steht mehr Platz als in der Wohnung zur Verfügung und es ergeben sich kaum Probleme betreffend den Schallschutz. Der Raum muss aber unbedingt frostsicher sein. Luftleitungen, die in unbeheizte Räume geführt werden, müssen wärmegedämmt sein.

In Mehrfamilienhäusern besteht auch die Möglichkeit, dass die einzelnen Luftaufbereitungsgeräte für die Wohnungen zentral im Keller aufgestellt werden. Die Luftleitungen werden ab jedem Gerät in die jeweilige Wohnung geführt. Dabei gilt es, die Brandschutzvorschriften zu beachten.

Der Betrieb der Einzelwohnungsanlagen erfolgt über einen Betriebswahlschalter oder mit einer Zeitschaltuhr auf der gewünschten Betriebsstufe. Wird die Anlage bedarfsgerecht über eine CO2-Regulierung (CO2-Fühler in der Abluft vor dem Luftaufbereitungsgerät) betrieben, darf nicht vergessen werden, dass bei der Benützung von WC-, Dusch- oder Baderäumen die Anlage mit einem Lichtkontakt übersteuert und auf eine höhere Betriebsstufe gefahren werden muss. Nach ein paar Minuten fällt der Anlagebetrieb wieder in den Normalmodus zurück. Nur so kann sichergestellt werden, dass diese Räume nach der Benützung genügend belüftet werden.

Bild 5.2.6: Wohnungslüftungsgerät in Wandschrank eingebaut.

Mehrwohnungsanlagen

In Mehrfamilienhäusern kann die Luftaufbereitung für mehrere Wohnungen zusammengefasst werden. Das Luftaufbereitungsgerät steht dann im Keller oder auf dem Dach (vgl. Bild 5.2.7). Über Steigzonen werden die einzelnen Wohnungen erschlossen. Um in den Wohnungen die Luftvolumenströme individuell einzustellen, werden entsprechende Apparate und Armaturen (Volumenstromregler) eingebaut. So kann der gleiche Bedienkomfort wie bei Einzelgeräten geboten werden.

Auch bei diesem Anlagekonzept müssen die Brandschutzvorschriften und die Anforderungen an die Wärmedämmung beachtet werden.

Über einen Betriebswahlschalter oder mit einer Zeitschaltuhr kann die Lüftungsanlage in den einzelnen Wohnungen auf der gewünschten Stufe betrieben werden. Werden die Anlagen bedarfsgerecht über eine CO2-Regulierung (CO2-Fühler in der Abluft pro Wohnung) betrieben, müssen auch hier bei der Benützung von WC- und Nassräumen die Grundeinstellungen mit einem Lichtkontakt übersteuert und ein höherer Luftvolumenstrom gefahren werden.

5.2.5 Lüftungsanlagen mit aktiven Überströmern

(auch als Verbundlüfter bezeichnet)

Werden Mehrfamilienhäuser saniert, ist es oft schwierig, alle Räume, in denen sich bestimmungsgemäss Personen aufhalten, mit Zuluft zu erschliessen. Um solche Räume auch bei geschlossenen Türen mit ausreichend frischer Luft zu versorgen, werden Verbundlüfter in die Türe oder in den Türrahmen eingebaut (vgl. Bild 5.2.8). Dabei wird mit kleinen und leisen Ventilatoren Luft, aus z.B. einem Korridor, in den gewünschten Raum geblasen und abgesogen. Die Zuluft wird zentral an einem Standort eingeblasen. Bei diesen Geräten muss vor allem die Schallbelastung bei den gewählten Luftvolumenströmen beachtet werden.

Zentrale Luftaufbereitung für mehrere Wohnungen im Untergeschoss.
Bild 5.2.7: Zentrale Luftaufbereitung für mehrere Wohnungen im Untergeschoss.

Lüftung mit zentraler Zuluft und aktiven Überströmern
Bild 5.2.8: Lüftung mit zentraler Zuluft und aktiven Überströmern (Verbundlüfter).

Detail Einzelraum-Lüftungsgerät
Bild 5.2.9: Detail Einzelraum-Lüftungsgerät (Bild: EgoKiefer AG, Fenster und Türen).

5.2.6 Einzelraum-Lüftungsgeräte

Bei diesem Lüftungskonzept werden Lüftungsgeräte eingebaut, die nur einen oder maximal zwei Räume mit Luft ver- und entsorgen. Diese Geräte werden direkt in die Fassade oder zusammen mit den Fenstern eingebaut und sie verfügen meistens über eine Wärmerückgewinnung, Filter und die notwendigen Ventilatoren für Zu- und Abluft (vgl. Bild 5.2.9). Die Bauweise ist sehr kompakt. Trotzdem muss die Zugänglichkeit für Filterwechsel und Instandhaltung gewährleistet sein. Als eine grosse Herausforderung erweisen sich auch hier die Anforderungen an den Schallschutz und die Schwächung der Aussenwand bezüglich des Wärmeschutzes. Weiter ist zu beachten, dass pro Wohnung vier bis sechs solcher Geräte eingebaut und auch entsprechend instandgehalten werden müssen.

Für die Entlüftung der WC-, Dusch- und Baderäume werden bei diesem Lüftungskonzept oft Einzelventilatoren eingebaut, die in Verbindung mit den Einzelraum-Lüftungsgeräten gesteuert und betrieben werden.

5.2.7 Abluftsysteme mit Aussenbauteil-Luftdurchlass (ALD)

Bei Abluftsystemen mit Aussenbauteil-Luftdurchlässen wird Luft aus stark belasteten Bereichen, z.B. Küche, Bad und WC, mit einem Ventilator abgesaugt und nach aussen gefördert. Zur Luftnachströmung werden Aussenbauteil-Luftdurchlässe in Wohn- und Schlafzimmern eingebaut (vgl. Bild 5.2.10). Die mit der Abluft abgeführte Wärme kann über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe zurückgewonnen und z.B. für die Warmwassererwärmung verwendet werden. Dazu müssen aber die einzelnen Abluftstränge zusammengeführt werden. Eine Wärmepumpe im Abluftstrom erfordert in der Regel einen grossen, möglichst konstanten Abluftvolumenstrom.

Der Installationsaufwand ist bei diesem System wesentlich kleiner als bei den einfachen Lüftungsanlagen (Wohnungslüftungen).

Aus Sicht der thermischen Behaglichkeit ist zu beachten, dass die einströmende Aussenluft zu Zugluft führen kann. Die Vermeidung von Zugluft wird massgeblich von der Anordnung und dem Funktionsprinzip des ALD beeinflusst. Mit dem Einbau der Aussenbauteil-Durchlässe wird auch der Schallschutz der Wandkonstruktion geschwächt. Dieser Umstand ist bei der Planung und bei der Wahl der ALD zu berücksichtigen.

Im Betrieb von Abluftsystemen mit Aussenwand-Luftdurchlässen entsteht innerhalb der Wohnung ein leichter Unterdruck. Um diesen Unterdruck tief zu halten (<4 Pa), müssen die ALD grosszügig ausgelegt werden. Um die Luftqualität sicherzustellen, müssen in den ALD Luftfilter eingebaut werden. Die Qualität der Filter muss mind. der Klasse ISO ePM10 50 % entsprechen. Mit den besseren Filtern (M5) steigt auch der Druckverlust an.

Auch bei diesem System strömt die Aussenluft in der Kaskade durch die Räume. Die dazu notwendigen Überströmer (z.B. Zimmer –> Korridor) müssen grosszügig ausgelegt werden, um den Unterdruck tief zu halten. Infolge des nicht zu vermeidenden Unterdrucks kann die Luft auch unkontrolliert durch Undichtheiten in der Gebäudehülle und zwischen den Wohnungen angesaugt werden (Infiltration). Der Abluft-Volumenstrom ist deshalb auf einen mindestens 1,3-mal höheren Wert auszulegen als die Summe der Aussenluft-Volumenströme, die durch den ALD strömt (SIA 382/5). Der Luftdichtheit der Gebäudehülle und zwischen den Wohnungen ist daher entsprechend Aufmerksamkeit zu schenken.

Lüftung nach dem Prinzip der «Abluftanlage» mit Aussenwand-Luftdurchlässen.
Bild 5.2.10: Lüftung nach dem Prinzip der «Abluftanlage» mit Aussenwand-Luftdurchlässen.

5.2.8 Energetische Betrachtungen

Betriebsenergie

Werden für die Berechnung der Betriebsenergie die Werte aus Norm SIA 382/1 (spezifische Geräteleistung, Tabelle 11) eingesetzt, ergibt sich für eine 41/2-Zimmerwohnung bei einem idealen SPI-Wert von 0,25 W/m3·h (SPI 1) und einem Volumenstrom von 135 m3/h eine Leistung von 34 W. Wird die Anlage das ganze Jahr mit 135 m3/h Zu- und Abluft betrieben (Auslegezustand), liegt der Strombedarf bei etwa 300 kWh/a.

Aus verschiedenen Messprojekten ist jedoch bekannt, dass einfache Lüftungsanlagen beim Energieverbrauch 15 bis 20 % über den Idealwerten liegen. Ein Grund dafür kann der notwendige Vereisungsschutz für die WRG sein. Optimierungspotenzial für den Energieverbrauch gibt es bei der Einregulierung der richtigen Luftvolumenströme und wenn die Lüftungsanlage bedarfsgerecht betrieben wird.

Mehrwohnungsanlagen haben in der Regel höhere Druckverluste als Einzelwohnungsanlagen und somit auch einen höheren spezifischen Leistungsbedarf und Energieverbrauch.

Graue Energie

Zur grauen Energie von Lüftungsanlagen ist noch wenig bekannt. Ein grosser Teil der grauen Energie steckt in der Herstellung der Komponenten. Vor allem Bauteile aus Stahl (Luftleitungen, Schalldämpfer usw.) tragen einen grossen Anteil zur grauen Energie bei.

Werden Luftleitungen in der Betondecke eingelegt, muss aus statischen Gründen die Betondecke um einige Zentimeter dicker gewählt werden. Dieser zusätzliche Aufwand an grauer Energie muss in diesem Fall der Lüftungsanlage zugeschrieben werden. Verteilleitungen im Hohlraum von abgehängten Decken oder Systeme mit weniger Installationsaufwand (Abluftsysteme mit ALD) können zu einem geringeren Aufwand an grauer Energie führen.

5.2.9 Hygiene-Anforderungen

Lüftungsanlagen sind offene Systeme. Die für die Belüftung der Räume notwendige Luft wird aussen angesogen, im Lüftungsgerät aufbereitet (Wärmerückgewinnung, Filtrierung usw.), über die Luftleitungen zum Raum geführt und dort eingeblasen. Die Nutzer dieser belüfteten Räume kommen in direkten Kontakt mit der aufbereiteten Luft. Somit hat die Qualität der aufbereiteten Luft auch einen direkten Einfluss auf das Wohlbefinden der Personen im Raum.

Um sicherzustellen, dass die Aussenluft auf dem Weg durch die Anlage keine Verschlechterung erfährt bzw. im Idealfall qualitativ besser wird, sind Massnahmen bei der Planung, bei der Auswahl der Komponenten, bei der Installation und bei der Instandhaltung notwendig. Diese Massnahmen werden in der Schweiz seit 2004 in der SWKI-Richtlinie VA104-01 «Hygiene-Anforderungen an Raumlufttechnische Anlagen und Geräte» umschrieben.

Eine gross angelegte Untersuchung der Hochschule Luzern (Hygieneuntersuchung von 100 raumlufttechnischen Anlagen) hat gezeigt, dass mit der richtigen Dimensionierung und Platzierung der Aussenluftfassung (vgl. Bild 5.2.11), dem Einbau der vorgeschriebenen Filter in der Zuluft (mindestens Qualität ISO ePM1 50 %) und der notwendigen Sorgfalt bei der Installation der Anlage wesentliche Forderungen aus der Richtlinie erfüllt werden können. Weiter sollen die Lüftungsanlagen durch geschulte Fachpersonen in Betrieb genommen und instand gehalten werden. Dazu muss dem Zugang zu den Anlagen und Komponenten bereits bei der Planung genügend Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nur Komponenten und Anlagen, die auch zugänglich sind, können fachgerecht instand gehalten werden.

Aussenluftfassung.
Bild 5.2.11: Aussenluftfassung.

Neben den regelmässigen Instandhaltungsarbeiten (z. B. mind. einmal jährlich Filterwechsel) sind Lüftungsanlagen in Wohnbauten alle 8 bis 10 Jahre einer umfangreichen Inspektion zu unterziehen. Aufgrund dieser Inspektion kann dann entschieden werden, welche weiteren Massnahmen (z.B. Reinigung der Luftleitungen) notwendig sind.

Raumluftfeuchte in Wohn- und Schlafräumen mit Wohnungslüftungsanlagen

Immer wieder werden Stimmen laut, dass in mechanisch gelüfteten Räumen im Winter die Raumluftfeuchte auf Werte unter 25 % relative Feuchte sinke.

Durch den kontinuierlichen Betrieb der Lüftungsanlage wird, bei tiefen Aussentemperaturen, sehr trockene Luft in die Räume geführt. Ist nun die Feuchtelast (z.B. Personen, Kochen usw.) in diesen Räumen sehr klein und der eingestellte Luftvolumenstrom eher hoch, führt dies tatsächlich zu einer trockenen Raumluft. Wenn dann, wie oft im Winter, die Raumlufttemperatur noch bei 23 °C oder sogar 24 °C liegt, kann sich an wenigen sehr kalten Tagen eine relative Raumluftfeuchte von < 25 % einstellen. Dabei muss jedoch festgehalten werden, dass aus medizinischer Sicht relative Raumluftfeuchten unter 30 % für den Menschen kein gesundheitliches Problem darstellen.

Mit den folgenden, kostenlosen Massnahmen kann die Situation verbessert werden:

  • Die Raumlufttemperatur auf max. 21 °C einstellen. Beispiel: Wird bei einem Raumluftzustand von 24 °C und 25 % relative Feuchte die Raumlufttemperatur auf 21°C reduziert, steigt die relative Feuchte auf > 30 % an.
  • Die Lüftungsstufe der Anzahl der anwesenden Personen anpassen. Beispiel: Am Morgen gehen die Kinder in die Schule, ein oder beide Elternteile gehen zur Arbeit. Da sich jetzt nur noch wenige oder gar keine Personen mehr in der Wohnung aufhalten, kann die Lüftungsanlage auf der tiefsten Betriebsstufe oder im Intervallbetrieb gefahren werden. Mit dem tiefen Luftvolumenstrom kommt nur noch wenig trockene Aussenluft in die Räume. Sobald sich über Mittag oder gegen Abend wieder Personen in der Wohnung aufhalten, kann die Lüftungsanlage eine Stufe höher gestellt werden (händisch oder über eine Zeitschaltuhr).
  • Nach dem Duschen oder Baden die Türen zu diesen Räumen offen lassen. Die hohe Raumluftfeuchte verteilt sich in den restlichen Räumen.

Bevor Massnahmen mit Kostenfolge realisiert werden, soll die Raumluftfeuchte in verschiedenen Räumen und über längere Zeit gemessen und aufgezeichnet werden. Nicht immer stimmt das Gefühl mit der wirklichen Situation überein. Folgende Massnahmen können zu höherer Raumluftfeuchte führen:

  • Verwendung von Lüftungsgeräten, die neben der Wärme auch Teile der Feuchte aus der Abluft an die Zuluft übertragen können. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass keine Feuchte zurückgewonnen werden kann, wenn keine Feuchte entsteht.
  • Mit dem Einbau einer nach dem CO2-Gehalt der Abluft geregelten Lüftungsanlage wird der Luftvolumenstrom der tatsächlichen Belastung in den Räumen angepasst. Durch diese Regelstrategie reduziert sich der durchschnittliche Volumenstrom in der Wohnung und somit auch die Gefahr von zu tiefer Raumluftfeuchte. Wie bereits erwähnt, darf bei dieser Betriebsart nicht vergessen werden, dass bei der Benützung von WC-, Dusch- oder Baderäumen die Anlage mit einem Lichtkontakt übersteuert und für ein paar Minuten auf einer höheren Betriebsstufe gefahren werden muss.
  • Bauliche Massnahmen: Verwendung von feuchteausgleichenden Lehm- oder Kalkputzen.
  • In den kurzen Zeiten mit zu trockener Raumluft kann ein mobiler Raumluftbefeuchter (Verdampfersysteme) eingesetzt werden. Diese müssen unbedingt mit einem Hygrostaten ausgerüstet sein. Damit kann die Raumluftfeuchte auf 35 bis max. 40% relative Feuchte beschränkt und die Betriebskosten (Strom) können tief gehalten werden.