6.3.1 Energieziele und Förderung von Solarkollektoren und Photovoltaik

Für den An-, Auf- oder Einbau von Kollektoren und Solarpanels in Gebäudehüllen sind viele Arten denkbar.
Bild 6.3.1: Für den An-, Auf- oder Einbau von Kollektoren und Solarpanels in Gebäudehüllen sind viele Arten denkbar.

In der EU müssten gemäss EU-Richtlinie 2010/21 ab 2020 alle neuen Gebäude «Nearly-Zero Energy Buildings» sein (nZEBs oder Nullenergiegebäude): Damit sollen die CO2-Emissionen bis 2050 gegenüber 1990 um 80 % gesenkt werden und unter Anwendung von «off-site green electricity and on-site renewables in combination with heat pumps» sollen Gebäude zu 100 % energieautark gemacht werden.

Gemäss Energiestrategie 2050 des Bundes ist eine Verstärkung des Gebäudeprogramms vorgeschlagen, welches den Kantonen zusätzliche Mittel für die Förderung des Baus thermischer Solaranlagen parallel zur Gebäudesanierung ermöglichen soll. Ab 2021 soll die Förderung für Gebäudeerneuerungen (Klimarappen) und erneuerbare Energien (Subventionen für Warmwasserkollektoren und KEV-Beiträge) sukzessive durch Lenkungsabgaben auf Benzin, Heizöl und Strom ersetzt werden und einen Übergang von der subventionierten zur massnahmen- und zielorientierten Förderpolitik einleiten. Entsprechend spielen die erneuerbaren Energien in der Energiepolitik des Bundes für den Gebäudebereich, sowohl als Wärme wie auch als Strom aus erneuerbaren Energieträgern, eine zentrale Rolle:

  • Die Förderung von Solarwärme zielt primär auf eine Reduktion der CO2-Emissionen und zur Reduktion des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen im Gebäudebereich. Die meisten Kantone und viele Gemeinden unterstützen die Solarwärme, bezahlen Kollektorbeiträge und erlauben Steuerabzüge.
  • Vergütungen für Strom aus PV-Anlagen sollen im Rahmen der KEV sowie Einmalvergütungen auf eine Erhöhung der Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien erreichen.
  • Der Wandel des in der Schweiz gut verankerten Energiestandards MINERGIE in Richtung MINERGIE-P und MINERGIE-A bzw. Plusenergie verdeutlicht die Entwicklung vom energetisch optimierten Gebäude in Richtung weitgehender Energieautarkie am Objekt.
  • Absehbar sind weitere Entwicklungen bezüglich Energiespeicherung, Smart Grid und Energiemanagementsystemen, die bei sinkenden Vergütungen für selbst erzeugte Energie und bei steigenden Energiepreisen den Eigenverbrauchsanteil durch selbst erzeugte Energie erhöhen werden. Dies wird den Markt für Gebäudeintegrationen bei Solarwärme und Photovoltaik, bei sinkenden Systemkosten und vielfältiger werdenden Anwendungsspielräumen, weiter befruchten.

6.3.2 Vergleich von Solarwärme und Solarstrom

Solarthermie oder Photovoltaik werden nicht nur monofunktional als technische Vorrichtung verstanden, um thermische oder elektrische Energie zu produzieren, sondern sie werden in zunehmendem Masse auch als Bestandteile der Gebäudehülle angesehen, als Bekleidungselemente, verglaste Flächen und gleichzeitig architektonische Elemente.

  • Solarstrom wird bei Anlagen im Netzverbund ins Elektrizitätsnetz eingespeist oder durch Eigenverbrauch (inkl. Wärme) genutzt. Dementsprechend fliesst aller selbst erzeugte und hinter dem Anschlusspunkt nicht verbrauchte Strom umgehend ins Netz, entlastet die Netzbelastung und die Stromproduktion in konventionellen Kraftwerken und die eingespiesene Energie wird vergütet. Die Technologien zur dezentralen Speicherung von Strom entwickeln sich rasch, die Eigenwirtschaftlichkeit von Stromspeichern im eigenen Haus ist in Reichweite.
  • Solarwärme wird (ausser in Wärmenetzen) vor Ort gespeichert und verwendet. Solarwärme diente in Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäusern gemäss Untersuchungen von Swissolar primär der Warmwassererzeugung: Fast 60 % der zwischen 2001 und 2012 erstellten Anlagen dienten der Warmwassererzeugung, nur gut 30 % der Anlagen kombinierten die Warmwassererzeugung mit der Unterstützung der Heizung.
Bild 6.3.2: Vergleich der Wirkungsgrade von PV-Anlagen in Kombination mit Wärmepumpen und Solarkollektoren.

Während Betreiber von PV-Anlagen bei fehlendem Eigenbedarf den produzierten Strom ins Stromnetz einspeisen und ihre technische Produktionskapazität immer ausschöpfen, wird bei solarthermischen Anlagen die Produktionskapazität bloss so weit genutzt, wie genügend grosse Wärmespeicher oder ein Wärmebedarf besteht. Insofern hängt der Nutzungsgrad von solarthermischen Anlagen vom Nutzungsprofil des Wärmebezügers ab sowie von den Speichermöglichkeiten vor Ort und der Dimensionierung der Anlagen. Wird eine Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von mindestens 3,5 mit einer PV-Anlage kombiniert, wird der Wirkungsgrad von Solarstrom mit Solarwärme vergleichbar.

6.3.3 Solarthermische Kollektoren

Solarthermische Bauteile gelten aufgrund des Einsatzes aktiver, meist elektrisch betriebener Umwälzpumpen innerhalb des Wärmekreislaufes als «aktive» Technologie. Ein passiver «Antrieb» von solarthermischen Anlagen nach dem Thermosiphon-Prinzip ist bloss in frostfreien Klimazonen möglich und in der Schweiz daher nicht üblich. Bei der meist verbreiteten Technik einer solarthermischen Anlage wandelt der Kollektor Sonnenenergie in Wärme um, diese wird über flüssige Wärmeträger in Rohrleitungen zu einem im Speicher eingebauten Wärmetauscher transportiert.

In der Energiebilanz eines typischen Vierpersonenhaushalts entfällt rund ein Drittel der benötigten Energie auf die Warmwasserbereitung; bei Niedrigenergiehäusern (MINERGIE-P/A) liegt der Energiebedarf für die Warmwasserbereitung wegen der gut gedämmten Gebäudehülle eher über 50 %. In diesem Kontext reduzieren solarthermische Kollektoren den Primärenergieeinsatz und den CO2-Ausstoss massgeblich, wenn die gewonnene Solarenergie in unterschiedlichen Systemen zur Verfügung gestellt wird:

  • zur Warmwasserbereitung,
  • als eigenständige und vollwertige Heizung oder zur Heizungsunterstützung,
  • zur Prozesswärmeerzeugung (z.B. in Wäschereien, Lebensmittelindustrie, Asphaltherstellung usw.),
  • zur Dampf- und Stromerzeugung in Grossanlagen (Parabolrinnenkollektoren),
  • zur Regenierung von Erdsondenfeldern oder
  • zur Unterstütung von Nah- und Fernwärmeverbünden.

Weil Solarkollektoren möglichst genau in einem für den Einsatzzweck idealen Temperaturbereich arbeiten sollten, gilt es, bei der Auslegung des Kollektortyps Unterschiede zu berücksichtigen (vgl. auch Bild 6.3.3).

Bild 6.3.3: Verbreitete Kollektortypen und ihre Einsatzmöglichkeiten.

Solar-Absorber (Unverglaste Kollektoren bzw. Schwimmbad-Absorber)

Unverglaste Kollektoren kommen bei niedrigem Temperaturniveau als preiswerte, schwarze Kunststoff- oder Metallrohr-Systeme «nackt» auf Flach- oder Schrägdächern zum Einsatz, gefiltertes Wasser eines Pools durchströmt ein Absorber-Rohrsystem. Weil Verglasung und Wärmedämmung fehlen, ist der Wärmeverlust für Anwendungen mit höheren Temperaturen gross bzw. der Nutzungsgrad klein. Mit wachsender Temperaturdifferenz steigen auch die Verluste. Bei den verwendeten Materialien reicht die Spanne vom Plattenabsorber aus Polyethylen-Kunststoff (HDPE), über Rohrabsorber aus schwarzem, UV- Chlor- und temperaturbeständigem (–45 bis +130 °C) Kunststoffrohr, über Solar-Polypropylen (z.B. mit gewellter Oberfläche). Kunststoffmatten mit fest miteinander verbundenen Röhrchen oder einfachen Gummischläuchen sind wenig dauerhaft.

  • Geeignet für Schwimmbadheizungen und Warmwasservorerwärmung.
  • Beschränkte Lebensdauer der stark der Witterung ausgesetzten Gebilde.

Unverglaste selektive Kollektoren (Kissenkollektoren)

Schwarz verchromte Kissenkollektoren sind eine Sonderform des unverglasten Flachkollektors:

  • Sie sind geeignet für Schwimmbadheizungen und Niedrigtemperaturheizungsunterstützung.
  • Gut integrierbar in Fassaden und flexibel an gerade oder gewölbte Dachformen anpassbar.
  • Wegen der beschränkten Dicke konstruktiv gut, z.B. in Pfosten-Riegel-Systemen, einsetzbar.
  • Auch bei Dächern mit geringem Neigungswinkel (ab 5°) und ungünstiger Orientierung möglich.
  • Keine Überhitzungsgefahr, dicht, wetterbeständig und langlebig.
  • Systemtechnisch gut koppelbar mit Wärmepumpen z.B. für Erdsondenfeldregenerierung.

Verglaste Flachkollektoren

Verglaste Flachkollektoren sind langlebige und ausgereifte Produkte mit einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis für Anwendungen im mittleren Temperaturbereich. Wegen ihrer Dämm- und Wetterschutzfunktion sind sie in Mittel- und Nordeuropa bei Wohn-, Gewerbe- und Dienstleistungsgebäuden verbreitet und können in Schrägdächern und Fassaden integriert oder auf Flachdächern oder am Boden aufgestellt werden. Für die Warmwassererzeugung werden bei normalen Einfamilienhäusern etwa 5 m2 Kollektorfläche benötigt, zur Heizungsunterstützung mindestens 10 m2, was entsprechend dimensionierte Speicher voraussetzt. Flachkollektoren unterliegen einem Alterungsprozess, der stark von der Qualität der Produkte abhängt. Die Absorber bestehen normalerweiese aus schwarzchrom- oder blau- (Titanoxyd) beschichteten Blechen mit dahinter mäanderförmig aufgeschweissten Rohrnetzen zum Abtransport der Wärme. Der Absorber wird mit lichtdurchlässigem Sicherheitsglas abgedeckt und zur Minimierung der Wärmeverluste isoliert und mit einem Rahmen zusammengehalten.

Weil die traditionelle Dachintegration bei vielen Bauten nicht ohne Weiteres möglich oder aus optischen Gründen unerwünscht ist, stossen fassadenintegrierte Kollektoren auf verstärktes Interesse. Zumal beim Vertikaleinbau in südorientierten Fassaden die Überhitzungsgefahr minimiert und der relative Beitrag in der kühleren Jahreszeit, in schnee- und sonnenreichen Bergtälern, maximiert wird.

  • Flachkollektoren sind ideal für Warmwasser von 40 °C bis 80 °C.
  • Geringer Ertrag bei Kälte, eher geeignet für Wassererwärmung und Heizungsunterstützung im Sommer.
  • Solarertrag (Mittelland, Ausrichtung Süd, Kollektorneigung 30° bis 90°):
    • Bei Heizungsunterstützung und Warmwasser: 350 bis 550 kWh/m2
    • Bei solarer Vorwärmung: bis 750 kWh/m2
  • Lebensdauer von über 20 Jahren.
  • Seit einigen Jahren sind «custom made»-Flachkollektoren auf Mass und in freien Formen herstellbar.
  • Speziell sind Glasbeschichtungen für Flachkollektoren, welche die bislang dunklen oder je nach Sonnenstand spiegelnden Glasoberflächen zurückhaltend bunt erscheinen lassen.
  • Flachkollektoren benötigen eine Minimalneigung von mindestens 15°, was ihr Erscheinungsbild auf Dächern beeinträchtigt und die Windangriffskräfte erhöht.
Schwarz verchromte in die Fassade eingebaute Kissenkollektoren am CERN, Genf
Bild 6.3.4: Schwarz verchromte in die Fassade eingebaute Kissenkollektoren am CERN, Genf (Architekt: Atelier Niv’O).

Bild 6.3.5: Unsichtbare, in die Südfassade des Gebäudes Delta Zero in Lugano integrierte Solarkollektoren (Architekt: Stefano de Angelis).

Vakuumröhrenkollektoren

Bei Vakuumröhrenkollektoren steht der Absorber unter Vakuum und zirkuliert in einem ein- oder doppelwandigen Glasrohr. Durch das Vakuum wird ein ausgezeichneter Wärmeschutz erreicht. Entsprechend sind die Wärmeverluste selbst bei hohen Temperaturen gering und die Vakuumröhrenkollektoren weisen den höchsten Nutzenfaktor auf: bei gleicher Fläche leisten sie rund 1,5 mal soviel wie normale Flachkollektoren. Wegen des teilweise dünnen Glases der Vakuumröhren ist ihre mechanische Festigkeit (z.B. bei Hagelschlag) gegenüber gehärteten Flachgläsern geringer und ihre Lebensdauer eingeschränkt. Weil Vakuumröhrenkollektoren gegenüber Flachkollektoren wirtschaftlicher arbeiten und sich baulich vielseitiger einsetzen lassen, findet man im asiatischen wie im amerikanischen Raum nahezu ausschliesslich Vakuumröhrenkollektoren.

Bei Temperaturunterschieden ab etwa 40 Kelvin übertreffen Röhrenkollektoren im direkten Leistungsvergleich jeden Flachkollektor:

  • Ideal für Heisswasser bis zu 100 °C.
  • Geeignet für Prozesswärme, Wassererwärmung und Heizungsunterstützung auch im Winter bei Sonne.
  • Auch zum Kühlen geeignet (Solar cooling).
  • Solarertrag (Mittelland, Ausrichtung Süd, Kollektorneigung 45°) als Heizungsunterstützung und zur Warmwassererzeugung etwa 500 bis 650 kWh/m2; als solare Vorwärmung bis 800 kWh/m2.
  • Überhitzungsgefahr bei Stagnation (sehr hohe Temperaturen).
  • Interessante Architekturanwendungen als teiltransparente Bauteile in Brüstungen, vor Fenstern usw.
  • Keine Minimalneigung nötig, Systeme zu grösseren Reihen koppelbar.
Bild 6.3.6: Vakuum-Kollektor vor den Fenstern des Plus-Energie-Berghotels Muottas Muragl, Ansicht von innen und von aussen (Architekt: Fanzun AG).

 

Bild 6.3.7: In Vertikalfassade eingebaute Hybridkollektoren (Testanlage der Firma Heizplan in Gams).

Hybrid- oder PVT-Kollektoren

Kombinierte Systeme für Solarwärme und Solarstrom mit «hybriden» (übereinander) oder «flächenhybriden» (nebeneinander) gestapelten Hybridkollektoren vereinen die Technik der Solarthermie mit der Photovoltaik: Auf derselben Fläche wird platzsparend vorne Strom und hinten (oder daneben) Wärme erzeugt bzw. die erwärmten Solarzellen werden durch dahinterliegende Kollektoren gekühlt. Dies steigert die Leistungsfähigkeit der Photovoltaikzellen:

  • 60% thermischer Modulwirkungsgrad und rund 18% elektrischer Modulwirkungsgrad.
  • Hohe Belastbarkeit durch Schnee (5 mm gehärtetes Solarglas mit metallischem Unterbau).
  • Besserer Stromertrag (5 bis 10%) gegenüber reinen PV- Modulen bei effizienter Zellkühlung.

In innerstädtischen Situationen, wo der Geräuschpegel der Ausseneinheiten von Luft-Wasser-Wärmepumpen gelegentlich ein Hindernis darstellt, weil bei unsanierten Häusern mit grossen Heizkörpern Wärmepumpen-Arbeitszahlen über 3.0 nicht erreichbar sind, können mit
der Technologie des Hybrid-Kollektors bessere Arbeitszahlen ohne Geräuschimmissionen erreicht werden. Zudem ist sanfte Kühlung in den Sommermonaten mit PVT bei entsprechender Funktionalität möglich.

6.3.4 Photovoltaik

Jahrzehntelang wurden Solarsysteme in der Schweiz im Vergleich zum Ausland eher zögerlich zugebaut. Mit anziehenden Energiepreisen, dem Wunsch nach Versorgungsunabhängigkeit und parallel zur Einsicht, dass Lösungen für erneuerbare Energien heute kostengünstig realisierbar sind, steigt das Interesse an Solartechnik. Auch vervielfältigen sich im Übergang aus dem atomarfossilen ins solare Zeitalter Fachwissen und Angebote laufend. Zudem wirken netzdienliche Regulatorien für den Solarbereich und Einspeisevergütungen des Bundes (PRONOVO) beschleunigend, sodass dezentrale Energieerzeugung und -speicherung im Binnenmarkt systemrelevant wurde: Energiegewinnung aus Photovoltaik, Wind und Wasserkraft sind die neuen Eckpfeiler unserer Stromversorgung mit enormem Potenzial.

Laut Fachverband Swissolar wird für das Jahr 2035, dem anvisierten Ausschaltzeitpunkt von Atomkraftwerken, ein Anteil von 25 TWh Solarstrom oder 40% des jährlichen Stromverbrauchs erwartet. Solarstromproduktion an Gebäuden wird damit für Bauherrschaften, Anleger und öffentliche Hand unumgänglich1.

1Winterstromproduktion in den Bergen über der Hochnebeldecke wäre sinnvoll und auch Agro-Photovoltaik dringend voranzutreiben. Doch solange Solaranlagen ausserhalb des Siedlungsgebietes (7% der Landesfläche) in der Schweiz raumplanerisch erschwert werden, bleibt der Zubau in diesem Bereich bescheiden.

 

Bild. 6.3.8: Das grösste unausgeschöpfte PV-Potenzial der Schweiz liegt im Gebäudebereich.

Förderung

Seit 2018 erfährt der Zubau bei Photovoltaik dank modifizierten Einmalvergütungen des Bundes Schub. Der Vollzug der Förderung liegt bei Pronovo2, der akkreditierten Zertifizierungsstelle des Bundes für die Erfassung von Herkunftsnachweisen und Abwicklung der Förderprogramme für erneuerbare Energien. Solaranlagen erhalten über Grund- und Leistungsbeiträge kleine oder grosse Einmalvergütungen (KLEIV oder GREIV): Die Ansätze dazu sind in der Energieförderungsverordnung (EnFV) festgelegt. Der Bundesrat passt diese Fördersätze periodisch an die Preise und den technologischen Fortschritt im Solarmarkt an. Die Förderung soll 30% der Investitionskosten von Referenzanlagen nicht überschreiten. Unterschieden wird in freistehende, angebaute und integrierte Anlagen – seit 2022 winkt auch die Förderung für Fassaden (in Gebäude integrierte PV-Anlagen mit gegenüber der Horizontalen mehr als 75° Neigung).

2 Das Pronovo-Kundenportal ermöglicht die papierlose Abwicklung von Gesuchen für Beteiligte. Die Registrierung von Fördergesuchen ist für Privatpersonen, Firmen und deren Mitarbeitende möglich. Dabei werden die Rollen für die individuellen Zugriffs- und Bearbeitungsberechtigungen seitens der Anlagebetreiber, Bevollmächtigten (in der Regel Installateure), Auditorinnen und Verteilnetzbetreiber gesteuert.

Förderung für freistehende Anlagen

Freistehende Anlagen weisen keine konstruktiven Verbindungen zu Bauten auf. Dies betrifft etwa Solarzäune, aufgeständerte Freiflächen-Photovoltaik, Floating PV oder Agro-Photovoltaik. Die in der stark zersiedelten Schweiz sehr restriktiv gehandhabten raumplanerischen Vorgaben verhinderten bislang Freiflächen-PV. Angesichts ihres beachtlichen Potenzials gerät die Belegung von Infrastrukturbauten mit PV entlang Bahnlinien und Autobahnen (Lärmschutzwände, Böschungen, Tunnels etc.) langsam in den Fokus der zuständigen Bundesbehörden (SBB, ASTRA etc.). Ein neuer Markt ist auch bei der Agro-Photovoltaik am Entstehen, wo statt Plastiktunnels über Gemüse- und Obstkulturen transluzide Photovoltaik vor exzessiven Umweltbedingungen schützen (Hagel, Schlagregen, Sonne etc.)

Bild. 6.3.9: Ost-West-Anlage mit bifazialen Modulen bei der A2- Autobahnüberdeckung Zofingen.

Förderung für angebaute Anlagen

Angebaute Anlagen sind konstruktiv mit Bauten oder sonstigen Infrastrukturanlagen verbunden und dienen einzig der Stromproduktion. Im Vordergrund stehen Anlagen auf flachen, gewölbten oder geneigten Dächern, die über der Dachhaut montiert werden. Dank Computersimulationen von Systemherstellern oder Softwarelieferanten können – in Abhängigkeit von Standort, Modultyp, Windexposition, Schneelast, Gebäudehöhe, Dachneigung oder Sparrenabstand – Montagesysteme ausgelegt werden. Die Verantwortung für eine nach den Regeln der Baukunde bauschadenfreie Montage verbleibt immer bei der planenden und installierenden Unternehmung.

  • Bei Steildächern werden kraftschlüssige Verbindungen mit der Dachhaut (Stehfalzblech, Kassette, Welloder Trapezblech) oder Unterkonstruktion (Konterlattung, Sparren) hergestellt. Werden Eindeckmaterialien (Ziegel, Eternit, Kassetten etc.) bei der Montage verletzt oder Kassetten komprimiert, ist die Dachhaut geschwächt. Auf Blechdächern ist eine durchdringungsfreie Befestigung mit Klemmprofilen möglich. Dabei ist auf genügende Dilatation zu achten und Zwängung im Material z.B. bei blockierten Schiebehaften der Bleche ist zu vermeiden.
Bild. 6.3.10: Glas-Glas-Module, montiert auf die Hochsicken eines Trapezblech-Tonnendachs.
  • Auf Flachdächern verzichtet man mit Vorteil auf kraftschlüssige Verbindungen mit der Dachstruktur, um die Dichtigkeitsebene nicht zu perforieren. Damit wird eine saubere Systemtrennung zwischen Dachhaut und PV-Anlage erreicht. Weil Aufdachsysteme meist nur lose mit Betonsteinen, Kies oder Substrat (bei Gründächern) ballastiert werden, ist ihrer Windlastberechnung (Windsog und Verschiebung) grösste Aufmerksamkeit zu schenken.
Bild. 6.3.11: Mit Betonsteinen auf einem Kiesklebedach ballastierte Flachdachanlage.

Förderung von dachintegrierten Anlagen

Eingebaute Dachanlagen dienen neben der Stromproduktion zusätzlich dem Wetter- oder Wärmeschutz. Sie werden in Dorfkernen und bei Denkmalschutzobjekten häufig von der Denkmalpflege verlangt. Ihre gegenüber Aufdachanlagen höheren Kosten werden durch bessere Förderung kaum kompensiert. Auch komplexe Dachformen, Dachfenster, Kamine, Strangentlüftungen oder Lukarnen können dank am Markt verfügbarer Systemangebote ohne optische und bautechnische Nachteile von Aufdachanlagen realisiert werden. Es handelt sich um Multifunktionselemente, die klassische Materialien integral ersetzen (Ziegel, Blech, Steinplatten, Eternit etc.). Nicht als integriert gelten über der Deckung montierte «Pseudo-Integrationen», die mit «Marderschutzblechen» oder anderen Kunstgriffen darüber hinwegtäuschen wollen, dass es sich um unterläufige Systeme handelt. Systemen mit offenen Fugen zur Dachhaut entgeht die Förderung als Indachanlage – sie werden fördertechnisch als Aufdachanlagen betrachtet.

Bild. 6.3.12: Integrierte PV-Module statt Ziegel sind bei Mehrfamilienhausdächern im Trend.

Förderung von Fassadenanlagen (BIPV)

Fassadenanlagen produzieren im Winter 30% mehr Energie als gleich grosse, flach geneigte Flachdachanlagen. Das entsprechende Fassadenpotenzial liegt in der Schweiz laut Bundesrat bei 17 Mrd. kWh (17 TWh) pro Jahr – einem Viertel des Potenzials des gesamten Schweizer Gebäudeparks. Um dieses Potenzial zu erschliessen, sieht die EnFV für integrierte Anlagen mit mindestens 75 Grad Neigung (gegenüber dem Horizont) einen Bonus von 250 Franken pro kW (Stand 2022) vor. Die Attraktivität von BIPV steigt mit breiter werdendem Angebot an Modulfarben, Oberflächenstrukturen sowie Befestigungstechniken. Da Schnee und Schmutz kaum an Fassadenoberflächen haften, eröffnen sich damit Planern und Investoren nicht nur im Berggebiet vielfältige Gestaltungsspielräume.

Bild. 6.3.13: Fassadenintegration mit Glas-Glas-Modulen beim Einkaufsmarkt Münsingen.

 

Bild. 6.3.14: Transluzide Überkopf-PV-Verglasung am Turiner Bahnhof Porta Susa.

Bewilligungen

Die richtungsweisende Revision des Bundesgesetzes über die Raumplanung legte in Art. 18 a fest, dass die Interessen der Energieproduktion gegenüber jener beim Naturschutz überwiegen. Wobei das kantonale Recht:

  • bestimmte, ästhetisch wenig empfindliche Typen von Bauzonen festlegen kann, in denen auch andere Solaranlagen ohne Baubewilligung erstellt werden können und
  • in klar umschriebenen Schutzzonen eine Baubewilligungspflicht vorsehen kann.

Fassadenintegrierte Solarsysteme stellen aus der Sicht der meisten Baubehörden als Bauten und Anlagen einen baubewilligungspflichtigen Tatbestand dar.

In Bau- und Landwirtschaftszonen benötigen gemäss Raumplanungsgesetz genügend angepasste Solaranlagen auf Dächern keine Baubewilligung. Sie sind im Rahmen eines Meldeverfahrens der kantonalen Behörde zu melden und können danach gebaut werden, wenn ein technisches Anschlussgesuch (TAG) an das zuständige Elektrizitätswerk eingereicht und bewilligt wurde.

Solaranlagen auf Kultur- und Naturdenkmälern von kantonaler oder nationaler Bedeutung benötigen dagegen immer eine Baubewilligung – sie sollen die Denkmalschutzwirkung möglichst nicht beeinträchtigen. Bei integrierten, in zusammenhängenden Flächen in Dächern eingebauten Anlagen werden Bewilligungen kaum verweigert, wenn eine formal und von der Materialisierung her ruhige Integration die Wirkung des Denkmalschutzobjekts generisch nicht beeinträchtigt.

Bild. 6.3.15: Steildachintegrierte PV-Anlage mit nicht reflektierenden Modulen.

Solarzellen und Modultypen

Die Herstellung von Solarmodulen war und ist eng mit Fertigungstechniken verbunden, in deren Zentrum die Herstellung von Siliziumbarren (Ingots) für den Massenmarkt steht. Die aus Polysilizium gezogenen Kristalle aus hochreinem Halbleitermaterial werden mittels Diamantsägen in dünne Wafer geschnitten, welche durch Einlagerung von Fremdatomen (z.B. Indium, Antimon, Arsen, Bor oder Phosphor) elektrisch leitfähiger gemacht werden. Die fertigen Zellen werden mittels Busbars in Reihen verschaltet. Durch Verkapselung, Einbau von Anschlussdosen und die Ausrüstung mit Kabeln und Steckern entstehen fertige Solarmodule. Bei Dünnschichtmodulen ist die Reihenschaltung in den Prozess der Zellfertigung integriert.

Mehrfachsolarzellen (Tandemzellen) haben das Potenzial, die Wirkungsgrade gängiger PV-Technologien deutlich zu erhöhen. Mit Antireflexbeschichtungen und Sonnenkonzentration erreichte die Forschung bei Vierfach-Solarzellen bereits über 47% Wirkungsgrad. Noch gelangen bei Architekturanwendungen mit auf Mass gefertigten Glas-Glas-Modulen meist eher kleinformatige Zellen mit wenigen Bus-Bars und Wirkungsgraden unter 20% zum Einsatz, weil Architekten möglichst wenige Bändchen auf der Frontseite der Zellen sehen möchten – welche allerdings nach dem automatisierten Aufbringen der Strings mit schwarzen Bändchen überdruckt werden können.

Solartechnik wurde zum kostengünstigen Massenprodukt, seit weltweit Kapital und Know-how in die Entwicklung grösserer, dünnerer und leistungsfähigerer Zellen, Module, Verbindungstechniken und dauerhaften Verbindungen sowie in Einspeisevergütungen oder Marktprämien gesteckt werden. Modul-wirkungsgrade tendieren aktuell gegen 21%. Ausgefeilte Prozesse ermöglichen jährliche Leistungssteigerungen von rund 0.5%. Für 2030 erwartet die Fachwelt Wirkungsgrade von 24%, sodass sich auf 4 m2 Modulfläche rund 960 Wp Solarstrom bei einer direktnormalen Einstrahlung von 1’000 Watt erzeugen lassen.

Bild. 6.3.16: Entwicklung der Ingot-Grössen und der daraus geschnitten Wafer.

 

Die zumeist in China oder Taiwan hergestellten Ingots wurden über die Jahre reiner, grösser und leistungsfähiger. Heute werden Zellen sogar mit Lasern geschnitten oder perforiert. Mit Halb- oder Drittelzellen sowie Multi-Busbar-Techniken werden elektrische Widerstände minimiert, was die Wirkungsgrade steigert und die Bruchrate bei Zellen herabsetzt. Durch gelochte Zellen kann man sogar teilweise hindurchgucken.

Bild. 6.3.17: Wirkungsgrade von Zellarten und Modultypen.

PERC-Zellen

Solarzellen mit PERC-Technologie (Passivated Emitter and Rear Cell) sind die «Arbeitspferde» der kostengünstigen Modulproduktion. Sie optimieren die Licht- und Elektronenausbeute auf der Zellenrückseite. Durch Rückseitenpassivierung wird eine zusätzliche elektrische Schicht aufgebracht und per Laser perforiert. PERC-Zellen nutzen Diffuslicht besser als herkömmliche Solarzellen. Dies verspricht, in Fassaden eingebaut, in der Schweiz höhere Energieerträge bei bedecktem Himmel.3

3 Im Mittelland überwiegt während rund 60% des Jahres der bedeckte Himmel. Dabei ist die höchste Leuchtdichte im Zenit und die direktnormale Sonnenstrahlung weniger wichtig als die Strahlung aus allen Himmelsrichtungen.

TOPCON-Zellen

Eine Weiterentwicklung von PERC-Zellen stellt die TOPCON-Technologie dar (Tunnel Oxide Passive Contact), was Solarzellenwirkungsgrade über 25% verspricht. TOPCON-Module sind für Fassadenanwendungen speziell interessant, weil sich Bifazial-Zellen mit Multi-Busbar-Technologie (MBB) und Doppelglasdesign zu Modulen verbauen lassen, welche den Vorteil hoher Effizienz mit niedrigen Temperaturkoeffizienten, geringer lichtinduzierter Degradation (LID)und bifazialer Ertragssteigerung bei einer Lebensdauer von gut 30 Jahren verbinden.

HJT-Zellen

Heterojunction-Zellen (Hetero Junction With Intrinsic Thin Layer«) zeichnen sich durch Siliziumwafer mit zusätzlichen Schichten aus dotiertem amorphem Silizium und transparenten, leitfähigen Oxidschichten (TCO) zur Aufnahme des erzeugten Stroms aus. Die HJT-Technologie wurde von japanischen Unternehmen (Sanyo/Panasonic) patentiert. Nach Ablauf des Patentschutzes setzen viele Solarzellenhersteller auf HJT-Technologie, weil sie durch Optimierungen höhere Wirkungsgrade bei geringeren Produktionskosten erreichen.

Farbige Zellen

Je nach Technologie ihrer Antireflexschicht weisen Solarzellen charakteristische Farben auf:

  • Monokristalline Zellen: dunkelblau bis schwarz; mit strukturierter Antireflexschicht anthrazit
  • Polykristalline Zellen: hellblau
  • Amorphe Siliziumzellen auf Glas: schwarz-violett
  • Amorphe Siliziumzellen auf Metallsubstrat: dunkelblau bis anthrazit
  • Cadmium-Tellurid-Module: dunkelgrün bis schwarz
  • Graetzel-Zellen: rot, purpur, gelb, orange, violett (bislang nicht stabil)
  • Modifizierte Antireflexschichten lassen Solarzellen in rot, grün, cyan, gelb, violett, magenta, silber, gold, bronze, türkis erscheinen. Dabei leidet die Effizienz und die Kosten steigen.

Farbige Module

Durch Farbauftrag auf oder hinter dem Deckglas oder farbigen Gläser und Folien kann die Erscheinung von Modulen chromatisch beeinflusst werden. Am Markt sind farbige Rückgläser, keramischer Siebdruck auf dem Glas oder Farbfolien. Neu sind nanotechnologische Folienbeschichtungen, die zwischen Deckglas und Zellnetz einlaminiert werden. So wird der lang gehegte Architektenwunsch nach weissen Modulen erfüllbar, was allerdings zulasten des Modulwirkungsgrades geht (bis -30%) und den Preis nach oben treibt.

Bild. 6.3.18: Siebbedruckte Punktraster auf dem Deckglas von PV-Modulen.

Nicht reflektierende Module

Normale PV-Module mit Solargläser reflektieren knapp 2 bis 3% des Sonnenlichts an ihrer Oberfläche. Ihr Glanz kann dabei in Gegenlichtsituation, z.B. bei Norddächern und Fassaden, als störend wahrgenommen werden. Bei blendarmen oder blendfreien PV-Modulen unterbleiben solche Reflexionen weitestgehend, sofern das reflektierte Licht durch Bündelaufweitung gestreut wird und die wahrgenommene Leuchtdichte in Gegenlichtsituationen unter der Blendungsschwelle bleibt. Technisch erreicht wird dies mit Strukturgläsern, mattierten Glasoberflächen (Ätzen), Amiran-Beschichtungen oder Satinato-Gläsern, wobei Letztgenannte am wenigsten verschmutzungsempfindlich sind. Im Trend sind spektral selektiv reflektierende Gläser mit mattierter Oberfläche: Sie generieren wenig Energieverlust, sind blendungsarm und farbig.

Bild. 6.3.19: Blendfreie farbige Gläser mit nanotechnologischer Beschichtung.

BIPV (Building Integrated PV-Systems)

Nebst Solaranlagen für die Strom- und Wärmeerzeugung auf Dächern setzen sich zunehmend Solarfassaden und solare Applikationen auf hinterlüfteten Unterkonstruktion und anderen Bauteilen durch. Der wachsende Gestaltungspielraum umfasst neben Photovoltaikmodulen in Süd- oder Ost- und Westfassaden häufig auch Atrien, Oberlichter, Vordächer und Balkonbrüstungen.

Bild. 6.3.20: Kategorisierung in Anlehnung an die Nomenklatur von PVPS Task 15.
Bild. 6.3.21: Beispiele für Gebäudeintegrationen (BIPV).

 

Photovoltaikmodule gelten laut Schweizer Förderung und nach Bauproduktenverordnung 305/2011 der EU als gebäudeintegriert, wenn sie die Funktion von Gebäudekomponenten parallel zur Stromproduktion übernehmen. Die bauliche Funktion, welche die PV als multifunktionales Element im Gebäude leistet, ist generische Voraussetzung für deren Funktionsfähigkeit. Würde die PV-Schicht aus der Gebäudehülle entfernt, wäre die primäre funktionale Voraussetzung der gesamten Gebäudehülle beeinträchtigt.

Bild. 6.3.22: Potenziale für BIPV-Systeme nach Zonentypen.

 

Die Potenziale für in die Gebäudehülle integrierte PVSysteme finden sich überwiegend in Wohn-, Misch-, Gewerbe- und Industriezonen. Es würde daher durchaus Sinn machen, hier – wie in mehreren Bundesländern Deutschlands bereits Pflicht – einen verpflichtenden Minimalanteil für PV-Anlagen gesetzlich festzulegen.

Wer Gebäude befenstert und den Einbau von BIPV-Elementen in Fassaden plant, muss sich gut überlegen, wie Solarkomponenten in die Gebäudetopologie integriert werden, ohne dadurch die Tageslichtversorgung und den Wärmeschutz zu konkurrenzieren. Laut Simulationen mit der Software PVGIS generiert ein Vertikaleinbau von 1 kWp (5 m2) monokristallinen Solarmodulen für Orientierungen von Ost bis West Monatserträge von 20 bis 80 kWh oder Jahreserträge von 600 kWh und Jahr. Im Vergleich zu einem rein nach Süden ausgerichteten, optimal mit 35° geneigten PV-Modul entspricht dies rund der Hälfte. Im Grundsatz sind alle Fassaden von Ost über Süd bis West für BIPV geeignet.

Bild 6.3.23: Monatsertrag (kWh/kWp) von monokristalliner BIPV (ca. 5 m2) bei 90% Performance-Ratio, unterschiedlichem Azimut und Einbauwinkel für Standort Zürich.

Indach-PV

Etwa eine Handvoll unterschiedlicher PV-Indachsysteme, welche sich für Neubauten oder Sanierungen anbieten, ist auf dem Schweizer Markt verfügbar. Im Solarzeitalter werden mehr und mehr Architekten, Dachdecker und Zimmereien statt Ziegel Module auf Steildächern verbauen.

Bild. 6.3.24: Solares Indachsystem bei einer Dachsanierung in Buchs mit neuer Lattung, sommerlichem Hitzeschutz und diffusionsoffener, nicht brennbarer Unterdachfolie.

Oberlicht-PV, Atrium-PV

Bei Oberlichtern und Atriumverglasungen stellt sich häufig das Problem der Verschattung und Lichtfilterung. Statt Verglasung, Sonnen- und Blendschutz in Einzelsystemen übereinander zu stapeln, können Solarzellen im Glas direkt verschatten und dabei Energie produzieren.

Bild. 6.3.25: Pausenhalle einer Schule in Grenoble mit im Verbundsicherheitsglas integrierten Zellen.

Fenster-PV

Ob als Flügelrahmenverglasung oder eingebaut in Pfostenriegelsysteme: PV-Verglasungen erfüllen auf einfachste Weise die Ansprüche an dauerhaften Wetterschutz, Lichtfilterung und integrierte Energieproduktion. Geschützte und unsichtbare Kabelführungen sind dabei frühzeitig zu planen.

Bild. 6.3.26: Ostfassade der solaren Fitness Unit am EMPANEST in Dübendorf.

Solargläser (im Boden eingebaute Photovoltaik)

Solar attribuierte Plattformen oder flachliegende Bauteile sind selten. Erste Versuche mit im Boden, in Terrassen, Plattformen oder Fahrbahnen eingelassenen Solargläsern haben sich bei fehlender Rauigkeit als rutschig bei Nässe und verletzbar in Bezug auf Vandalenakte erwiesen. Dennoch eröffnet sich hier für Architekten, Licht und Fassadenplaner innovationsträchtige Anwendungsgebiete, weil eine Symbiose von Design, Solartechnik, Fassadenbau und Architektur noch viel Potenzial bis hin zur integrierten Solarkunst am Bau beinhaltet.

Bild. 6.3.27: Im Boden eingebaute PV-Module beim «Monument to the Sun» in Zadar (Kroatien).

Fassaden-Photovoltaik

Bei fensterarmen opaken Fassaden können standardmässig Doppelglasmodule mit bescheidenem Aufwand integriert werden, um damit klassische Baumaterialien zu ersetzen. Die wärmebrückenfreie Montage, die Einhaltung von Brandschutzvorschriften sowie die Aufnahme von Windlasten und die Auswechselbarkeit der Module zum Beispiel bei höheren Bauten stellt weiterhin eine Herausforderung für alle Planungsbeteiligten und die ausführenden Firmen dar.

Bild. 6.3.28: Dünnschichtmodule auf der Südfassade eines Industriegebäudes in Schötz.

Shadovoltaic-PV

Will man «schlauen» Schatten produzieren, sollte die Licht- und Energietransmission des Beschattungselements rund 15% betragen. Entsprechende Belegungsgrade lassen sich durch Solarzellen in Verbundsicherheitsglas erreichen.

Bild. 6.3.29: Wegfahrbarer Solarschiebeladen an einem Passivhaus in Pratteln.

Brüstungs-Photovoltaik

Absturzsichernde Elemente aus Glas sind bei Balkonen und bodentiefen Verglasungen (French Windows) beliebt. Diese können bei geringen Mehrkosten mit Solarzellen belegt werden, denn Verbundsicherheitsglas ist hier ohnehin erforderlich.

Bild. 6.3.30: Brüstungs-Photovoltaik erfordert kaum konstruktiven Zusatzaufwand.

Vordach-Photovoltaik

Multifunktionale PV-Modulen an Vordächern sind architektonische Meisterleistungen, die Licht filtern, zugleich Sonnen- und Witterungsschutz gewährleisten, nicht zur Ausnutzung zählen und viel Energie unabhängig von ihrer Orientierung (Nord, Süd, Ost oder West) produzieren.

Bild. 6.3.31: Multifunktionales PV-Vordach im Attikageschoss eines Wohnhauses in Feldmeilen.

Vom Modul zum System

In einer klimaneutral elektrifizierten Welt wachsen die Anwendungsbereiche für Energieerzeugung, Heizung und Mobilität mit dezentraler Speicherung zusammen. Solarfirmen werden tendenziell zu Anbietern von integralen Photovoltaik-Komplettlösungen: Sie liefern neben Modulen, Unterkonstruktion und Wechselrichtern auch Batteriespeicher, Wallboxen für Elektroautos, Notstromsysteme oder Wärmepumpen samt Boiler-Heizeinsatz und Energiemanagementsystem.

Dabei kann sich auch die gebäudeintegrierte Photovoltaik zur gewerkeübergreifenden Querschnittsdisziplin entwickeln, deren Projektbearbeitung die koordinative Zusammenarbeit von Architekten mit Brandschutzplanern, HLKSE-Ingenieuren, Fassadenbauern, Solarprofis, Modulherstellern, Statikern und IT-Spezialisten erfordert. Zu den klassischen Domänen hinsichtlich Statik, Wasserdichtigkeit, Hinterlüftung, Schnee-, Brand- und Windlast, Asbest- oder Wärmebrückenfreiheit kommen neue Disziplinen wie Blitzschutz, Potenzialausgleich, Überspannungsschutz u.a.m. hinzu. Entsprechend wird von Planern und Handwerkern gewerkeübergreifend engagiertes Denken und Handeln bei gebäudetechnischen Systemen erwartet. Der angelaufene Solar-Boom löst zusammen mit dem Technologiewandel erheblichen Fachkräftebedarf aus. Sollte es an «Bodenpersonal», Teamwork und praktischer Intelligenz entlang der Wertschöpfungskette fehlen, droht der solar gestützten Energiewende am Bau allerdings das Scheitern.

Bild. 6.3.32: Festlegungen für Solarprojekte im Planungs- und Realisierungsprozess.

Kostensenkungsdruck

Die Planung, Fertigung und Montage von BIPV bewegt sich technisch noch auf dem Stand von Manufakturen, wenn in hintereinander gestaffelten Prozessen Komponenten von unterschiedlichen Leistungsträgern zusammengefügt werden. Dabei beinhalten viele Schnittstellen im Hochpreisland Schweiz meist hohe Kosten und Risiken. So ist es z.B. problematisch, wenn zur Aufnahme von Halterungen für Unterkonstruktionen pro Quadratmeter bis zu 4 Löcher in Primärfassaden gebohrt werden, die am Ende wärmebrückenfrei, kraftschlüssig, wind- und wasserdicht sein sollten. Entsprechend ungünstig stellt sich die Kostenstruktur von BIPV-Fassaden dar. Die Kosten der Solarmodule betragen kaum ein Viertel der gesamten Systemkosten. Kommen zu Unterkonstruktion und Modulen noch Zusatzkosten für Strukturgläser, Spezialfolien, keramische Sieb- oder Folienbedruckung oder Glaskantenbearbeitung hinzu, verflüchtigt sich der Wille zum Bau von BIPV häufig.

Bild 6.3.33: Die Kostenstruktur von BIPV-Fassaden enthält viel Sparpotenzial.

Standardisierung

BIPV dürfte sich schwertun, solange

  • die Kosten im Vergleich zu Freiflächen und Aufdachanlagen auf hohem Niveau verharren;
  • System-Know-how seitens beteiligter Planer, Bauherren und Unternehmer fehlt;
  • Architekten immer neue Unikate anstelle von Serienprodukten herstellen wollen;
  •  die Komplexität in Fertigungs- und Montageprozessen hoch bleibt.
Bild 6.3.34: Die Montagezeiten am Bau lassen sich mit vorfabrizierten Grossmodulen und Roboterverklebungen der Unterkonstruktion drastisch reduzieren.

Erfolgversprechende Wege aus der Kostenfalle leiten sich aus dem in der Industrie hochgeladenen Grundsatz «More for less» her (mehr Leistung für weniger Geld). Dies impliziert Standardisierung:

  • grössere Dimensionen und Serien mit reduzierter Anzahl verwendeter Bauteile;
  • kürzere Montagezeiten durch parametrisierte Fertigung;
  • weniger Beteiligte am Bauprozess – mehr Vorfabrikation und Systemlösungen;
  • minimierte Anzahl an wärmebrückenfreien Aufhängungen;
  • erhöhte Genauigkeit bei der Montage (leichte Auswechselbarkeit bei Ersatz);
  • Verzicht auf leistungsmindernde und kostentreibende Designattribute.

Normen, Richtlinien

Photovoltaikanlagen, die bei Lichteinfall unter elektrischer Spannung stehen und Strom erzeugen, müssen neben den bautechnischen Normen auch elektrotechnische und brandschutzspezifische Vorschriften erfüllen. Letztere sind in der Schweiz (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • NIN und NIV (Niederspannungsinstallationsnorm und -verordnung), insbesondere die ESTI-Vorschrift Nr. 233.0710 Solar-Photovoltaik (PV)-Stromversorgungssysteme
  • Leitsätze SEV4022 Blitzschutzsysteme, insbesondere die zugehörige Erläuterung «Photovoltaikanlagen; Überspannungsschutz und Einbindung in das Blitzschutzsystem»

Als Bauprodukte müssen Komponenten von Photovoltaik-Indachsystemen die gängigen Normen und Vorschriften berücksichtigen, insbesondere:

  • Norm SIA 232/1 «Geneigte Dächer»
  • Norm SIA 261 «Einwirkungen auf Tragwerke»
  • Leitsätze SEV 4022:2008 «Blitzschutzsysteme»
  • Merkblatt «Überspannungsschutz und Einbindung in das Blitzschutzsystem»
  • Gestalterische und bewilligungstechnische Aspekte, Vorschriften und Richtlinien (z.B. Raumplanungsgesetz/Denkmalpflege, je nach Gemeinde different)
  • VKF: Brandschutznorm, Richtlinien und Merkblätter

In der EU sind die PV-Normen IEC 61215 und 61730 nur für einen Typ (geprüfte Grösse) gültig.

  •  BIPV-Module; Deutsche Fassung EN 50583-1:2016 Anforderungen an Moduldesign, Leistung usw.:
    • Mechanische Festigkeit und Standsicherheit
    • Sicherheit im Brandfall (Brandschutz)
    • Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz
    • Nutzungssicherheit
    • Schallschutz
    • Energieeinsparung, Wärmeschutz
    • Nachhaltigkeit

6.3.5 Weiterführende Informationen

«Photovoltaikanlagen» (Buch + E-Book); Christof Bucher; Faktor-Verlag; Zürich 2022

«Wie erreichen wir die Energiewende konkret?»; Josef Jenni; Eigenverlag Jenni Energietechnik; Oberburg bei Burgdorf 2015

«Integrale Solararchitektur – ästhetisch herausragende Bauten als Energieerzeuger»; Minergie Schweiz und Bundesamt für Energie; Bern 2015

«Regenerative Energiesysteme – Technologie – Berechnung – Simulation»; Volker Quaschning; Hanser Verlag; München 2013

«Solararchitektur für Europa»; Astrid Schneider; Birkhäuser Verlag; Basel – Bosten – Berlin 1996

«Photovoltaik – Strom ohne Ende»; Thomas Seltmann; Verlag Solarpraxis; Berlin 2009

«Photovoltaik in Gebäuden – Handbuch für Architekten und Ingenieure»; Heinz Hullmann; Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2000

«Gebäudeintegrierte Photovoltaik – Architektonische Integration der Photovoltaik in die Gebäudehülle»; Ingo B. Hagemann; Verlag Rudolf Müller; Köln 2002

«Designing with Solar Power – a source book for building integrated Photovoltaics (BIPV)»; Deo Prasrad & Mark Snow; University of South Wales; The images publishing group 2005 Merkblätter von SWISSOLAR Nr. 1 bis 15, Schweizerischer Fachverband für Solarenergie, Zürich, 2022: KEV und Einmalvergütung / Projektablauf / Erdung, Blitz- und Überspannungsschutz / Versicherungen / Vorsorge für allfällige Feuerwehreinsätze / Sammlung von anwendbaren Vorschriften / Netzanschluss / Abnahme- und Inbetriebnahmeprotokoll (Mess- und Prüfprotokoll) / Kantonale und eidgenössische Steuerpraxis / Recycling und Entsorgung von PV-Modulen / Ökobilanz der Stromerzeugung durch Photovoltaik

6.3.6 Simulationssoftware, Designtools und Links

«Polysun»; Berechnungstool für die Bereiche Solarthermie, Photovoltaik, Wärmepumpen und Geothermie; http://www.velasolaris.com

«T Sol 5»; Dynamisches Simulationsprogramm zur Auslegung und Optimierung von thermischen Solaranlagen; http://www.valentin-software.com

«Solar Toolbox»; Online-Solarthermie- & Photovoltaik-Berechnung; http://www.solar-toolbox.ch

«PV Sol Professional»; Dynamisches Simulationsprogramm mit 3DVisualisierung und detaillierter Verschattungsanalyse für netzgekoppelte PV-Anlagen; http://www.valentin-software.com

«PVGIS»; Gratis-Tool zur Berechnung von Ertragsprognosen; http://www.photovoltaik-web.de