8.1.1 Randbedingungen
Es stellte sich die Frage, ob ein bestehendes Gebäude saniert werden soll und so am Rande der Luzerner Neustadt zwei bis drei Wohneinheiten zur Verfügung stehen können oder ob mit einem Ersatzneubau fünf Stadtwohnungen realisiert werden sollen, die bezüglich Bau- und Haustechnik den heutigen Anforderungen entprechen, ohne Kompromisse an den Schallschutz und die thermische Gebäudehülle machen zu müssen.



Die Entscheidung wurde zugunsten eines Ersatzneubaus gefällt, und so konnten fünf Eigentümer mit verschiedenen Ansprüchen zusammen ein Stadthaus bauen. Die Grösse des Baubereichs lässt neben der Erschliessung eine grosszügige Wohnung pro Geschoss zu. Dieser Grundtypus wird aber nicht einfach übereinander gestapelt, sondern aufgrund der individuellen Ansprüche der Eigentümer modifiziert. So erweitert sich eine der drei geräumigeren Wohnungen als Maisonette vom Hochparterre zum Garten. Die beiden obersten Einheiten teilen sich drei Geschosse, wodurch die eine Wohnung einen doppelgeschossigen Raum erhält.
Die Auszeichnung «Gute Bauten im Kanton Luzern 1999 – 2004» zeigt, dass die getroffenen Entscheide richtig waren. Auch die bereits langen Nutzungserfahrungen sind durchwegs positiv.

von Süden her fotografiert.



8.1.2 Baukonstruktion, Bauausführung und Qualitätskontrolle
Vorbereitungsarbeiten/Bodenplatte
Das bestehende Gebäude wurde zurückgebaut und nach dem Aushub für das neue Gebäude wurden 35 Kleinbohrpfähle von etwa 10 m Länge erstellt, auf denen die Betonbodenplatte aufliegt. Eine 14 cm dicke Schicht aus Schaumglasschotter, direkt über der Rohplanie aufgebracht, bildet für die ganze Bodenplatte einen Mindestwärmeschutz. Im Bereich der beheizten Wohnungsräume bietet die wärme- und trittschallgedämmte Bodenüberkonstruktion einen zusätzlichen Wärmeschutz.




Wände gegen Erdreich und gegen Aussenklima
Sowohl im Bereich der unbeheizten UG-Räume wie auch bei der Wohnung im Gartengeschoss, wird der Wärmeabfluss durch eine 14 cm dicke XPS-Perimeterdämmung reduziert. Mit diesem Konzept befindet sich das ganze Gebäude innerhalb der thermischen Gebäudehülle.
Die Aussenwände über Terrain sind im Wärmedämmverbundsystem ausgeführt. Je nach statischen Anforderungen besteht die tragende Aussenwand aus 15 cm dicken Kalksandstein- oder aus 20 cm dicken Betonwänden. Als Aussenwärmedämmung wurden 18 cm dicke EPS-Platten mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,031 W/m·K verwendet.





Einbau der Fenster
Die Fenster sollen aussen flächenbündig in die Fassade eingesetzt werden. Die Erstellung des Fensteranschlages mit Kalksandsteingewänden und Sturzbrettern durch den Baumeister hat sich hierfür nur beschränkt bewährt. Die Toleranzen bzw. Abweichungen zu einem Sollwert waren eher gross, was das korrekte Anschlagen der Fenster erschwert hat.
Bei den Fenstern handelt es sich um Holz-Metall-Fenster mit 3-fach-Isolierverglasung.


Boden beim Erker, über Aussenklima
Die Bodenüberkonstruktion mit Bodenheizung ist analog wie bei den Geschossdecken ausgeführt. Zusammen mit der 18 cm dicken Wärmedämmung unter der Betondecke konnte ein guter U-Wert von 0,15 W/m2·K erreicht werden.


Geschossdecken
Die Geschossdecken müssen erhöhten Anforderungen an den Luft- und Trittschallschutz genügen (vgl. Bilder 8.1.24 und 8.1.25). Über die Geschossdecken werden die Räume sowohl mit frischer Luft versorgt (Polyethylenrohre in der Betondecke, Zuluftöffnungen an der Decke) als auch mit Wärme über die Bodenheizung.
Zur Minimierung der Schallübertragung über die Wände wurden die Kalksandsteinmauern über einem Schalldämmlager aufgemauert.





Schallschutz zwischen Treppenhaus und Wohnungen

Beim MFH an der Lindenhausstrasse sind folgende Schallübertragungen relevant:
- Trittschallübertragung durch Anregung der Treppenläufe und Podeste.
- Luftschallübertragung über Wohnungsabschlusstüren.
- Luftschallübertragung über Wände ohne Türeinfluss.
Sowohl die Treppenläufe wie auch die Podeste wurden mit eingefärbtem Beton vorfabriziert und schalltechnisch entkoppelt in den angrenzenden Wänden verankert. Solche Verankerungen und Auflagerelemente bieten eine Trittschallverbesserung um 25 bis 30 dB, womit die erhöhten Anforderungen an den Trittschallschutz gewährleistet werden können.
Die Trennwand aus Kalksandsteinmauerwerk verfügt treppenhausseitig über eine durchgehende, biegeweiche Vorsatzschale. Mit diesem Konzept wurde ein erhöhter Luftschallschutz erreicht.
Wohnungsabschlusstüren bei «offenem Wohnungsgrundriss» müssen gemäss Norm SIA 181 einen Schallschutz von R‘w + C ≥ 37 dB bieten. Mit schalldämmendem Türblatt und umlaufender Dichtung/Schwelle konnte diese Anforderung problemlos erfüllt werden.







Begehbares Flachdach
Neben einem sehr guten Wärmeschutz muss das begehbare Flachdach über der obersten Wohnung einen erhöhten Trittschallschutz erreichen.


Trittschallschutz bei Balkonen
Alleine mit einer wärmetechnischen Entkoppelung der Balkonplatte (Kragplattenanschluss) kann der erforderliche Trittschallschutz nicht erreicht werden. In der Regel kommt es aber kaum je zu Reklamationen bei dieser Schallübertragung.


Trittschallschutz im Untergeschoss
Die gewählte Konstruktion in den Nebenräumen des Untergeschosses, ohne trittschalldämmende Bodenüberkonstruktion, ist eine übliche. Damit lassen sich aber die geltenden Anforderungen an den Trittschallschutz nicht immer einhalten, was jedoch in der Regel kaum je zu Reklamationen führt. Es empfiehlt sich, diese Abweichung zum normativ erforderlichen Schallschutz «vertraglich zu legitimieren».


Vermeidung von relevanten Wärmebrücken
Durch das Konzept einer thermischen Gebäudehülle, die das ganze Gebäude umschliesst, beschränken sich die Wärmebrücken im Wesentlichen auf den Einbau der Fenster, die Dachränder und die Kragplattenanschlüsse bei den Balkonen. Die relevanten Details wurden gestützt auf Wärmebrückenberechnungen optimiert.


8.1.3 Energieverbrauch über 12 Betriebsjahre
Der Energieverbrauch für die Heizung sowie der Warm- und Kaltwasserverbrauch werden seit Nutzungsbeginn je Wohnung und Monat ermittelt und die Kosten verbrauchsabhängig gemäss VHKA abgerechnet. Die Unterschiede zwischen den Wohnungen sind beim Heizwärmeverbrauch sehr gross (vgl. Bild 8.1.40). Das hängt im Wesentlichen von unterschiedlichen Ansprüchen an die Raumtemperatur und vom differenten Lüftungsverhalten (Fensterlüftung kontra Komfortlüftung) ab. Aber auch die Lage der Wohnung ist entscheidend, dies vor allem hinsichtlich die grossen Unterschiede bei den passivsolaren Energiegewinnen. Die Wohnung im 2. Obergeschoss konnte im Betriebsjahr 2014 ohne aktive Zufuhr von Wärmeenergie über die Bodenheizung betrieben werden, ohne dass die Raumtemperaturen wesentlich unter die Auslegungstemperatur von 20 °C fielen (vgl. Bild 8.1.41).
Anmerkung zur Energieverteilung nach VHKA:
Gemäss VHKA soll die wärmetechnisch ungünstigere Lage einer Wohnung innerhalb eines Gebäudes ausgeglichen werden (z.B. mehr Aussenflächenanteil). Höherer Wohnkomfort, wie grosszügige Verglasung von Attikawohnungen, soll hingegen nicht ausgeglichen werden. Reduktionen ergeben sich z.B. durch:
- Erdgeschoss nicht unterkellert 15 %
- Erdgeschoss über unbeheiztem Keller 10 %
- Obergeschoss direkt unter der Dachfläche 20 %
- Eckräume 10 %
- Nordseite 5 %
Alle diese Reduktionen sind nur verlustorientiert definiert. Die heute hohen Anteile an passivsolaren Gewinnen werden nicht berücksichtigt. Diese VHKA-Art des Lageausgleichs widerspiegelt beim vorliegenden Mehrfamilienhaus die wärmetechnische Lage der Wohnungen nicht! So werden die obersten Wohnungen unter den Dächern mit Lagekorrekturen von 0,72 bzw. 0,78
«belohnt», obwohl sie einen erheblich kleineren Heizwärmebedarf haben als die EG-Wohnung mit einer Lagekorrektur von 0,86.
8.1.4 Weitere Angaben zum Objekt
Anmerkung:
Die Differenz zwischen (1) + (2) und (3) von 3,6 kWh/m2 oder +18 % ist insbesondere mit Speicher- und Verteilverlusten (Warmwasser) zu erklären.

