2.1.1 Was heisst «richtig» bemessen?

Ein Wärmeerzeuger (WE) ist zweckmässig be­mes­sen, wenn die Energie ra­tio­nell ge­nutzt wird und die Anlage wirt­schaft­lich arbeitet. An­de­rer­seits ist ein Wärmeerzeuger auf den Wär­me­lei­stungs­be­darf exakt ab­ge­stimmt, wenn er bei der Auslegungstem­pe­ra­tur von beispielsweise –8 °C die ver­ein­bar­te Raumtem­pe­ra­tur gerade noch aufrecht­erhalten kann. Der exakt abgestimmte Wär­meer­zeu­ger steht bei diesen Ver­hält­nis­sen un­un­ter­bro­chen in Betrieb und besitzt kei­ne Leistungsreserve. Der Dimensionierungs­fak­tor

hat den Wert 1.

Vorsicht: Die effektive maximale WE-Leistung bei Auslegungsbedingungen weicht in der Regel von der Angabe auf dem Typenschild ab.

Wegen der Stufensprünge der Leistung in einer Typenreihe ist die exakte Abstimmung oft nicht möglich. Moderne Öl-/Gaskessel mit ihren sehr kleinen Be­reit­schaftsverlusten dürfen ohne Be­ein­träch­ti­gung des Jahresnutzungsgrads mit Leistungsreserven bis etwa 40 % ausgelegt werden.

Bei Wär­me­pum­pen-An­la­gen ist die exakte Ab­stim­mung von Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit. Es kann sogar eine Un­ter­dec­kung (fdim < 1) sinnvoll sein. Während der Spitzen wäre dann z.B. ein Holzofen ein­zu­set­zen oder einzelne Ver­brau­cher wären ab­zu­schal­ten. Es ist ratsam, eine der­ar­ti­ge Überbrückung von Käl­te­pe­ri­oden mit der Bau­herr­schaft schriftlich zu ver­ein­ba­ren. Oft bestehen Sperr­zei­ten von mehreren Stun­den seitens des Elektrizitätswerks. Dann muss eine höhere Wärmeerzeugerleistung installiert wer­den.

Bei Holz­feue­run­gen mit Speichern sind we­sent­li­che Leis­tungs­re­ser­ven ein Bestandteil des Kon­zepts (fdim > 2).

Zur Plau­si­bi­li­täts­kon­trol­le bei üblichen Öl-, Gas- oder Wärmepumpenanlagen kann die spe­zi­fi­sche Lei­stung her­an­ge­zo­gen wer­den:

  • herkömmliche Bauten40…60 W/m2 EBF
  • gut wärmegedämmte Bauten15…40 W/m2 EBF
  • Passivhäuser10…15 W/m2 EBF

2.1.2 Be­rech­nung bei Neu­bau­ten

Die vom Wärmeerzeuger zu erbringende Lei­stung setzt sich zusammen aus:

a dem normgemässen Heiz­lei­stungs­be­darf des Ge­bäudes,
b dem mittleren Leistungsbedarf des Warmwassersystems (Wohnbauten benötigen etwa 3 W/m2 EBF),
c dem Leistungsbedarf verbundener Systeme (Lufterhitzer von Lüftungsanlagen).

Die Verlustleistung eines gedämmten Wärmeverteil­systems innerhalb eines Gebäudes ist meistens ver­nachlässigbar.

Eine zusätzliche Aufheizleistung bei Heizunterbruch ist überflüssig, wenn bei tiefen Aussentemperaturen auf eine Nachtabschaltung oder -absenkung verzichtet wird. Dies ist oft auch vorteilhaft hinsichtlich des Komforts und der Kosten.

2.1.3 Ab­schät­zun­gen bei be­ste­hen­den Bau­ten

Die nach­fol­gen­den Ab­schätz­me­tho­den kön­nen bei Öl- und Gaskesseln gute Dien­ste leisten, sofern man die Aus­wir­kun­gen mög­li­cher Ab­wei­chun­gen im Griff hat.

Volllastzeit und Dimensionierungsfaktor

Bild 2.1 zeigt qualitativ, wie sich die Dimensionierung bzw. Überdimensionierung des Wärmeerzeugers und die Wärmegewinne auf die Volllast-Brennzeit auswirken. Letztere ergibt sich aus:

ta jährliche Volllast-Brennzeit in h
Va mittlerer Jahres-Brennstoffverbrauch in l
qv Brennstoffvolumenstrom bei Volllast in l/h

Bild 2.1 Dimensionierungsfaktor und Volllast-Brennzeit für herkömmliche Wohnbauten im schweizerischen Mittelland. Die Schägschraffur deutet den Einfluss erhöhter Wärmegewinne in neueren Bauten an.

Bild 2.2 Bemessung nach Brenn­stof­f­ver­brauch für herkömm­liche Wohnbauten nach R. Weiersmüller

Methode Brennstoffverbrauch

Für ein theoretisches Gebäude ohne Wärmegewinne und mit einem verlustlosen Wärmeerzeuger lässt sich die Volllastzeit für Heizung aus den Heizgradtagen und der Differenz zwischen Innentemperatur und Normaussentemperatur ermitteln [Wei]. Diese theoretische Volllastzeit korreliert gut mit der Standorthöhe.

Für konventionelle Wohnbauten mit wenig Gewinnen (kaum gedämmt, ohne grosse Fensterflächen, 20–21°C) lässt sich daraus für die Schweiz ableiten:

tH,a jährliche Volllastzeit für Heizung in h
hbuild Standorthöhe in m

Bei gedämmten Wohnbauten mit grösseren Fensterflächen ist die Volllastzeit tH,a um bis über ein Drittel geringer. Hinweis: Die Volllastzeit tH,a ist kleiner als die Volllast-Brennzeit ta des vorhergehenden Abschnitts, da sie die Wärmeerzeugerverluste nicht mit umfasst.

Aus dem Endenergieverbrauch wird zunächst die jährliche Wärmeabgabe des Wärmeerzeugers ermittelt:

Qgen,out jährliche Wärmeabgabe des Wärmeerzeugers in kWh
ma jährlicher Brennstoffverbrauch im mehrjährigen Mittel in kg
Hs Brennwert in kWh/kg
ηa geschätzter Jahresnutzungsgrad bezüglich Hs, 0,75 bis 0,9, vgl. Kapitel 2.8

Die jährliche Wärmeabgabe des Wärmeerzeugers für die Wassererwärmung QW,gen,out ergibt sich aufgrund des durchschnittlichen Nutzwarmwasserbedarfs (Kapitel 7.1.4), vermehrt um die Verluste der Warmwasseranlage (Kapitel 7.4.2). Somit ist die Wärmeabgabe für Heizung:

Die erforderliche Wärmeerzeugerleistung des Ersatzwärmeerzeugers wird schliesslich:

Φgen,out erforderliche Wärmeerzeugerleistung in kW
QH,gen,out jährliche Wärmeabgabe des Wärmeerzeugers für Heizung in kWh
QW,gen,out jährliche Wärmeabgabe des Wärmeerzeugers für Wassererwärmung in kWh
tH,a jährliche Volllastzeit für Heizung in h, Gl.(2.3)
tW,a jährliche Betriebszeit für Wassererwärmung, 8760 h

Bei einem grossen Warmwasseranteil (QW,gen,out/Qgen,out > 1/3) ist die Methode zu ungenau. Die Methode ist hingegen anwendbar, falls die Feuerung nicht durch eine neue Feuerung, sondern durch eine Wärmepumpe ersetzt werden soll. Die oben ermittelte Volllastzeit tH,a ist dabei unverändert einzusetzen.

Bild 2.2 verwendet einen ähnlichen Ansatz. Für grössere Anlagen gelten die geklammerten, für Kleinanlagen die nicht geklammerten Werte. Das Bild zeigt eine knappe Ersatzwärmeerzeugerleistung.

2.1.4 Mes­sun­gen bei bestehenden Bauten

Mit Messungen an der alten Heiz­an­la­ge wird eine we­sent­lich bessere Ge­nau­ig­keit erreicht, und es können Fälle un­ter­sucht werden, die nicht in die obi­gen Ka­te­go­ri­en fallen.

Die Messungen werden während einiger Winterwochen durchgeführt. Das einfachste Vorgehen ist, periodisch den Brennstoffverbrauch zu protokollieren und die Aussentemperatur mit einem Datenlogger zu erfassen. In jeder Messperiode ist die mittlere Feuerungsleistung:

Pgen,in,m mittlere Feuerungsleistung (bezüglich Brennwert) in der Messperiode in kW
mp Brennstoffverbrauch in der Messperiode (Brennstoffzähler) in kg
Hs Brennwert in kWh/kg
tp Dauer der Messperiode in h

Indem für jede Messperiode die mittlere Feuerungsleistung der mittleren Aussentemperatur zugeordnet wird, entsteht eine Leistungskennlinie (Bild 2.3). Durch Inter- oder Extrapolation wird die mittlere Feuerungsleistung bei der Norm-Aussentemperatur bestimmt. Durch Multiplikation mit dem gut abschätzbaren Kesselwirkungsgrad (bezüglich Brennwert) erhält man die mittlere Kesselleistung bei Norm-Aussentemperatur (Kapitel 2.2.2). Mit einem Zuschlag von etwa 15 Prozent zur Berücksichtigung von Solargewinnen ergibt sich die erforderliche Wärmeerzeugerleistung des Ersatzwärmeerzeugers [SIA 384/1]. Bei manueller Protokollierung genügt für Wohngebäude eine einmalige tägliche Ablesung. Bei Gebäuden mit, im Tagesablauf, zwei deutlich verschiedenen Betriebsphasen (Verwaltungsgebäude) sind die Ablesezeitpunkte an den Anfang dieser Betriebsphasen zu legen. Es ergeben sich dann zwei Leistungskennlinien.

Bild 2.3 Gemessene Leistungskennlinien eines Verwaltungsgebäudes