1.1.1 Grundsätzliche Punkte

Der Grundsatz der Nachhaltigkeit stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und besagt, dass nicht mehr Holz gefällt werden darf, als auch wieder nachwächst. Er wird heute etwas weiter gefasst. Die drei Säulen einer nachhaltigen Entwicklung sind:

  • Ökologie (Umwelt),
  • Ökonomie (Wirtschaft) und
  • Soziales (Gesellschaft).

Keine dieser drei Säulen darf zugunsten einer andern geschwächt werden, sonst besteht Einsturzgefahr. Die Gebäudetechnik berührt dieses Thema in vielerlei Hinsicht. Wesentliche Anliegen sind die Verbesserung von technischen Einrichtungen und das Bauen von guten Anlagen. Das ist das Thema dieses Buches.

Allerdings ist es nicht damit getan, Energie effizient bereitzustellen und zu nutzen. Zunehmend wichtig werden Genügsamkeit und eine Stabilisierung der Bevölkerungszahl. Das «nachhaltige Wirtschaftswachstum» erweist sich weitgehend als Illusion. Doch das ist nicht Thema dieses Buches.

Begriffe

Primärenergie ist die Energie in ihrer Rohform, bevor sie transportiert oder umgeformt wird: Rohöl, Erdgas, Kohle und Uran in geologischen Lagerstätten, Holz im Wald, die potenzielle Energie des Wassers, die Solarstrahlung sowie die kinetische Energie des Windes. Man unterscheidet:

  • nicht erneuerbare Primärenergie, diese beruht auf endlichen Vorräten, und
  • erneuerbare Primärenergie, diese kann immer wieder genutzt werden, ist aber oft ebenfalls erschöpflich.

Endenergie ist die dem Verbraucher von der letzten Stufe des Handels gelieferte Energie in Form der Energieträger Heizöl, Gas, Holz, Fernwärme und Elektrizität. Bei Brennstoffen bezieht sie sich auf den Brennwert. Wird vom Verbraucher selbst produzierte Energie an den Handel zurückgeliefert, ergibt sich die netto gelieferte Energie.

Vorsicht: Im Handel wird mitunter die Endenergie auf den Heizwert bezogen.

Treibhausgase sind neben dem Kohlendioxid CO2 vor allem Methan, Stickoxide und Fluorkohlenwasserstoffe. Diese Gase sind unterschiedlich klimawirksam. Um die Angaben zu vereinheitlichen, werden sie in äquivalente Mengen von CO2 umgerechnet. Treibhausgase sind nebst der Primärenergie die hauptsächliche Beurteilungsgrösse im Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft.

Energieverbrauch

Einige heute noch billige Primärenergien gehen früher oder später zur Neige (Bild 1.1). Der Übergang zu teureren Nachfolgeenergien zwingt längerfristig zur Senkung des Primärenergieverbrauchs. Bei der Umwandlung der Primärenergie in Nutzenergie geht heute weit mehr als die Hälfte verloren. Dabei entstehen Umweltbelastungen (Bild 1.2). Bei der Umwandlung sämtlicher Primärenergien in Nutzenergie werden heute auch fossile Brennstoffe eingesetzt.

Der Verbrauch der Ressourcen

Bild 1.1 Der Verbrauch der Ressourcen

Umwelteinflüsse der Primärenergien unmittelbar und mittelbar

Bild 1.2 Umwelteinflüsse der Primärenergien unmittelbar und mittelbar

Der Betriebs-Energieverbrauch im Gebäude sinkt dank baulicher und technischer Massnahmen. Die während des Lebenszyklus der Gebäude umgesetzte Primärenergie ist ein massgeblicher ökologischer Einflussfaktor (Bild 1.3). Zum Vergleich: Ein Mensch nimmt im Verlauf seines Lebens etwa 150 GJ in Form von Nahrung auf.

Primärenergieverbrauch bezüglich der Energiebezugsfläche und Gebäude-Lebenszyklus

Bild 1.3 Primärenergieverbrauch bezüglich der Energiebezugsfläche und Gebäude-Lebenszyklus

Wahl der Bilanzgrenze

Ein System wird anhand einer Bilanz beurteilt. Wird beispielsweise ein Gebäude isoliert betrachtet, fällt das Resultat ganz anders aus als beim System Gebäude-Transportweg (Bild 1.4). Die tägliche Autofahrt verbraucht jährlich 2000 Liter Brennstoff. Das ist weit mehr, als das ganze Niedrigenergiehaus benötigt.

Problematik des Niedrigenergiehauses im Grünen

Bild 1.4 Problematik des Niedrigenergiehauses im Grünen

Nutzerverhalten

Bei gleichen Gebäuden und gleicher Nutzung werden Unterschiede im Energieverbrauch bis zu einem Faktor drei festgestellt. Hohe Verbräuche sind beispielsweise zurückzuführen auf:

  • hohe Raumtemperatur im Winter und tiefe im Sommer,
  • Gedankenlosigkeit (ganztags offene Fenster),
  • Unkenntnis der technischen Installationen (Thermostate auf dem Maximum),
  • Bequemlichkeit (Apparate in Betrieb bei Nichtgebrauch) und
  • mangelhafte Wartung.

Gebäude-/Gebäudetechnikkonzept

Energiekonzept: Die Bauherrschaft wählt das Energiekonzept des Gebäudes und beeinflusst damit direkt den Verbrauch. Ansätze zur Relativierung übertriebener Ansprüche sind in den Normen bereits vorhanden, z.B. sind Raumtemperaturabweichungen bei extremen Wetterverhältnissen zulässig.

Bedienungskonzept: Je nach Bedienungskonzept wird ein energiebewusstes Nutzerverhalten gefördert oder erschwert.

Komplexität: Um gute Energienutzung und Komfort zu erreichen, werden immer komplexere Anlagen gebaut. Dabei steigt der Aufwand für Inbetriebnahme und Betriebsoptimierung. Die schwierige Durchschaubarkeit komplexer Systeme führt oft dazu, dass das Ziel (Betriebsoptimum) verfehlt wird. Nicht selten erweisen sich technische «Verbesserungen» als nutzlos oder gar kontraproduktiv. Es sollten nur wirklich benötigte Funktionen eingebaut werden. Vermiedene Geräte müssen nicht produziert, installiert, bedient, gewartet, unterhalten und entsorgt werden. Auch die ökologischen Überlegungen sprechen im Zweifelsfall für das einfachere Konzept.

Zugänglichkeit: Gebäudetechnische Installationen haben eine viel kürzere Nutzungsdauer als Böden und Wände. Aus einem manchmal fragwürdigen Schönheitsempfinden heraus wird die Technik unter die Oberfläche verbannt. Zwischen den Wandschlitzen bleiben oft nur noch kümmerliche Mauerreste übrig. Reparatur und Ersatz sind dann sehr aufwendig. Eine klare Trennung von Baukonstruktion und Gebäudetechnik-Elementen ist deshalb anzustreben durch offene Leitungsführung und Installationsschächte. Damit erhöht sich auch die Flexibilität bei künftigen Nutzungsänderungen und verbessert sich die Rückbaubarkeit.

1.1.2 Graue Energie

Die dem Gebäude zugeführte Endenergie und die verwendeten Stoffe sind unter Einsatz von Energie verarbeitet worden. Diese Energie ihrerseits ist aus Primärenergie erzeugt worden. Der Primärenergieinhalt der Stoffe, auch als graue Energie bezeichnet, hängt ab von den zugrunde liegenden Produktionsprozessen und von der Wahl der Bilanzgrenzen. Nach

[SIA 2032] werden für die Ermittlung der grauen Energie nur die nicht erneuerbaren Primärenergie-Ressourcen berücksichtigt.

Umwandlung von Primärenergie zu Endenergie

Der Primärenergiefaktor ist das Verhältnis von Primärenergie zur Endenergie.

Der Treibhausgasemissionskoeffizient ist die äquivalente CO2-Menge, die pro Einheit der Endenergie emittiert wird. Er enthält nebst der grauen Emission auch die Emission bei der Verbrennung innerhalb des Gebäudes.

Die Werte nach Bild 1.5 stellen den gegenwärtigen Stand der Technik und der Analyse dar.

Primärenergiefaktor nicht erneuerbar von Endenergieträgern und Treibhausgasemissionskoeffizient

Bild 1.5 Primärenergiefaktor nicht erneuerbar von Endenergieträgern (in MJ Primärenergie pro MJ Endenergie) und Treibhausgasemissionskoeffizient (in kg CO2 pro MJ Endenergie), Auszug

[SIA 2040]

Graue Energie im Gebäude

In

[SIA 2032] finden sich ausführliche Tabellen zur grauen Energie von Bauteilen. In üblichen Neubauten beträgt die graue Energie für Baumaterial und Technik insgesamt 2000 bis 6000 MJ/m2 Energiebezugsfläche. Das ist eine ähnliche Grössenordnung wie die Betriebs-Primärenergie für Heizung, Lüftung, Klimatisierung, Beleuchtung und Betriebseinrichtungen während der Nutzungsdauer eines Niedrigenergiegebäudes.

Graue Energie in der Gebäudetechnik

In üblichen Wohnbauten beträgt die graue Energie der gebäudetechnischen Installationen 400 bis 1000 MJ/m2 Energiebezugsfläche. Es zeigt sich, dass Effizienz-Verbesserungen an der Gebäudetechnik vergleichsweise rasch energetisch amortisiert sind.

1.1.3 Umweltbelastung

Emissionen bei der Verbrennung

Viele Emissionen bei der Verbrennung sind durch die technische Entwicklung – auf die Energieeinheit bezogen – geringer geworden. Die Emission von Kohlendioxid ist hingegen nicht beeinflussbar. Bild 1.7 stellt den Stand der Technik dar. Aus Immissionsgrenzwerten

[LRV] kann ein Mass für die Schädlichkeit abgeleitet werden. Schwebstaub, SO2, NOx und HC weisen Immissionsgrenzwerte derselben Grössenordnung auf (0,03 bis 0,1 mg/m3). Diesen sei ein Bewertungsfaktor 1 zugeordnet. Kohlenmonoxid CO mit einem Immissionsgrenzwert von 8 mg/m3 ist rund 100-mal weniger schädlich (Bewertungsfaktor 0,01). Bei CO2 wurde ein Grenzwert entsprechend einer Erhöhung der Konzentration um 100 ppm angenommen.

Emission, Transmission, Immission

Bild 1.6 Emission, Transmission, Immission

Schadstoffemission bei der Nutzung von Brenn- und Treibstoffen

Bild 1.7 Schadstoffemission bei der Nutzung von Brenn- und Treibstoffen in mg/MJ Endenergie (bezüglich Heizwert)

Instationäre Betriebsphasen

Wärmeerzeuger weisen während des Anfahrens und des Ausbrandes höhere Emissionen auf als im stationären Betrieb. Zwecks Verminderung der Emission und Erhöhung der Lebensdauer sind deshalb minimale Laufzeiten erforderlich, z.B. 4 min bei Brennern, 1 h bei BHKWs.

Schadstoffwirkung

Die Immissionsgrenzwerte von Stickstoffdioxid (NO2) werden am häufigsten überschritten. NO2 ruft Reizungen und Erkrankungen der Atemorgane hervor. Sonnenlicht bildet Ozon aus NO2 und Kohlenwasserstoffen (HC). Ozon greift ebenfalls die Atemorgane an und schädigt Pflanzen. Kohlenmonoxid (CO) beeinträchtigt in höherer Konzentration die Sauerstoffaufnahme des Bluts, kann aber bezüglich Auswirkung auf die Umwelt vernachlässigt werden, da es zu CO2 aufoxidiert.

Treibhausgase

Kohlendioxid (CO2) wirkt nicht toxisch, kann aber durch Verstärkung des Treibhauseffekts grosse Folgen zeitigen. Bei Holz besteht eine ausgeglichene CO2-Bilanz, sofern es nachhaltig genutzt wird. Es wird beim Wachstum gleich viel CO2 gebunden, wie bei der Verbrennung oder der natürlichen Verrottung freigesetzt wird. Behandeltes Abfallholz ist emissionsmässig äusserst problematisch.

Ozonschicht

Die früher als Kältemittel und Treibmittel eingesetzten Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe sind nicht toxisch. Sie greifen aber in der Stratosphäre den Ozon-Strahlungsschutzschild an, welcher für die ganze Biologie von grosser Bedeutung ist. Wegen ihres Ozonabbaupotenzials und ihres Treibhauspotenzials sind einige früher sehr gebräuchliche Kältemittel verboten: R11, R12, R22, R502. In dieser Hinsicht umweltfreundlichere, chlorfreie Kältemittel sind eingeführt.

Vergleichbarkeit der Umweltbelastung

In einfachen Fällen, wie dargelegt anhand der Bewertungsfaktoren für Luftschadstoffe, lassen sich die Umweltbelastungen verschiedener Energiesysteme vergleichen. Grundsätzlichere methodische Schwierigkeiten ergeben sich, wenn beispielsweise Luftschadstoffe und radioaktive Abfälle gegeneinander abgewogen werden müssen.

Ansätze, solche Schwierigkeiten zu überwinden, sind beispielsweise:

  • das Verfahren der Eco-Indicator-Points des niederländischen Umweltministeriums,
  • die Methode der Umweltbelastungspunkte (UBP) des Bundesamts für Umwelt (BAFU),
  • die Methode der externen Kosten, welche als kalkulatorische Energiepreiszuschläge in eine Wirtschaftlichkeitsrechnung einbezogen werden können (Bild 1.8).

Grundsätzlich bleibt die Aussagekraft solcher Methoden immer recht eingeschränkt. Zweifelsfrei ist jedoch: Minderverbrauch führt zu Umweltentlastung.

Energiepreise und kalkulatorische Energiepreiszuschläge 1990–1992 aufgrund von Schadenkosten und Treibhauseffekt-Vermeidungskosten

Bild 1.8 Energiepreise und kalkulatorische Energiepreiszuschläge 1990–1992 aufgrund von Schadenkosten und Treibhauseffekt-Vermeidungskosten

[BFE1]

1.1.4 Wertigkeit der Energie

Nicht alle Energien haben dieselbe hohe Wertigkeit wie mechanische oder elektrische Energie. Energie kann unterteilt werden in Exergie und Anergie. Exergie ist der in mechanische Arbeit umwandelbare Teil. Anergie ist der nicht umwandelbare Teil.

Die Exergie einer Wärmeenergie Q beträgt

ηC Carnot-Wirkungsgrad
Tamb Umgebungstemperatur in K
T Temperatur des wärmeabgebenden Mediums in K

Beispiel:
Exergie einer Wärmeenergie Q = 100 kJ bei einer Umgebungstemperatur von 0 °C (Bild 1.9).

Exergie einer Wärmeenergie auf verschiedenen Temperaturniveaus

Bild 1.9 Exergie einer Wärmeenergie auf verschiedenen Temperaturniveaus

Die Exergie ist um so grösser, je höher die Temperatur ist. Wärme ist also um so wertvoller, je höher die Temperatur ist, bei der sie zur Verfügung steht. Die riesige Wärmeenergie bei Umgebungstemperatur besteht nur aus Anergie. Mittels Wärmepumpen kann diese Energie auf ein nutzbares Temperaturniveau gebracht werden, allerdings nur unter Einsatz höherwertiger Energie.

Mit Verbrennungswärme kann man nicht nur Räume heizen, sondern auch mechanische (und elektrische) Energie gewinnen (Wärme-Kraft-Kopplung). Wie das Beispiel zeigt, ist es grundsätzlich möglich, chemische Energie zu über 80 % in mechanische Energie umzuwandeln. Mit heute üblichen Verbrennungsmotoren lassen sich jedoch nur 30 bis 40 % erreichen. Der Grund ist das thermodynamisch überflüssige, aber aus Werkstoff- und Schmierungsgründen notwendige Kühlen der Zylinder.

Elektrische und mechanische Energien lassen sich mit Wirkungsgraden von theoretisch beliebig nahe bei eins ineinander in beide Richtungen umwandeln. Elektrische Energie ist reine Exergie.