Qualität, Materialisierung, Lebenszyklusorientierung

Wie bereits angemerkt, definierte Hans Carl von Carlowitz 1713 den Begriff der Nachhaltigkeit. Es ging damals um massive Rodungen von Wäldern und um die Erkenntnis, dass die Zinsen (Wachstum der Bäume, Holzproduktion) langfristig nur dann geerntet werden können, wenn der Kapitalstock (der Wald selbst) unangetastet bleibt. Eine visionäre Entdeckung, die besagt, dass das Handeln und die Entscheide langfristig bedacht sein sollen. Heute nennt man diese Sichtweise «Enkeltauglichkeit», und die Erkenntnis aus diesem Kernprinzip könnte dazu dienen, die globalen Ressourcenprobleme zu bewältigen.

In erster Linie ist jedoch gute, zeitgenössische und qualitätsvolle Architektur zu fordern, die städtebauliche, raumplanerische und architektonische Aspekte ebenso erfüllt wie die Postulate der Nachhaltigkeit.

Die Empfehlung SIA 112/1 «Nachhaltiges Bauen – Hochbau» kann als Basis für eine Zieldefinition von Weiterbauprojekten dienen. Die Beachtung dieser Kriterien verhindert keineswegs gute Architektur, sondern sie tragen, in der Analyse und im Planungsprozess angewendet, dazu bei, die Projekte in die Tiefe und Breite zu entwickeln und präziser nachzudenken.

Abbildung 41: Die doppelte Nachhaltigkeitsrosette von Alfred Breitschmid für die Beurteilung eines Projektes vor und nach dem Eingriff. Basierend auf der Ausgangssituation (gelbe Fläche) werden Verbesserungen (grüne Fläche) oder Verschlechterungen (rote Fläche) ausgewiesen.
* nicht Teil der Empfehlung SIA 112/1, Ergänzung der Autoren (Quelle: Erneuerung: Nachhaltiges Weiterbauen. Peter Schürch, Dieter Schnell, Faktor Verlag, 2011).

Anforderungen an heutige Gebäude

Zukunftsfähigkeit

  • Nimmt zukünftige Entwicklungen vorweg, ist flexibel und kreativ.

Innovation, Inter- und Transdisziplinarität

  • Teamarbeit ist unabdingbar, um die vielfältigen Aspekte zu bewältigen und zu bearbeiten.
  • Integrale, innovative Lösungsansätze, Weiterentwicklung von altem, regionalem Bauwissen.

Ökonomische Leistungsfähigkeit

  • Das Projekt ist über den ganzen Lebenszyklus für den Investor und die Nutzer wirtschaftlich tragbar.

Gesellschaftliche Relevanz und Sozial­verträglichkeit

  • Betroffene und Bewohnerschaft sind miteinbezogen. Lebenswerte Aussenräume, Gemeinschaftsräume, Gesundheit, Behaglichkeit.

Ökologische Verantwortung

  • Energie- und Ressourceneffizienz, Biodiversität, Lebenszyklus, Mobilitätsaspekte.

Kulturelle Leistung und ästhetische Qualität

  • Das Projekt stellt eine zeitgemässe kulturelle Leistung dar und überzeugt mit einer hohen gestalterischen Qualität.
    Mögliche Lösungsansätze sind zukünftig nicht ausschliesslich auf das einzelne Bauwerk beschränkt, sondern übergreifend im Quartier, in der Siedlung und in den Regionen auszuarbeiten. Dabei sind auch radikale Lösungen zu prüfen, die möglicherweise von einer starken Peripherie und von impulsgebenden Zentren ausgehen, die eine Schweiz der Regionen entstehen lassen, welche unsere Siedlungsstruktur stärkt, Innovationen aufnimmt und sensibler mit der Ressource Raum umgeht. Anstelle von Konkurrenzsituationen unter den Gemeinden bezüglich Steueraufkommen braucht es eine tragfähige und konstruktive Kooperation. Unsere überbordende Mobilität und der damit verbundene Landverschleiss kann nur durch eine Raumplanung gestoppt werden, die Einzelinteressen vor dem Blick für das Gesamte zurücknimmt.
    Das Wissen und die Kompetenzen in Bezug auf energieeffiziente Gebäude, Quartiere oder Städte sind genauso vorhanden wie die Fähigkeit, die Mobilität effektiver und emissionsarm zu ermöglichen. Fangen wir heute damit an. Wir werden nur gewinnen, wenn wir uns so rasch wie möglich der neuen Rahmenbedingungen bewusst werden und die in der Architektur langen Zeiträume vor Augen halten. Heute finanzieren, planen und bauen wir die Gebäude für das «nachfossile» Zeitalter.

Nachhaltiges Weiterbauen mit solaren Konzepten

Was einst selbstverständlich war, rückt neu in den Fokus als wichtige, anspruchsvolle und komplexe Bauaufgabe. Das Weiterbauen, Umbauen und Sanieren des Gebäudebestandes ist eine zentrale Herausforderung für die Energiewende. Durch die Verknappung von Ressourcen, den Klimawandel, gesellschaftliche Trends, neue gesetzliche Vorschriften und steigende Komfortansprüche sind Gebäude­eigentümer heute gefordert, ihren Baubestand vorausschauend zu unterhalten und Schritt für Schritt zukunftsfähig umzubauen. Dieses Weiterbauen an bestehenden Bauwerken verlangt mit den nachhaltigen und hohen gestalterischen Zielsetzungen neue, innovative und umfassende Konzepte.

Heute sind eine präzise Analyse, eine Wertschätzung der Bausubstanz, eine detaillierte Diagnose des Bauwerkes mit Einbezug der Umgebung und der Aussenraumgestaltung gefragt. Daraus sind wirtschaftlich, gesellschaftlich, energetisch, technisch und architektonisch relevante Aspekte herauszuarbeiten und neue ganzheitliche, langfristige, auch radikale Lösungsstrategien zu definieren.

Baubiologie

Die Sonne spielt eine zentrale Rolle im baubiologischen Haus, sie spendet Licht, wärmt die Bewohner, verdampft Wasser, trocknet und setzt den Rhythmus von Tag und Nacht.

Baubiologen helfen in Planung, Handwerk und Gebäudeanalytik, Störquellen zu vermeiden, zu erkennen und zu beheben. Sie achten beim Bauen auf ökologische Grundlagen und Auswirkungen. Im Mittelpunkt steht dabei die Gesundheit des Menschen in seiner gebauten Umgebung.

Abbildung 42: Themenbereiche der Baubiologie: Konzentriert sich das Bauen nur auf den Aspekt Energie, wird eine Vielzahl wichtiger Themen nicht berücksichtigt.

 

25 Grundregeln des baubiologischen Bauens

  • Bauplatz ohne natürliche und künstliche Störungen
  • Wohnhäuser abseits von Emissions- und Lärmquellen
  • Dezentralisierte, lockere Bauweise in durchgrünten Siedlungen
  • Wohnung und Siedlung individuell, naturverbunden, menschenwürdig und familiengerecht
  • Keine sozialen Folgelasten verursachend
  • Baustoffe natürlich und unverfälscht
  • Natürliche Regulierung der Raumluftfeuchte unter Verwendung feuchteausgleichender Materialien
  • Geringe und rasch abklingende Neubaufeuchte
  • Ausgewogenes Mass von Wärmedämmung und Wärmespeicherung
  • Optimale Oberflächen- und Raumlufttemperaturen
  • Gute Luftqualität durch natürlichen Luftwechsel
  • Strahlungswärme zur Beheizung
  • Naturgemässe Licht-, Beleuchtungs- und Farbverhältnisse
  • Das natürliche Strahlungsumfeld wenig verändernd
  • Ohne Ausbreitung elektromagnetischer Felder und Funkwellen
  • Verwendung von Baustoffen mit geringer Radioaktivität
  • Orientierung des Schall- und Vibrationsschutzes am Menschen
  • Geruchsneutral oder angenehmer Geruch ohne Abgabe von Giftstoffen
  • Weitgehende Reduzierung von Pilzen, Bakterien, Staub und Allergenen
  • Bestmögliche Trinkwasserqualität
  • Zu keinen Umweltproblemen führend
  • Minimierung des Energieverbrauchs unter weitgehender Nutzung regenerativer Energiequellen
  • Baustoffe bevorzugt aus der Region, den Raubbau an knappen und risikoreichen Rohstoffen nicht fördernd
  • Anwendung physiologischer und ergonomischer Erkenntnisse zur Raumgestaltung und Einrichtung
  • Anwendung harmonischer Masse, Proportionen und Formen
  • Verwendung von Baustoffen mit geringer Radioaktivität
  • Orientierung des Schall- und Vibrationsschutzes am Menschen
  • Geruchsneutral oder angenehmer Geruch ohne Abgabe von Giftstoffen
  • Weitgehende Reduzierung von Pilzen, Bakterien, Staub und Allergenen
  • Bestmögliche Trinkwasserqualität
  • Zu keinen Umweltproblemen führend
  • Minimierung des Energieverbrauchs unter weitgehender Nutzung regenerativer Energiequellen
  • Baustoffe bevorzugt aus der Region, den Raubbau an knappen und risikoreichen Rohstoffen nicht fördernd
  • Anwendung physiologischer und ergonomischer Erkenntnisse zur Raumgestaltung und Einrichtung
  • Anwendung harmonischer Masse, Proportionen und Formen

 

Wohnklima

Scheint die Sonne in den Raum, so benötigen wir Masse, welche die eingestrahlte Wärme speichern und zeitversetzt wieder abgeben kann. Steigt die Temperatur im Raum an, verändert sich auch die relative Feuchte der Luft. Naturbelassene Baustoffe können Feuchtigkeit aufnehmen und wieder an den Raum abgeben. Dass sie auch geruchsneutralisierend sind, ist eine zusätzliche Qualität.

Baubiologen bevorzugen Baustoffe, die einen Mehrwert für das Innenraumklima darstellen und neben der gestalterischen Qualität auch bauphysikalische Funktionen übernehmen können.

Umwelt

Für einen umsichtigen Umgang mit unserer Umwelt sind wir auf nachwachsende und kreislauffähige Baustoffe angewiesen. Diese sind weitgehend lokal vorhanden und stellen ebenfalls eine Form von solarem Speicher dar. Entscheidend ist, die Baustoffe so zu verbauen, dass eine spätere Weiterverwendung möglich ist. Kreislauffähige Materialien und Komponenten sind für nachhaltige Bauweisen unverzichtbar. Nachhaltiges und kreislauffähiges Bauen bedeutet, dass nicht nur die Materialwahl entscheidend ist, sondern auch, wie der Baustoff eingebaut wird und später auf einfache Weise getrennt und rückgebaut werden kann.

Energie

Solararchitektur setzt auch Kenntnisse über Energie in Baustoffen voraus. Wurde der Baustoff mit petrochemischen Zusatzstoffen und grossem energetischem Aufwand produziert oder stammt er aus nächster Nähe und ist mit geringem Energieeinsatz hergestellt? Von welcher Lebensdauer kann ausgegangen werden und wie kann der Baustoff nach Ablauf der Nutzungsdauer weiterverwendet werden? Das Thema Rohstoffknappheit tritt immer stärker in den Vordergrund der Gesamtbe-trachtung. Werden Bauten als zukünftige Rohstofflager betrachtet und entsprechend geplant, kann der Knappheit auf intelligente Weise begegnet werden.

Abbildung 44: Nachwachsende Rohstoffe sollen einfach im Unterhalt, leicht reparierbar, problemlos trennbar und weiterverwendbar sein.

Wasser

Sauberes Wasser ist eine Grundvoraussetzung für gesundes Leben. Das Bewusst-sein um den wertvollen Rohstoff ist aber unter den am Bau beteiligten Fachleuten bescheiden. Bei der Herstellung von Baustoffen werden grosse Mengen Wasser benötigt. Oberflächenbehandlungen, insbesondere mit Algiziden und Fungiziden, belasten Grundwasser und Seen. Das Wissen um die langfristige Wirkung von Nanopartikeln auf die Umwelt ist noch nicht vorhanden. Wird ein Gebäude rückgebaut, entstehen in den meisten Fällen Umwelt- und Grundwasserprobleme durch Baustoffe, die nicht kreislauffähig, also weder kompostierbar oder technisch weiterverwendbar sind.

Abbildung 45: Naturbaustoffe garantieren ein ideales Wohnklima.

Baustoffe

Über 30 000 Verbundbaustoffe auf petrochemischer Basis sind heute im Handel erhältlich, während der Umfang der natürlichen Bauprodukte etwa 500 Artikel umfasst. Entscheidend ist aber auch hier die Frage: Ist der Baustoff weiterverwendbar oder kann er nur rezykliert werden, was letztlich immer eine qualitative Abwertung des Materials (Downcycling) bedeutet? Viele Baustoffe sind bereits sehr heterogen produziert. Werden sie dann zusätzlich noch mit weiteren Komponenten untrennbar zusammengefügt, geschweisst oder verleimt, entstehen Produkte, die nur mit sehr grossem Aufwand getrennt, oft aber nur noch verbrannt werden können. Das bedeutet nicht nur, dass der Rohstoff für immer verloren ist, sondern auch, dass die für die Produktion eingesetzte graue Energie zerstört wird. Heutige Bauweisen berücksichtigen die Aspekte Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit oft zu wenig.

Raumprogramm

Solares Bauen bedeutet nicht nur, das Gebäude möglichst zur Sonne hin zu orientieren und die richtigen Baustoffe zu wählen, sondern sich auch mit der Raumanordnung intensiv auseinanderzusetzen. Welche Räume richte ich nach Süden aus? Welche Bereiche orientieren sich Richtung Morgensonne, welche eher zur Abendsonne? Und welche Räume sollen Richtung Nord, von der Sonne abgewandt, platziert werden? Kinderzimmer wie auch Badezimmer sind generell eher Richtung Osten hin anzusiedeln, da dies dem Tagesablauf entspricht und die Morgensonne das Aufstehen und Wachwerden unterstützt. Die Mittagssonne bringt uns im Winter die gewünschte solare Wärme, um das Gebäude CO2-neutral und gratis zu beheizen. Es macht Sinn, die Hauptwohnräume zu ihr hin anzuordnen, weil sie gleichzeitig auch als Wärmeverteiler funktionieren. In Richtung Westen ist idealerweise der Gartensitzplatz ausgerichtet, um die Abendsonne geniessen zu können. Auch die Schlafzimmer der älteren Generation sind hier gut platziert. Im Norden liegen möglichst die Neben- oder Durchgangsräume, die nicht zwingend Sonnenenergie benötigen. Räume, die nur über Nordlicht verfügen, sind zu vermeiden.

Abbildung 46: Ideal belichtet über zwei Seiten mit Sonnenschutz aussen und Blendschutz innen, unbeheizter dunkler Steinboden für die Speicherung, eingegossene Holzrippendecke für optimierte Wärmeaufnahme und Akustik, Beleuchtung und wenig Armierungsstahl. Punktstützen für eine langfristig flexible Raumnutzung.

Elektrobiologie

Solarzellen haben einen geringen elektrobiologischen Einfluss auf Wohnräume. Schlafplätze sollten allerdings eine Distanz von mindestens 2 m bis 3 m zu photovoltaischen Anlagen haben. Um Verbindungsleitungen zum Wechselrichter entstehen magnetische Gleichfelder, zu denen ein Sicherheitsabstand von 2 m empfohlen wird. Der Wechselrichter verursacht während der Betriebszeit tagsüber elektrische und magnetische Wechselfelder. Bei starker Sonneneinstrahlung wird deshalb ein Abstand von 4 m empfohlen. Es wird empfohlen, die Richtwerte der baubiologischen Messungen für sämtliche Bauten zu befolgen. Denn viele Menschen leiden unter den Belastungen durch elektrische Felder, Handystrahlen, WLAN usw.

Abbildung 47: Das ideale Nachschlagewerk für Fragen zur Elektrobiologie vom erfahrenen Elektrobiologen Wolfgang Maes. ISBN 978-3-923531-26-4, Herausgeber IBN, 6.  Auflage 2013

 

Abbildung 48: Stampflehm, statisch tragend eingesetzt, Gewicht 14 t, vorgefertigt in zwei Elementen, Dicke 50 cm, als solarer Wärmespeicher, feuchteausgleichend, geruchsneutralisierend, natürlich gestaltete Trennwand, problemlos reparierbar, rückbaubar mit Wasser zur Wiederverwendung.

Bauphysik

Für ein gutes Raumklima sind in erster Linie die Materialisierung und die diffusionsoffene Konstruktion entscheidend. So können Gerüche neutralisiert, Feuchte aufgenommen und wieder abgegeben werden. Ein gutes Direktgewinnhaus ist winddicht, aber dampfoffen konstruiert. Dazu eigenen sich Baustoffe wie unbehandeltes Holz, Lehm, Kalk, Gipsoberflächen, aber auch Sichtkalksandstein, etc. Anstriche müssen «offen» bleiben, um die Klimafunktion des Untergrundes zu erhalten. Petrochemische Produkte erfüllen diese Anforderungen nicht, im Gegensatz zu Kalk-, Lehm-, Silikat- oder Naturharzfarben. Für den Verputz ist es ratsam, baubiologisch-mineralische Produkte zu verwenden. Wird beispielsweise ein Kalkputz eingesetzt, erfüllt dieser zugleich die Funktion eines Schimmelschutzes. Ein Anstrich ist oft gar nicht notwendig.

Abbildung 49: Ob hinterlüftet oder verputzt, jeder Fassadentyp lässt sich mit den richtigen Materialien dampf-offen und baubiologisch korrekt erstellen, egal ob Neubau oder Sanierung.

 

Aussenwände und Dächer sollten grundsätzlich diffusionsoffen und kondensatfrei konstruiert werden, der Einsatz von Dampfsperren sollte vermieden werden. Stattdessen sind bauphysikalisch korrekte Konstruktionen mit innen dichten und gegen aussen immer durchlässigeren Materialien anzustreben. Es versteht sich von selbst, dass dampfdichte Dämmstoffe nur im Erdreich sinnvoll sind.

Lufterneuerung

Eine nachhaltige Anwendung von Dampfbremsen ist aufgrund der aufwendigen Verarbeitung und der begrenzten Lebensdauer der Klebstoffe nur bedingt möglich. Langfristig tauglich sind hingegen Pressungen, z. B. Holzfaserplatten oder mit Latten verschraubte Stösse. Zu vermeiden sind Schäume. Zur Lufterneuerung reicht während der Heizperiode mehrmaliges tägliches Stosslüften, die übrige Zeit ist Wärme meist im Überfluss vorhanden, so kann man die Fenster auch länger offen halten. Die Lufterneuerung ist für ein gutes Raumklima unverzichtbar. Fallweise ist sie durch eine Lüftungsanlage sicherzustellen.

Eine mechanische Lüftung benötigen solare, unter Berücksichtigung baubiologischer Aspekte gebaute Direktgewinnhäuser nur dann, wenn sie Büros, Verkaufsräume und weitere Räume mit hoher Personendichte, etwa Schulzimmer oder Restaurants, etc. beherbergen. Eine Lüftungsanlage ist auch sinnvoll für Häuser an lärmbelasteten Standorten.

Solare Konzepte

Das Direktgewinnhaus mit Wasser-Saisonspeicher

In einem grösseren Objekt, z. B. in einem Mehrfamilienhaus, kann diese Lösung das schwächere Sonnenstrahlungsangebot im Hochwinter im Mittelland über eine saisonale Speicherung überwinden und erfüllt die Bereitstellung von Warmwasser und Zusatzheizwärme vorzüglich (siehe Mehrfamilienhaus Poststrasse, Spreitenbach, Seite 82).

Das Solarthermiehaus mit Wasser-Saisonspeicher

Entspricht dem Mehrfamilienhaus der Firma Jenni in Oberburg bei Burgdorf. www.jenni.ch

Das Photovoltaikhaus mit Wärmepumpe und Erdsonden-Speicherfeld

Ein innovatives Heizsystem mit Wärmepumpe versorgt die Passivhaus-Siedlung Oberfeld in Ostermundigen beinahe emissionsfrei mit Heizwärme und Warmwasser (Abbildung 50). Auf den Dächern sind über 1000 m2 hybride Sonnenkollektoren installiert – sie produzieren zugleich Strom und Wärme (Abbildung 51). Die Photovoltaikmodule wandeln Licht in Elektrizität um, Kollektoren auf deren Rückseite erwärmen Wasser. Die grosse Menge an warmem Wasser wird im Sommer über ein Erdsondenspeicherfeld in das Erdreich geleitet und die Wärme dort gespeichert. Im Winter holen Wärmepumpen die gespeicherte Wärme aus dem Erdsonden-Speicherfeld zurück und leiten sie mit einer Vorlauftemperatur von 28 °C als Heizenergie in die Gebäude (Abbildung 52). Die Wassererwärmung erfolgt über Frischwasserstationen mit einem hohen Anteil an solarer Energie. Die Photovoltaikmodule liefern genug Energie, um zusätzlich den Strombedarf von etwa 20 Haushalten zu decken. Die Wohnsiedlung Oberfeld ist die erste grössere Überbauung in der Schweiz, die mit einer derartigen Anlage energetisch versorgt wird (siehe auch Seite 92).

Wärmepumpen, die mit am Gebäude produziertem Solarstrom betrieben werden, kommen häufig zum Einsatz. Erdsonden sollen regeneriert oder genügend grosszügig ausgelegt werden.

Abbildung 50: Kombination von Sonnenkollektoren, Wärmepumpen und Erdsonden in Verbindung mit einer Gebäudehülle im Passivhausstandard.

Das geöffnete Haus

Zu sanierende Altbauten mit viel innerer Masse, guter Besonnung, offenen Grundrissen und geeigneter Statik können auch nachträglich im Südbereich grosszügig mit Fensterflächen und neu gedämmter Hülle ausgerüstet werden, um sie hauptsächlich durch Direktgewinn zu beheizen. Als kostengünstigste Fenstervergrösserung bewährt sich eine Entfernung der Fensterbrüstung.

Abbildung 51: Aufbau eines Hybridkollektors (Quelle: Meyer Burger Energy Systems).
Abbildung 52: Erdgekoppelte Systeme geben im Sommer Wärme ans Erdreich ab und entladen den Speicher im Winter.

Das überglaste Haus

Altbauten, die man nicht «öffnen» kann, wie beispielsweise das über 100-jährige Bruchsteinobjekt, ein Mehrfamilienhaus in Felsberg, können auch überglast werden. In diesem Fall sind die alten, mit Fensterstöcken gebildeten Öffnungen ohne Fenster belassen worden. Im Abstand von rund 40 cm wurde eine Pfosten-Riegel-Dreifach-Verglasung vorgelagert. Die ganze Fensterfläche verfügt über einen Sonnenschutz und die einzelnen Zwischenräume können im Sommer über Klappen belüftet werden. Mit dieser Überglasung, einer Fassadendämmung mit 20 cm Steinwolle, neu gedämmten Dachflächen mit 26 cm Holzfaserdämmung und den Sonnenkollektoren erreicht die Sanierung tiefere Werte des Heizwärmebedarfes als ein Minergie-P-Neubau.

Abbildung 53: Mehrfamilienhaus Scheiwiller in Felsberg: Der Altbau mit der vorgehängten Über­glasung.

 

Abbildung 54: Durchblick in der «Doppelfassade».

Der Wintergarten

Der Wintergarten kann bei optimaler Lage und Grösse ebenfalls zentrales Element eines Solarhauses sein. Der nach Südwesten ausgerichtete und vollverglaste Raum erwärmt sich bei Sonneneinstrahlung sehr schnell. Eine Lehmwand sowie der wärmegedämmte Betonboden dienen als Speichermasse, um den Wintergarten am Abend zu beheizen und damit die Aufenthaltsdauer zu verlängern.

Im Sommer wird die erwärmte Luft über steuerbare Schlitze nach aussen geleitet. Zusätzlich kann das Wintergartendach beschattet werden. Die zurückversetzte Ge-bäudewand bleibt immer im Schatten und überhitzt dadurch nie.

Nach etwa 1 bis 2 Stunden Sonnenschein kann im Winter von rund 20 °C Raumtemperatur im Wintergarten ausgegangen werden. Ist diese Temperatur erreicht, werden die Schlitze zum Obergeschoss geöffnet, damit warme Luft in angrenzende Wohnräume aufsteigen kann. Sowohl im Obergeschoss als auch im Erdgeschoss werden nun die inneren Türen geöffnet. Über den Luftraum im Gebäudeinnern kann die abgekühlte Luft zurück in den Wintergarten gelangen, wo sie erneut aufgewärmt wird. So kann an einem sonnigen Wintertag das Gebäude vollständig mit Sonnenenergie aufgeheizt werden.

Abbildung 55: Wintergartenhaus mit Baujahr 1994. Angelehnt an die traditionelle Kernzonen-Bauweise wurde dieses Doppelhaus als konsequentes Solarhaus geplant und erstellt. Nur beheizt mit einem Stückholzofen können rund 40 % der Energie dank der intelligenten Nutzung des Wintergartens eingespart werden. Die erwärmte Luft steigt auf in die Laube im 1. Obergeschoss und beheizt von dort im Winter die Innenräume oder wird im Sommer nach aus­sen abgeleitet.

Das Luftkollektorhaus

Hinter 4 von 6 Fensterelementen in der südorientierten Giebelwand liegt mit einem Abstand von 40 cm ein dunkel eingefärbter Luftkollektor, der Wärme in Form von warmer Luft an einen angrenzenden Steinspeicher abgibt. Die Verglasung im Fenster ist g-Wert-optimiert. In Abbildung 57 erkennt man, dass für eine Wärmeabgabe aus der Luft mit Vorteil mit Verwirbelungen gearbeitet wird (einzelne durchgehend gemauerte Steine). Der eingesetzte Ventilator kann auf 2 Leistungsstufen betrieben werden und schaltet aufgrund einer Temperaturdifferenz ein. Dazu wird die Speicherinnentemperatur mit der Kollektorinnentemperatur verglichen und bei mindestens 2 K Differenz auf Stufe 1 gestartet. Überschreitet der Kollektor einen definierten Temperaturunterschied, wird die höhere Stufe gefahren. Um nicht zu viel Strom zu verbrauchen, sollten die Luftkanalquerschnitte so gross gewählt werden, dass die Luftgeschwindigkeit von 2 m/s nicht überschritten wird. Dieses Konzept bietet tagsüber solare Direktgewinne über die Fensterflächen und Stunden später den spürbaren Wärmeeintrag aus der Speicherwand. Die Sanierung Einfamilienhaus Bischoff in Chur erreicht damit und mit einer thermischen Solaranlage eine gemessene Energiekennzahl von rund 13 kWh/(m2 K).

Abbildung 56: Die südlich orientierte Giebelwand mit den 6 Fensterelementen, wovon 4 dem Luftkollektor dienen (oben das mittlere Element, unten alle 3 Elemente).

 

Abbildung 57: Der Steinspeicher mit den Lücken im Mauerfeld und den Luftanschlüssen (links). Die Horizontalschnitte (unten) zeigen, dass bewusst eine Verwirbelung der Luftströmung angestrebt wird.

Das Wasserkollektorhaus

Statt Luftkollektoren lassen sich Wasserkollektoren und Wasserspeicher einsetzen. Die Platzierung in der Südfassade hat den grossen Vorteil, dass während etwa 8 Monaten im Jahr von einem mehr oder weniger gleich hohen Ertrag ausgegangen werden kann, weshalb sich diese Lösung gut für die Wassererwärmung eignet. Nur im Hochwinter und im Hochsommer sind die Erträge etwas kleiner. In Kombination mit einem Saisonspeicher macht eine Dachintegration Sinn, steilere Dächer sind zu bevorzugen.

Abbildung 58: Eines der beiden Plus­energie-Drei­familienhäuser Riedi in Flims von Rüedi, Chur, mit in die Südfassade integrierten Wasserkollektoren, kombiniert mit Direktgewinn und Photovoltaik auf dem Dach.

Das Gebäude als System

Es gilt hier das Primat: gute, zeitgenössische und qualitätsvolle Architektur, die städtebauliche, räumliche und architektonische Aspekte ebenso erfüllt wie die Postulate der Nachhaltigkeit. Gewinnen Gebäude bald neben der benötigten Wärme respektive Kühlung für die Bewohner auch gleich die Mobilitätsenergie mit? Wäre es denkbar, dass die Gebäude 10 % der benötigen Nahrung der Bewohnerinnen und Bewohner mitproduzieren, dass sie Regenwasser besser nutzen und Lebensraum für Biodiversität schaffen? Eine Sichtweise für den Lebenszyklus und für die Bedürfnisse zukünftiger Generationen (Enkelinnentauglichkeit) führen langfristig zu nachhaltigen Bauwerken. Energieeffizienz steht heute im Fokus fast aller Bauprojekte und damit von Gebäudehüllen. Dies ist jedoch nur eine Zielsetzung des nachhaltigen, ressourcenbewussten Bauens. Die EU verfolgt mit dem ab 2018 eingeführten Standard Nearly zero energy building (NZEB) möglicherweise eine zu enge Fokussierung.

Wie schon Buckminster Fuller voraussagte, bauen wir heute unsere Energie- und Gebäudesysteme von Öl- und Gasbetrieb auf solare Energien wie Wind, Wasser oder Photovoltaik um. Bereits 1913 an der Biennale in Kairo wurde das weltweit erste Sonnenkraftwerk in Betrieb genommen. Heute, mehr als 100 Jahre später, versuchen wir, die verlorenen Jahrzehnte für die Solarnutzung zu überspringen und an die damalige Pionierzeit anzuknüpfen.

Wünschenswert ist zudem, dass bei Bauten grundsätzlich ein gewisser Grad an Autonomie in Bezug auf die Energiegewinnung vorgeschrieben wird. Eine Entscheidung, die nebst höherer Lebensqualität auch mehr Unabhängigkeit von importierten Energieträgern mit sich bringt. Der Architekt und das Planungsteam können zusammen mit dem Auftraggeber dann frei und objektspezifisch entscheiden, welche erneuerbaren Ressourcen genutzt werden sollen.

Abbildung 59: Der Weg des Holzes in der baulichen und energetischen Nutzung (Quelle: Gerd Wegener).

 

Abbildung 60: Sonnenkraftwerk an der Biennale in Kairo, 1913 (Quelle: Historical Society of Tacony, USA).

Gebäudehülle

Wir wollen nicht, dass denkmalgeschützte respektive wertvolle Bauwerke hinter Dämmschichten verschwinden. Wir wollen qualitätsvoll gestaltete Fassaden und Dächer und wir wollen weg vom Flickwerk, von hässlichen Anlagen und von unsensibler Integration von Solarenergie in Gebäuden.

Keine Glaubenskriege wegen Dämmschichten?

Ein Wohnhaus sollte heute prioritär sehr gut wärmegedämmt sein (25 cm bis 40 cm). Zu beachten: Für den daraus resultierenden, bescheidenen Heizwärmebedarf ist es sinnvoll, eine effiziente Wärmeerzeugung, vorzugsweise mit erneuerbarer Energie, zu wählen und diese wenn immer möglich mit einer Sonnenkollektoranlage zu kombinieren. Welches Baumaterial jedoch gewählt wird, soll projektspezifisch und im gegebenen Kontext bestimmt werden. Wichtig ist, natürliche Materialien und Baustoffe zu wählen, die dampfdiffusionsoffen, regional und langlebig sind. Neuste Bauprojekte mit Einsteinmauerwerken und transluziden Betonwänden sind spannend, da diese Lösungsansätze ein altes Prinzip neu interpretieren und sehr langlebig sein können.

g-Wert

Der Gesamtenergiedurchlassgrad (auch g-Wert) ist ein Mass für die Durchlässigkeit von Bauteilen für Energie. Dieser gibt an, welcher Anteil der Energie durch Sonneneinstrahlung nach innen gelangt und dort zur Erwärmung beiträgt. Der g-Wert als Gesamtenergiedurchlassgrad ist die Summe aus der direkten Transmission solarer Strahlung sowie der sekundären Wärme-abgabe nach innen durch Strahlung und Konvektion. Quelle: Glas Trösch/Wikipedia

Gläser als Schlüsselfaktor

Solarer Direktgewinn als Hauptwärmequelle wurde erst in den letzten 25 Jahren dank der rasanten Entwicklung bei den Verglasungen möglich. Klar ist inzwischen vielen, dass nur noch 3-fach-Verglasungen eingesetzt werden sollten. Besonders in jüngerer Zeit sind 3-fach-Verglasungen mit hohen g-Werten von 0,66 und höher möglich geworden, die dennoch einen U-Wert von 0,7 W/(m2 K) erreichen und somit im Komfortbereich liegen. Möglich macht dies vor allem der Einsatz von Weissgläsern und neuen Beschichtungen. Der g-Wert ist der Gesamtenergiedurchlass eines Glaselements (siehe Kasten g-Wert). Von Südost bis Südwest setzt man also g-Wert-optimierte Verglasungen mit U-Werten besser als 0,7 W/(m2 K) ein. Für die übrigen Ausrichtungen greift man zu U-Wert-optimierter Verglasung; zurzeit sind Verglasungen mit einem U-Wert von 0,4 W/(m2 K) verfügbar.

Abbildung 61: Die einfallende Strahlungsintensität wird von der Verglasung aufgeteilt in Reflexion, Absorption und Transmission. g bezeichnet den Anteil, der insgesamt in den Raum gelangt (aus Pinpoint, vdf, 2007).

Offene Fassaden

Ein Beispiel einer offen konstruierten Fassade ist das Verwaltungsgebäude Gasser Baumaterialien AG, Chur, realisiert von der ARGE Domenig-Rüedi, Chur, (Europäi-scher und Schweizer Solarpreis, SIA-Preis für Nachhaltiges Bauen). Die tragende Aus­senwand besteht aus grossformatigen Kalksandsteinen als Sichtmauerwerk. Der Kalksandstein wurde gewählt, weil er rund 2,5-mal weniger graue Energie benötigt als ein Backstein und sehr klimaaktiv ist, also ähnliche Eigenschaften wie eine Lehmwand aufweist, schnell Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben und Gerüche neutralisieren kann. Er ist auch die dampfdichteste Schicht der Wand und die innere Luftdichtigkeitsebene. Der äussere Aufbau der Dämmebene und die Fassade sind eine Schnittholzkonstruktion. Dabei werden Doppellattenstücke auf die Kalksandsteine geschraubt und mit Distanzbrettern die äusseren, senkrechten Doppellatten befestigt. Als äussere Winddichtung dient eine diffusionsoffene, 22 mm starke Holzfaserplatte, die Stösse sind mit Latten geklemmt. Bei der Lärchenbretterfassade dient eine geschossweise Stufung als konstruktiver Holzschutz. Die Querlattung unter der Fassade hat einen Rhombusschnitt, dass kein Wasser liegen bleiben kann. Die meisten Fenster sind Festverglasungen mit äusseren Glasleisten aus Föhrenholz. Die einfachen eingefalzten Holzrahmen sind auf Holzklötzen mit Distanz auf die gemauerte Wand montiert. Die Zwischenräume werden ausgedämmt und mit einem Futterbrettchen abgedeckt. Diese einfache, hochwärmegedämmte Konstruktion kann jeder Holzbauer oder Schreiner herstellen. Die 3-fach-Verglasungen, die ohnehin eine beschränkte Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren aufweisen, können gewechselt werden, ohne die Rahmen zu demontieren. Einzig die Glasleisten werden ersetzt. Die Demontierbarkeit garantieren Edelstahlschrauben, die auch keine unschönen «Schnäuze» hinterlassen. Ein Beispiel für eine nachhaltige, kostengünstige und unterhaltsfreundliche Fensterlösung.

Abbildung 62: Der Verwaltungsbau Gasser in Chur der ARGE Domenig-Rüedi, Chur.

 

Abbildung 63: Haus Gasser, Fassadenschnitt Ost-West, 3. OG.

 

Abbildung 64: Haus Gasser, Fassadenschnitt Ost-West EG.

 

Abbildung 65: Haus Gasser, Südfassade Fensterverglasung.

 

Abbildung 66: Haus Gasser, Grundriss Südfassade 1. OG (oben) und EG (unten).

Offene Dächer

Gleich wie Aussenwände sollten Dächer winddicht, aber diffusionsoffen konstruiert werden. Auch hier braucht es bei einem richtigen Aufbau keine Dampfbremsen oder Dampfsperren in Form einer Folie, um kondensatfrei zu bleiben. Bei Schrägdächern ist dies ohne Mehraufwand fast schon üblich, bei Flachdächern ist eine genügend hohe Unterlüftung die beste Lösung.

Abbildung 67: Unterlüftung des Daches, Dachanschluss, Sturz und Fensterbank (Schnitt) des Einfamilienhauses Beer in Paspels.

 

Das Einfamilienhaus Beer in Paspels aus dem Jahr 2015 von Pfleger + Stoeckli, Chur, ist ein solares Direktgewinnhaus mit Holzspeicherdecke, die Dachkonstruktion ist unterlüftet und bleibt diffusionsoffen (Abbildung 67). Das Vierfamilien-Direktgewinnhaus in Chur (1998, 3,6 kWh/(m2 a) gemessen) von Rüedi, Chur, hat einen Dachaufbau mit unterlüftetem Flachdach. Im Unterlüftungsraum ist ein ausziehbares Vordach untergebracht. Dieses zieht man im Mai aus und schiebt es im September wieder rein. Nach diesem Prinzip ist es auch möglich, Fensterbrüstungen zu konstruieren, die im Winter senkrecht und im Sommer ausgestellt sind. Diese könnte man sinnvollerweise auch mit Photovoltaikpaneelen ausrüsten (Abbildung 68).

Abbildung 68: Das Vierfamilien-Direktgewinnhaus in Chur (Bild: Patrick Kählin).

Temperaturzonen

Zwei Dreifamilien-Plusenergiehäuser in Flims haben keine Lüftungsanlagen und sind mit zwei bis drei «Schlafen-im-Frischluftsee»-Zimmern pro Wohnung aus­gerüstet. Da für viele Menschen frische Luft kühle Luft sein sollte und aus baubiologischer Sicht die Ionisierung von Luft in Lüftungskanälen problematisch erscheint, sollte über neue Ansätze nachgedacht werden. Vielversprechend ist die Idee mit der «Kaltluftwanne». Im Schlafzimmer wird eine möglichst masselose, zur Hausmasse hin etwa 5 cm gedämmte Wanne ausgebildet. Dazu wird ein Holzriemenboden mit Brusttäfer in Fichte-Mondholz mit 5 cm Hinterdämmung ausgeführt. Im Bereich des 1 m hohen Brusttäfers ist ein Kippfenster eingebaut, das den unteren Teil des Zimmers mit Frischluft füllt. Der obere Teil des Zimmers bleibt dabei warm, sobald im Zimmer keine Bewegung mehr stattfindet. Einzig über dem Kopf des Schlafenden gibt es noch eine kleine Zirkulationsbewegung. Es versteht sich von selbst, dass die Zimmertüre dicht geschlossen sein muss (Planetdichtung) und das Fenster erst geöffnet wird, wenn man sich schlafen legt. Die Mieterzufriedenheit ist sehr hoch und der Wärmeverbrauch tief, also ein voller Erfolg. Jede 4½-Zimmer-Wohnung hat im Wohnraum einen Pelletofen als Zusatzheizung ohne Wärmeverteilung.

Gebäudetechnik

Zusatzheizung ohne aktive Wärmeverteilung

Das Einfamilienhaus Brübar in Paspels bleibt im Dezember und Januar ohne direkte Solarstrahlung, da im Süden ein Wald das Haus beschattet. Nichtsdestotrotz ist es die übrige Zeit ein solares Direktgewinnhaus und verfügt über einen 6-kW-Pelletofen im Erdgeschoss, der die Wärmeversorgung auch in der strahlungsfreien Zeit sicherstellt. Bei der Wärmeverteilung über die Luft gilt es ein paar Punkte zu beachten.

Abbildung 69: Die Südfassade sieht im Dezember und Januar keine Sonne.

 

Abbildung 70: Die Holzschürze beim Treppenloch und die raumhohen Zimmertüren garantieren eine gute Wärmeverteilung durch die Warmluft des Aufstellpelletofens.

 

Abbildung 70 zeigt wichtige Details: Die erwärmte Luft steigt an die Decke und würde durch die Treppenöffnung nach oben strömen. Um dies zu vermindern und um die warme Luft unter der Decke zu verteilen, kann man sie mittels einer Schürze «aufstauen». Damit die warme Luft in die Zimmer strömen kann, sollten die Zimmertüren raumhoch sein. Lässt man die Zimmertüre geschlossen, stellt sich im entsprechenden Zimmer eine um etwa 2 °C tiefere Lufttemperatur ein.
Dies bedingt allerdings eine gute Hülle. Auf diese Weise lässt sich ganz einfach eine leichte Temperaturzonierung erreichen. Dieses Haus ist ein kostengünstiges Holzelementhaus ohne Unterkellerung. Für eine bessere Trägheit sorgen die durch den Bauherrn ausgemauerten Holzständerzwischenwände und die Holz-Beton-Verbunddecke. Diese dunkle, unbewehrte Betonauflage wird bei Sonnenschein von oben aufgeladen und gibt in der Übergangszeit auch nach unten Wärme ab.

Abbildung 71: Um die Unregelmässigkeit in der Abwasserwärme auszugleichen, empfiehlt es sich, das Abwasserrohr in ein Sandbett einzulegen.

Direktgewinn und Sole-Wasser-Wärmepumpenboiler

Im Einfamilienhaus Brübar wurde zur Wassererwärmung und zum Betrieb eines Badradiators ein Sole-Wasser-Wärmepumpenboiler eingesetzt. Als Wärmequelle dient eine einfache Abwasserwärmerückgewinnung. Um die schwallweise anfallende Abwasserabwärme «auszuglätten» und zwischenzuspeichern, kann ein Sandspeicher um die Abwasserleitung aus Polyethylen angelegt werden (Abbildung 71). Die Soleröhrchen sollen dann in den Sand verlegt werden, denn die Wärmepumpe zieht über Stunden die Wärme wieder ab. Auf diese Weise schafft die kleine Wärmepumpe immerhin eine Jahresarbeitszahl (JAZ) von 3,2. Nach demselben Konzept wurde auf 1100 m. ü. M. eine Rampenheizung gebaut, die zur Frostfreihaltung ausreicht, die Schneeräumung muss dennoch gemacht werden. Das in diesem Fall 70 m lange Soleröhrchen kann auch in der Hinterfüllung von Kellern und Fundationen verlegt werden.

Direktgewinn und Luft-Wasser-Wärmepumpenboiler

Als Wärmequelle wird in diesem Konzept Innenluft verwendet. In der Übergangszeit ist dies kein Problem, da Wärme im Überfluss vorhanden ist. Während Heizphasen muss die Zusatzheizung rund zwei Drittel der Warmwasserenergie aufbringen. Im Sommer steht so noch etwa 1 kW Kälteleistung pro Wohnung zur Verfügung, weil der Wärmepumpenboiler den Räumen Wärme entzieht. Auch hier kann nach Wunsch ein Radiator fürs Bad angehängt werden. Da ein solches Gerät etwa 400 m3/h Luft umsetzt, sollte der Ort der Rückgabe der gekühlten Luft sorgfältig gewählt werden, um keine Komfortprobleme zu verursachen (z. B. Treppenbereich, Erschliessung, etc.). Zudem sind Vibrations- und Schalldämpfung zu beachten. Zusammen mit einem Aufstellofen ist dies eine echte Bedarfslösung, die auch für Wohnungen denkbar ist. Dieses Konzept weist auch das Einfamilienhaus Casa Felice auf (Seite 58).

Kombination Komfortlüftung mit Luftheizung

Luftheizungen in Kombination mit einer Komfortlüftung setzen hohe Luftmengen und ein komplett wärmegedämmtes Kanalnetz voraus. Sinnvoll einsetzen kann man eine Luftheizung zum Beispiel in einem Schulzimmer, denn die dort notwendigen 600 m³ Luftmenge pro Stunde bringen bei 40 °C Frischlufttemperatur eine Heizleistung von 3,5 kW, die zum Aufwärmen des Schulzimmers vor Unterrichtsbeginn genügen. Danach reichen normalerweise die Abwärme der Schüler und die Sonneneinstrahlung. So realisiert im Schulhaus Vella, das als Direktgewinn-optimiertes Schulhaus dokumentiert ist. Eine Luftheizung macht nur in Räumen mit sehr hoher Personenbelegung Sinn. Es sei hier daran erinnert, dass baubiologische Bauten nur relativ geringe Luftmengen benötigen. Denn es muss lediglich der Hygiene Genüge getan werden. Es müssen keine Schadstoffe von Baumaterialien oder unangenehme Gerüche abgeführt werden, wie das in konventionellen Bauwerken üblich ist.

Radiatoren- oder Bodenheizung

In solaren Direktgewinnhäusern kommen selten Zentralheizungen zum Einsatz. Wenn doch, sollten ausschliesslich reaktionsschnelle Heizungen mit Radiatoren oder masselose Wandheizungen verbaut werden. Abzuraten ist vom Einsatz einer Bodenheizung, denn diese ist viel zu träge und besetzt Masse, die für die Aufnahme von Sonnenwärme reserviert bleiben muss. Ausserdem ist die komfortabelste Wärme jene Wärmestrahlung, die den Körper trifft. In Spezialfällen kann bei grossen Haustiefen auch eine Rohrschlange im südfensternahen Steinboden zur Wärmeumverteilung nach Norden benutzt werden, falls kein offener Grundriss möglich ist. Abgaberohre im Norden sollten in eine Zwischenwand verlegt werden. In diesem speziellen Fall soll auch eine Bauteilaktivierung integriert sein, da im Norden keine Sonnenwärme anfällt.

Wärmepumpen – 6 Punkte

Die Effizienz der Wärmepumpe ist nur teilweise durch die maschineninterne Kon­struktion verbesserbar. Ein Grossteil der Effizienz ist im wahrsten Sinne des Wortes «hausgemacht». Eine um 1 K höhere Quellen­temperatur oder eine um 1 K tiefere Vorlauftemperatur verbessern die Strom­­effizienz um je 2 % bis 5 % pro K (Abbildung 72). Aus diesen Zusammenhängen sind folgende Forderungen formulierbar:

  • Leistungsbedarf durch Optimierung der Gebäudehülle minimieren.
  • Auf eine gute Einbindung der Technik in das Gebäude achten.
  • Primärenergieverbrauch durch hohe Stromeffizienz minimieren, den Rest regenerativ erzeugen.

Um ein Gebäude nicht nur zur Effizienz zu führen, sondern auch effizient zu planen, ist eine frühe enge Zusammenarbeit von Architekt, Statiker, Bauphysiker und Haustechnikspezialist notwendig. In Bezug auf die Wärmepumpe sehen die Herausforderungen im Detail wie folgt aus:

Abbildung 72: Die Arbeitszahl (COP) einer Wärmepumpe hängt von der Vorlauftemperatur ab (Quelle: Fawa).

 

1. Rechnen statt schätzen
Schätzen führt in der Regel zu erheblich grösseren Anlagen als notwendig. Das bringt Nachteile auf der ganzen Linie. Passend ausgelegte Anlagen weisen folgende Vorteile auf:

  • Wärmequellenanlage wird günstiger respektive führt zu höheren Temperaturen auf der Kaltseite mit reduziertem Stromverbrauch und verringertem Verschleiss.
  • Die Wärmepumpe wird kleiner und damit günstiger.
  • Die Wärmeverteilung und -abgabe wird günstiger respektive die Temperaturen auf der Warmseite werden gesenkt → geringerer Stromverbrauch und reduzierter Verschleiss durch tieferen Druck im Kältemittel und weniger Ein- und Ausschaltungen.
  • Die Wassererwärmung wird günstiger und die Temperaturen auf der Warmseite werden gesenkt → geringerer Stromverbrauch.
  • Kleinere Geräte erzeugen weniger Lärm respektive erfordern geringere Schallschutzmassnahmen.

2. Solare Entlastung berechnen und anwenden
Gebäude mit einem erheblichen Anteil an passivsolarer Nutzung (entsprechende Ausrichtung, Einstrahlungsdauer über 4 bis 6 Stunden, etc.) profitieren vom Umstand, dass die Trübung durch Nebel und Wolken bei sehr kalter Witterung entfällt. Dies gilt vor allem für den alpinen Raum (Regionen ohne Inversionslagen). In der Norm SIA 382/3 ist dies enthalten durch die Berechnung spezifischer Heizlasten in den Punkten «klar/kalt» (z. B. Chur – 7 °C) oder «trüb» (z. B. – 3 °C). Dies entlastet den Leistungsbedarf eines Gebäudes um bis zu einem Drittel und lässt auch in der Gewinnung, Erzeugung und Verteilung von Wärme entsprechende Reduktionen zu. Die Folge ist eine Kostenreduktion sowohl bei den Investitionen als auch im Betrieb.

3. Jahresverbrauch: Verhältnis von Heizung und Warmwasser
Während der Verbrauch der Raumheizung rückläufig ist, steigt der Energieaufwand für die Wassererwärmung an. Eine Wärme­erzeugung ist nicht mehr «Raumheizung» mit der Nebenfunktion «Warmwasser». Das ursprüngliche Verhältnis in der Grös­senordnung 10:1 tendiert gegen 1:1. Dies bedingt konstruktiv, vor allem aber planerisch, eine andere Ausrichtung in Bezug auf die Erzeugung und Speicherung, insbesondere bei der Wärmepumpe. Die Wassererwärmung soll den Temperaturhub von 10 K auf die Nutztemperatur nicht als 1 Hub mit dem schlechtesten COP bewerkstelligen, sondern in mehreren seriellen Stufen. Das Hochziehen einer Charge von etwa 10 °C bis zur Nutztemperatur in mehreren Umgängen führt in der Regel zu einer deutlich höheren Arbeitszahl (z. B. 4 statt 3).

Forderung: Genügend grosse Speicher, intelligentes, wärmepumpengerechtes Erwärmen um 40 K bis 50 K, Nutzung von heissgasgekühlten Kompressoren.

4. Speicher- und Leitungsverluste
Je geringer der Heizwärmebedarf ausfällt, desto bedeutsamer werden die Speicher- und Leitungsverluste. Diese gilt es zu vermeiden oder zu optimieren:

  • Erzeuger, Speicher und Leitungsnetz innerhalb der thermischen Hülle platzieren oder eine sehr gute Dämmung der Ober­flächen realisieren.
  • Aussenluftleitungen innerhalb der thermischen Hülle vermeiden oder gut dämmen.
  • Ausstoss- und Zirkulationsverluste von Warmwasserleitungen minimieren, insbesondere ausserhalb der thermischen Hülle.

5. JAZ (Jahresarbeitszahl)
Eine hohe JAZ allein reicht nicht. Was zählt, ist ein geringer Verbrauch bei einer hohen Jahresarbeitszahl. Eine JAZ von 4 (konventionelle Erdsonden-Wärmepumpe) ist besser als eine JAZ von 10 bei drei­fachem Verbrauch (schlecht gedämmtes Haus mit hohem spezifischem Verbrauch). Zudem kann eine tiefe Vorlauftemperatur meist nur mit einem geringen spezifischen Verbrauch realisiert werden.

Forderung: Tiefer spezifischer Verbrauch, tiefe Betriebstemperaturen.

6. COP (Coefficient of Performance)
Wenn zwei Systeme dieselbe Jahresarbeitszahl (JAZ) aufweisen, so ist jenes System interessanter, das den besseren COP-Wert an kalten oder trüben Tagen aufweist. Dies wird offensichtlich, wenn sich die Witterung im Strompreis abbildet (Strom teurer bei geringer Produktion respektive grösserer Nachfrage).

Forderung: Die Nutzung von Abwärme oder des Kaltspeichers «Erdreich» ist den Anwendungen «Aussenluft» vorzuziehen. Oft unbeachtet bleibt bei der Nutzung von «Aussenluft» der Umstand, dass die Auslegungstemperatur für Wärmebedarf und Wärmeverteilung (z. B. Chur – 7 °C) nicht identisch ist mit den Extremwerten der Aus­senluft, die im Merkblatt SIA 2028 als 1-Stunden-Wert deklariert werden (z. B. Chur – 14 °C). Bei diesen Temperaturen haben Luft-Wasser-Wärmepumpen oft die Einsatzgrenze unterschritten respektive die Abtauung ist überfordert, insbesondere dann, wenn der Aussenluft-Wärmetauscher bei tiefen Temperaturen Wind ausgesetzt ist.

Permakultur

«Wer ein Leben lang glücklich sein will, der lege sich einen Garten an.»
Chinesisches Sprichwort

Wieso braucht es Garten und Grün?

Der Garten ist mehr als nur Zierde des Hauses. Er ist die Fortsetzung des häuslichen Lebensraumes und zugleich das Bindeglied zum Aussen mit seinen natürlichen und zivilisatorischen Einflüssen, die wiederum auf das Innere des Hauses einwirken. Die Möglichkeiten, wie der Aussenraum unterstützend auf die Funktionen des Hauses einwirken kann, sind vielfältig:

physikalisch

  • Einwirkung von Wind und Sonnenlicht auf das Gebäude
  • Versorgung der Bewohner mit Lebensmitteln und Brennholz

Abbildung 73: Nutzgarten auf einem Flachdach in New York (Bild: Elena Tarozzo).

sozial

  • Begegnungszone mit Nachbarn
  • Möglichkeit für andere Aktivitäten und Lernfelder als im Innern
Abbildung 74: Ziergarten-Labyrinth in der Erlebnis­gärtnerei Dietwyler in Rüfenach (Bild: Pascal Hänggi).

körperlich-geistig

  • Erholungsraum (Ruhe und körperliche Aktivität)
  • Naturkontakt (Wetter, Boden, Pflanzen und Tiere)
Abbildung 75: Begegungen im Gemeinschafts­garten Landhof in Basel (Bild: Bastiaan Frich).

Sonnenlicht – Lebensquell, aber manchmal des Guten zu viel

Das Wachstum von Pflanzen orientiert sich am Sonnenlicht. Pflanzen sind in ihrem Wachstum gewissermassen Solararchitekten. Sie positionieren sich so gut wie möglich, um das Sonnenlicht einzufangen. Bei einer geeigneten Artenzusammensetzung und ausreichender Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser bilden Pflanzen in ihrem Bestreben, das Sonnenlicht optimal einzufangen, geschlossene Oberflächen. Aufgrund dieser Tatsache lassen sich Pflanzen in der Solararchitektur nutzen:

  • Dachbegrünung: verlangsamt den Abfluss von Regenwasser, kühlt durch die Verdunstung von gespeichertem Wasser.
  • Fassadenbegrünung: Beschattung zum Schutz vor übermässigem Aufheizen einzelner Bauteile im Sommer, Verringerung der Luftbewegung an der Oberfläche eines Bauteils.
  • Bepflanzung im Garten: Beschattung gegen unerwünschte Sonneneinstrahlung, Windschutz für Gartenplätze, Biomasse für Nahrung, Gesundheit und Energie.

Definition der Permakultur

«Permakultur ist das bewusste Design sowie die Unterhaltung von landwirtschaftlich produktiven Ökosystemen, welche die Diversität, Stabilität und Widerstandsfähigkeit von natürlichen Öko­systemen (z. B. Wald) besitzen. Die Philosophie hinter Permakultur ist eine Philosophie, die mit der Natur und nicht gegen sie arbeitet, eine Philosophie der fortlaufenden und überlegten Beobachtung und nicht der fortlaufenden und gedankenlosen Aktion; sie betrachtet Systeme in all ihren Funktionen, anstatt nur eine Art von Ertrag von ihnen zu verlangen, und sie erlaubt Systemen, ihre eigene Evolution zu demonstrieren.»

Bill Mollison, Begründer Permakultur, ausgezeichnet mit dem Alternativen Nobelpreis 1981.

 

Bei Dach- und Fassadenbegrünungen bestimmen die Verfügbarkeit von Wasser, die Zusammensetzung und vor allem die Tiefe des Substrats, welche Pflanzen gedeihen. Je tiefer das Substrat, desto mehr Wasser steht zur Verfügung, was eine üppigere Vegetation ermöglicht.Generell gilt es darauf zu achten, wie sich Pflanzen langfristig entwickeln, also welche Grösse ein Baum in 25 oder 50 Jahren erreichen wird oder wie eine Bepflanzung zum Beispiel an einer Fassade gepflegt, geschnitten oder gejätet werden kann.

Abbildung 76: Fassadenbegrünung an einem Ein­familienhaus in St. Pantaleon (Bild: Anton Küchler).

Sonnenenergie in Biomasse speichern

Pflanzen speichern die Energie der einfallenden Sonne in ihrer Biomasse, also in den Wurzeln, Stängeln, Blättern, Früchten oder Samen. Diese Energie machen wir uns zu Nutze, wenn wir die Biomasse als Nahrung oder Energieträger verwenden. Über Biomasse, die in Form von Kompost oder Pflanzenkohle in den Boden eingebracht wird, nutzen wir Sonnenenergie zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit.

Wenn wir pro Jahr in einem Solarhaus 1 m3 oder 1 Ster Brennholz verbrauchen, so benötigen wir mindestens 1000 m2 Waldfläche, damit diese Menge nachwächst. Bei kleineren Parzellen können wir auch den Schnitt von Bäumen, Hecken und Sträuchern fürs Heizen verwenden. Wichtig ist aber in jedem Fall, dass das Holz genügend lange und richtig gelagert wurde, um keine unangenehme Rauchentwicklung im bewohnten Gebiet zu verursachen.

Abbildung 77: Brennholz-­Lager auf dem Balmeggberg (Bild: Anton Küchler).

 

Aus Sicht der Permakultur ist es nicht nötig, dass jeder Haushalt seinen eigenen Wald besitzt. Aus Gründen der Effizienz und des Know-hows ist es durchaus angebracht, wenn sich eine gemeinschaftliche Struktur (z. B. eine Burgergemeinde) um die nachhaltige Versorgung seiner Mitglieder mit Brennholz kümmert.

Abbildung 78: Lebensmittel aus dem Selbstver­sorger-­Garten (Bild: Marco Büttner).

Strukturen, die das Licht verändern

Mit der Gestaltung des Aussenraums kann die auf ein Gebäude eintreffende Sonneneinstrahlung verändert werden.

Abbildung 79: Die Sonnenfalle schafft ein helles und warmes Mikroklima (Zeichnung: Bill Mollison, Pascal Hänggi).
  • Beispiel: Sonnenfalle. Ein beliebtes Element aus der Permakultur ist die sogenannte Sonnenfalle. Dabei werden Bepflanzung und Strukturen so angeordnet, dass das einfallende Sonnenlicht optimal genutzt und kühlende Winde abgehalten werden. Dies führt zu einem erheblich wärmeren Mikroklima im Innern (Abbildung 79).
  • Beispiel: Reflexion. Im Einfallsbereich der Sonnenstrahlen können Bodenbeläge, beispielsweise heller Kies, aber auch Oberflächen von Teichen den Lichteinfall im Gebäude verändern. Dadurch lässt sich die einfallende Lichtqualität und Lichtmenge beeinflussen (Abbildung 80).
Abbildung 80: Lichtreflexion auf einer Wasseroberfläche (Diagramm: Kurt Forster, Pascal Hänggi).

Permakultur als Gestaltungsmethode

Mit einer Permakultur-Planung kann ein System – z. B. ein Garten, ein Haus, ein Landwirtschaftsbetrieb, ein Dorf, eine Stadt oder eine Region – nachhaltig entwickelt werden. Ziel ist es, herauszufinden, wo die fürs Essen, Heizen oder andere materielle und immaterielle Bedürfnisse nötigen Ressourcen beschafft werden müssen. Um die Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit zu verbessern, ist auf folgende Punkte zu achten:

  • Ressourcen nutzen, die so nahe wie möglich und so einfach wie möglich verfügbar sind.
  • Systeme als Ökosysteme gestalten, um die Leistungen der natürlichen Prozesse möglichst optimal nutzen und dadurch die eigene Arbeit reduzieren zu können.
  • Die Planung für und mit den beteiligten Menschen machen.

Die Permakultur-Planung verlangt einen integralen Ansatz (Abbildung 81). Jede Planung entwickelt die eigenen Antworten, abhängig vom Standort und den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer. Architektur und Gestaltung des Aussenraumes sollen zu einer Einheit verschmelzen und sich gegenseitig optimal unterstützen. Permakultur fordert von den Systemen einen Ertrag – nicht nur finanziell, sondern auch in Bezug auf Ästhetik, Wohlbefinden, Kultur oder soziale Funktion. Dieser soll auch dann Bestand haben, wenn die Ressourcenversorgung nicht mehr in dem Ausmass zur Verfügung steht wie heute.

Abbildung 81: Themen einer Permakultur-Planung (Diagramm: David Holmgren).

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