Als erstes soll mit dem Beispiel des solaren Direktgewinnhauses die Königsdisziplin der Solararchitektur eingeführt werden. Denn diese bildet die Grundlage nach dem Prinzip: viel Haus, wenig Technik, da die Wärme durch die Südfenster gewonnen wird. Nachstehend wird die Wärmephysik der Hülle, die Wärmeaufnahme im Innern des Hauses und die Wärmespeicherung erklärt. Die aufgezeigte einfache rechnerische Abschätzmethode ist als Arbeitsinstrument für den Entwurfsarchitekten oder den Energieplaner in der Genauigkeit vollkommen ausreichend und erhebt keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Sie hat sich bei den wohl weltweit ersten Nullheizenergie-Direktgewinnhäusern in Trin (Baujahr 1993), am wahrscheinlich weltersten Plusenergie-Gewerbegebäude Gasser in Chur (Baujahr 1999, Schweizer und Europäischer Solarpreis, SIA-Preis für Nachhaltiges Bauen) sowie bei vielen weiteren Sonnenhäusern gut bewährt.
Horizont
Eine Horizontaufnahme am Standort klärt sehr schnell die solare Ertragssituation. Es gilt nicht nur den im Internet für jeden Standort zu bestimmenden Fernhorizont – zum Beispiel Bergverläufe – zu erheben, sondern auch den Nahhorizont, wie Nachbargebäude, Bäume, etc. Da die diesbezüglichen Eingabemöglichkeiten für Berechnungen nach Norm SIA 380/1 ungenügend sind, muss ein anderer Weg beschritten werden. Eine gute Methode stellt immer noch die grafische Horizontbestimmung nach Mützenberg dar. Die damit erhobenen monatlichen Beschattungswerte führen zu brauchbaren Berechnungen der solaren Direktgewinne durch Fenster. Zur Erhebung der Daten benötigt man einen Kompass mit Höhenwinkelfunktion oder einen Mützenbergzylinder, den das Modellbauatelier der HTW Chur in Kleinserien wieder herzustellen beabsichtigt.


In Abbildung 9 trägt man den Horizont ein. Mit Transparentkopien der Abbildung 10 und Abbildung 11 wertet man aus. Die Auswirkung einer Nachbarsbaute kann auf diese Weise genau analysiert und die Situierung eventuell angepasst werden. Bäume auf der Bauparzelle müssen eventuell entfernt werden. Denn selbst im Winter kann ein Laubbaum durch das Astwerk bis zu 50 % abschatten. Dieser Faktor ist entsprechend zu gewichten, sind doch Dezember und Januar die wichtigsten Ertragsmonate. Ein Standort, der erst am Mittag besonnt wird, kann eine Drehung der Direktgewinn-Fensterfront in Richtung Südwest rechtfertigen. Bei einem kritischen Nahhorizont sollten mehrere Positionen der Südfassade untersucht werden. Für höhere Stockwerke kann die Horizontposition auch über den Höhenwinkel und die Hindernisdistanz umgerechnet werden. Auf dieselbe Art lässt sich das Beschattungsrisiko durch eine mögliche spätere Bebauung auf einer Nachbarsparzelle beurteilen.
Nun gilt es, eine Software zu finden, die eine monatliche Horizonteingabe ermöglicht, sowie – im Idealfall – die Eingabe der genauen Ausrichtung nach der Himmelsrichtung. Eine mögliche Lösung bietet das Programm Entech 380/1 von hetag.ch. Dabei setzt man die Nettosüdglasfläche als «Lucido» ein (die Fenstereingabe Süd lässt man frei). Man gibt den U-Wert des Glases an und rechnet die monatliche Beschat-tung in den g-Wert ein. Die Südfensterrahmenfläche muss man als separate Südfassadenfläche aufführen und den Psi-Wert des Süd-Glasrandverbundes (linearer Wärmebrückenverlustkoeffizient) als Wärmebrücke erfassen. Die genaue Ausrichtung der Fassaden kann allerdings nicht erfasst werden. Man muss sich für Süd oder 45 ° verschoben entscheiden. Dieses Vorgehen ist für ein sinnvolles Konzept meistens genau genug.




Ausrichtung
Die Ausrichtung einer auf Solarertrag getrimmten Fensterfront orientiert sich am Horizont und am Verhältnis zwischen g-Wert und U-Wert der Verglasung. Im Dezember und Januar findet die Sonneneinstrahlung etwa zwischen 30 ° Südost und 30 ° Südwest statt. Mit einer Solarverglasung (g-Wert-optimiert) mit einem g-Wert über 0,66 und einem U-Wert unter 0,7 W/(m2 K) ist, je nach Standort im Hochwinter, meistens ein Nettoertrag zwischen 50 ° Südost bis 50 ° Südwest möglich. Die höchsten Erträge bei optimalem Horizont bringen dabei die Ausrichtungen von 15 ° Südost bis 15 ° Südwest. Je höher die g-Werte bei gleichzeitig tieferen U-Werten sind, desto weiter Richtung Ost und West reichen die sinnvollen Einsatzmöglichkeiten einer Solarverglasung. (Weitergedacht mit eventuell möglichem superoptimalem Verhältnis von g-Wert zu U-Wert wird auch eine Nordverglasung positiv, besonders bei hohem Diffuslichtanteil.)
Bei Fenstern in eine andere Himmelsrichtung, also West, Ost oder Nord, sollte eine U-Wert-optimierte Verglasung verwendet werden.
In den meisten Fällen kommen heute 3-fach-Verglasungen zum Einsatz. Je nach Entwicklung der g-Werte und U-Werte können mehr Gläser Sinn machen. In Einzelfällen, zum Beispiel im Industriebau mit tieferen inneren Zieltemperaturen, sind auch 2-fach-Solargläser mit höheren g-Werten (zurzeit 75 %) einsetzbar.
Wird das Verhältnis von U-Wert zu g-Wert noch besser, also zum Beispiel U = 0,4 W/(m2 K) und g = 0,6, würde dies bedeuten, dass mit weniger innerer Masse und kleinerer Südbefensterung das gleiche Resultat erreicht werden kann.
Aussenform
Bei geschickter Südöffnung kann auch ein etwas ungünstigerer Volumen-Oberflächen-Quotient trotzdem zum Ziel führen. Ein solares Direktgewinnhaus ist ein Wärmeumsatzhaus.

Wichtig ist, dass gegen Süden möglichst viel unbeschattete Glasfläche zur Verfü-gung steht. Das Glas sollte zudem möglichst weit aussen platziert werden und die Architektur keine Beschattung durch tiefe Leibungen, Balkone, Vordächer, Fassadenvor- oder -rücksprünge aufweisen. Es kann allerdings Gründe geben, die eine Ausnahme von diesen Regeln gestatten. Ist es aufgrund des architektonischen Konzeptes trotzdem notwendig, tiefe Leibungen zu zeigen, können diese sonnengerecht gestaltet werden.



Wenn man sich bewusst ist, dass die Sonneneinstrahlung im Hochwinter etwa zwischen 30 ° Südost und 30 ° Südwest stattfindet, sollte die Leibungsgeometrie seitlich angepasst werden.
Auch die Ausbildung des Sturzes ist wesentlich. Am kürzesten Tag steht die Sonne zwar nur mit 20 ° zur Waagrechten im Zenit, der Sturzanstellwinkel sollte aber grösser als 30 ° Grad gewählt werden, da sonst die Gewinne Ende Februar und im März wie auch jene im Oktober und Anfang November zu stark reduziert würden. Dies gilt im Speziellen auch für vorgelagerte Balkone oder Vordächer. Diese Beschattungseinflüsse sollten in die monatliche Horizontbeurteilung einfliessen und rechnerisch verifiziert werden.


Äussere Beschattung, innerer Blendschutz
Fensterflächen von Südost bis Südwest haben für die Sommer- und Übergangszeit immer einen äusseren Sonnenschutz und für den Winter einen inneren Blendschutz.
Sonnenschutz Südost-Südwest
Da die Sommersonne im Süden sehr hoch steht, ist hier die Beschattung einfach zu bewerkstelligen. Für eine normale Stockwerkshöhe genügt in der Regel ein 1,5 m langer, ausladender Knickarmstoren, eine ausschwenkbare Brüstung oder ein temporäres Vordach, das Mitte April herausgezogen und Anfang Oktober wieder eingeschoben wird. Natürlich kann man auch handelsübliche äussere Storen verwenden. Als einfachste Regeleinrichtung hat sich eine Jahresschaltuhr bewährt, die den Sonnenschutz während der Winterzeit ausser Betrieb setzt (dies bedingt allerdings eine Motorisierung und eine von den Bauteilen getrennte Kabelführung, wie sie im Passivhausbau üblich ist).


Sonnenschutz Ost und West
Da die Sommersonne morgens wie auch gegen Abend sehr tief steht, sind nur senkrechte Sonnenschutzvorrichtungen tauglich. Textile Senkrechtstoren ermöglichen bei einem tiefen g-Wert jedoch lediglich einen marginalen Durchblick. Eine gute Lösung sind in diesem Fall nach wie vor Lamellenstoren. Ost- und Westbeschattungen sind aufgrund des Überhitzungspotenzials mit mehr Sorgfalt zu planen als Südverschattungen, denn tiefe g-Werte sind entscheidend.
Blendschutz im Winter Südost-Südwest
Der innere Blendschutz für den Winter ist ein Schlüsselelement im solaren Direktgewinnhaus, da kein äusserer Sonnenschutz in Betrieb sein darf. Die Aufgaben umfassen aber nicht nur den Blendschutz, sondern auch die Lichtumlenkung und die Verdunkelung. Der innere Blendschutz gehört zur Basisausrüstung eines Sonnenhauses. Man kann Wohnungsmietern nicht im Winter den äusseren Sonnenschutz abschalten und derweil keine bauliche Einrichtung für den Blendschutz zur Verfügung stellen. Ein Schulzimmer funktioniert im Winter nicht ohne inneren Blendschutz (mit Vorteil als Lichtumlenkung konzipiert) und Verdunkelungsmöglichkeit.


Prinzip: Haus als Speicher, Winter und Sommer
Das Haus mit seiner warmseitigen Masse ist der Wärmespeicher. Man sitzt sozusa-gen im Ofen, alle Flächen strahlen Wärme ab. Eine Erkenntnis ist dabei zentral: Um Wärme aufnehmen zu können, muss die Masse ein wenig wärmer werden dürfen. Um Wärme abgeben zu können, ist es umgekehrt. Damit man im Komfortbereich bleibt, sollte diese langsame Aufwärts- und Abwärtsbewegung der Massentemperatur innerhalb von 3 K stattfinden. Während die Sonne ins Haus strahlt, kann die Lufttemperatur die momentane Massentemperatur auch um 4 K übersteigen, ohne dass man dies als unangenehm empfindet. Man wählt dann eine etwas leichtere Bekleidung und geniesst die Wärme.
Auch für ein gutes Hochsommerklima ist die Hausmasse wesentlich.
In unserem Klima ist eine aktive Sommerkühlung nicht notwendig. Im von aussen gut beschatteten, massiven solaren Direktgewinnhaus ist nächtliche Querlüftung – abgesehen von aussergewöhnlichen Hitzeperioden – ausreichend.





Eine funktionsfähige bauliche Nachtauskühlung stellt allerdings konstruktive und gestalterische Anforderungen, wie die Abbildungen 25 bis 27 zeigen. Die Querlüftungsklappen müssen wettersicher konstruiert sein, dass eine Nachtauskühlung bei grösseren Gebäuden auch automatisierbar wird. Wenn beispielsweise die Querlüftung pro Stockwerk erfolgt, kann dies mit einer Temperaturmessung (Vergleich von Durchschnittsinnentemperatur und Aussentemperatur) ausgelöst werden. Sobald in der Nacht ab 22 Uhr die Aussentemperatur 2 K tiefer ist als die Raumlufttemperatur, wird geöffnet. Bei kleinerer Temperaturdifferenz wird wieder geschlossen. Eine Querlüftung ist optimal, wenn zwei gegenüberliegende Fassadenflächen, möglichst in der Hauptwindrichtung, geöffnet werden können. Eine Übereck-Lüftung funktioniert aber auch. Dies bedingt eine entsprechende Grundrissgestaltung. Sehr wirkungsvoll sind auch vertikale Luftbewegungen. Dazu dienen beispielsweise (wettersichere) Treppenhäuser mit ohnehin erforderlichen Rauch- und Wärmeabzugsvorrichtungen. Diese können am tiefsten Punkt mit einer mindestens gleich grossen Zuluftöffnung versehen werden. Zusätzlich zu beachten ist die Einbruchsicherheit, dies gilt insbesondere bei Erdgeschoss-Querlüftungen. Querlüftungen sind wichtig und können auch interessante Architekturelemente sein.

Nur Zusatzheizung oder keine Heizung
Ein solares Direktgewinnhaus benötigt nur an wenigen Schlechtwettertagen im Hochwinter eine Zusatzheizung. Diese sollte erst dann zum Einsatz kommen, wenn die Massentemperatur des Hauses den persönlich tolerierten Tiefstwert erreicht (z. B. 21 °C). Die Zusatzheizung sollte so klein konzipiert sein, dass diese Temperatur nur gehalten wird und keine Aufladung der Masse stattfindet. Das Aufladen der Masse ist Aufgabe der Sonne. So ist es auch nachvollziehbar, dass dieser Tiefstwert der Massentemperatur nicht zu tief angesetzt wird – ein Fehler, den viele Nutzer anfänglich machen. Ein solares Direktgewinnhaus liefert während des Winters zu 90% ein Wärmeüberangebot, mit dem man lustvoll umzugehen lernt. Zentralheizungen mit aufwendiger Wärmeverteilung braucht es nicht. In der Regel reicht eine punktförmige Wärmequelle, etwa ein automatischer Holzpelletofen, der bei Erreichen des persönlichen Temperaturtiefstwertes zugeschaltet wird.






Primärspeicher
Direkt beschienene Bauteile wie Unterlagsboden, Wände und Säulen an der Südfassade.
Sekundärspeicher
Nicht direkt beschienene Bauteile wie Wände und Decken. Speichern Wärme aus der Raumluft und durch langwellige Strahlung.
Sonnenstrahlungseintrag und Absorptionsleistung
Um den grossen Wärmeertrag aus Sonnenstrahlung hinter der g-Wert-optimierten Südverglasung nutzen zu können, muss die genügend grosse Wärmeaufnahmefähigkeit der Innenraumoberflächen (Sekundärspeicher) nachgewiesen werden. So kann eine Übererwärmung der Luft verhindert werden und die Räume bleiben ohne Sonnenschutz oder Ablüftung in Bezug auf ihre Temperatur im Komfortbereich. Abbildung 34 zeigt, dass im ersten Moment die Absorption grösser ist als nach 2 Stunden. Dies hat mit der Erwärmung der Oberflächen zu tun. Für eine genügend genaue Abschätzung reicht es aus, einen Mittelwert (nach etwa 2 Stunden) einzusetzen. Der gezeigte einfache lineare Absorptionsnachweis kann als Excel-Tabelle erstellt werden.

Diese Werte betreffen die nicht direkt sonnenbeschienenen Oberflächen, also die Wärmeaufnahme über Strahlung und Konvektion (Luftbewegung). Direkt beschienene Oberflächen (Primärspeicher) erreichen wesentlich höhere Absorptions-leistungen, sofern sie an der Oberfläche mindestens eine mittlere Dunkelheit und eine ausreichende Wärmeleitfähigkeit aufweisen. Dadurch werden 50 % der Strah-lung oder mehr auf der Oberfläche zu Wärme umgeformt, die Oberfläche erwärmt sich stärker und gibt wieder Wärme an die Luft und an Umgebungsflächen ab, sofern der Temperaturunterschied zwischen Oberfläche und Raumluft dies erzwingt. Bei der Ermittlung der Primärspeicherflächen gilt es mehrere Aspekte zu beachten: Im Hochwinter bewegt sich die Einstrahlung von etwa 30 ° Südost bis 30 ° Südwest, die Sonnen-Schatten-Auswirkung «bewegt» sich also über den Raum. Zum einen bedeutet dies, dass nie die gesamte Fläche beschienen wird, zum anderen kann in der Gestaltung bewusst mit verschiedenen Lichtszenarien gearbeitet werden, also mit der Sinnlichkeit des Lichts. Je nach Oberflächenfarbe, Widerschein und Sonnenstand kann man so die Tages- und Jahreszeit inszenieren.
- Mobiliar, Fenster: Es empfiehlt sich, die Südfenster bis an den Boden zu ziehen, da die Flächen direkt hinter der Verglasung meistens frei bleiben und als Primärspeicher voll nutzbar sind. Für die übrigen Flächen muss eine Abdeckung durch Mobiliar abgeschätzt und in Abzug gebracht werden.
- Böden mit Primärspeicherzuschlag: Für Steinböden mittlerer Dunkelheit, z. B. aus geschliffenem Beton oder Zementunterlagsböden mit Steinzeug- oder Natursteinplatten, kann für die beschienenen Flächen ein Zuschlag zum Sekundärspeicherwert von etwa 50 W/m2 angenommen werden. Es kann von einer etwa 50 % höheren Eindringtiefe ausgegangen werden. Dies bedeutet Folgendes: Weist normalerweise ein Unterlagsboden etwa 9 cm Bauhöhe auf, kann der permanent direkt beschienene Teil des Steinbodens sinnvollerweise 13 cm Gesamtstärke aufweisen. Sobald ein Holzparkett- oder ein Teppichboden auf dem Unterlagsboden angebracht wird, ist die Absorptionsleistung sehr viel kleiner. Ein vollverklebtes, dunkles Hartholzparkett erreicht etwa 20 W/m2 Primär- plus Sekundärabsorption, während ein getrennt aufgelegtes Parkett, ein Laminat oder ein Teppich die Absorption fast vollständig verhindert. Platten- oder Natursteinböden sollten im «Mittelbett» verlegt werden, also den Vollkontakt zum Unterlagsboden ohne Lufteinschluss oder Trittschalldämmung garantieren.
- Wände mit Primärspeicherzuschlag: Die wirkungsvollsten Flächen sind auch hier jene Wände, insbesondere Zwischenwände, die direkt an die Fensterfläche führen. Auch diese können eine mittlere Dunkelheit aufweisen und dadurch mehr verwertbare Eindringtiefe generieren. So kann beispielsweise auch eine Wohnungstrennwand in Beton oder Kalksandstein voll genutzt werden. Dunkle Raumoberflächen reduzieren allerdings die Beleuchtungseffizienz. Dies sollte berücksichtigt werden.


Innere Speichermasse und Schlechtwettersicherheit
Hinter der Materialoberfläche der Raumbegrenzung muss eine genügend dicke Materialschicht ausgewiesen werden, um über die ganze Zeit der Strahlungs- und Wärmeeinwirkung die Absorptionsleistung zu gewährleisten und so erst eine Energiespeicherung zu ermöglichen. In Tabelle 1 ist die Eindringtiefe bei 4-stündiger und bei 8-stündiger Einwirkung ersichtlich. Massgebend für den Hochwinter ist die Eindringtiefe bei 4-stündiger Einwirkung, da die Sonne nicht länger kraftvoll scheint.
Diese relativ geringen Eindringtiefen lassen den Schluss zu, dass Innenwände und Zwischendecken die ökonomischsten Speicher abgeben, da die Eindringtiefe von beiden Seiten anrechenbar ist und sinnvolle aktive Konstruktionsstärken ergeben. Zur spezifischen Eignung der Bauteile kann Folgendes ausgesagt werden.
- Böden: Steinböden in südorientierten Räumen sind sehr effizient als Primär- und Sekundärspeicher, können allerdings nicht als Alleinspeicher eingesetzt werden. Sind Wände und Decken Leichtbauteile, so stellt sich schnell ein Heissluftpolster in der oberen Raumlufthälfte ein und das Raumklima wird unangenehm. Eine Abdeckung von Böden durch Möbel und Teppiche ist zu vermeiden.
- Wände: Die Wände dienen vorwiegend als Sekundärspeicher. Sie könnten auch als Alleinspeicher eingesetzt werden, erreichen aber in der Regel eine zu kleine Absorptionsleistung. Sie können teilweise durch Möbel und Bilder abgedeckt sein.
- Decken sind in der Regel sehr effiziente Sekundärspeicher, können mit Lichtumlenkung aber auch zu Primärspeichern werden. Deckenflächen sind problemlos, da sie fast immer frei bleiben. Zur Absorptionsleistungserhöhung haben sich vergrösserte Oberflächen bewährt. Es gibt keinen Konflikt zu erhöhten Raumakustikanforderungen. Mehr Oberfläche bringt immer eine bessere Akustik. Im Musterschulzimmer (Abbildung 37) hat sich durch Messungen bestätigt, dass ein Balkenraster mit leicht konischen Zwischenräumen sehr gute Akustikresultate bringt. Falls klassische Akustikpaneele eingesetzt werden, sollten sie kleinteilig mit genügend Zwischenraum und Distanz zur Masse montiert werden, so dass die Raumluftzirkulation gewährleistet bleibt. Decken oder Decken-Boden-Systeme eignen sich gut als Alleinspeicher.
Mit der für die meisten Menschen im Komfortbereich liegenden Schwankung von 3 K zwischen Raumluft- und Massetemperatur (z. B. 21 °C / 24 °C) lässt sich die Speicherkapazität der Bauteile im Eindringtiefenbereich errechnen. Die so aufsummierte Energiemenge wird mit dem
durchschnittlichen Tageswärmebedarf im schlechtesten Monat (Dezember oder Januar) ohne Strahlungsgewinne verglichen. Der Monatsmittelbedarf kann aus der Berechnung nach SIA 380/1 herausgelesen und auf einen Tagesbedarf runtergerechnet werden. Die errechnete Speicherenergie sollte mindestens einem Tagesbedarf entsprechen, dann hat das System eine genügend grosse Trägheit – dies könnte man die Schlechtwettersicherheit nennen. Das Nullheizenergie-Haus in Trin verfügt über 4 Tage Schlechtwettersicherheit. Dies reicht in den Alpen – auch bei deutlich höheren Lagen als Trin mit 940 m. ü. M. –, um ohne Zusatzheizung auszukommen.



In der Regel ist es nur an Schönwettertagen nachts sehr kalt, als Folge der nächtlichen Abstrahlung in den Nachthimmel. Dieses Phänomen hat eine Oberflächenauskühlung unter die Lufttemperatur zur Folge. Auf diese Art entsteht beispielsweise auch die Eisschicht auf der Autoscheibe, da die wärmere und feuchtereichere Luft auskondensiert. Bei Bewölkung entfällt dieser Effekt, es bleibt wärmer.

In Nebellagen, aber auch in Inversionslagen im Mittelland, in denen unter der Bewölkung während Tagen Minusgrade vorkommen können, braucht es eine einfache Zusatzheizung. Eine Schlechtwettersicherheit von 1 bis 2 Tagen macht Sinn.
Da eine mehrtägige Schlechtwettersicherheit mehr innere Masse und hervorragende Dämmwerte um 0,12 W/(m2 K) benötigt, was höhere Baukosten, längere Bauzeit und mehr graue Energie zur Folge hat, kann eine Zusatzheizung auch aus ökonomischen Gründen Sinn machen.
So auch im Verwaltungsbau Gasser: Die Schlechtwettersicherheit liegt bei 1,5 Tagen, die U-Werte der Bauteile betragen 0,15 W/(m2 K), die gemessene Energiekennzahl Wärme 4,5 kWh/(m2 a) – also mehr als dreimal tiefer als bei einem Minergie-P-Bau und die Baukosten mit 450 Fr./m3 auf dem Niveau des konventionellen Bauens. Für die 2100 m2 grosse Gewerbefläche braucht es lediglich 2 Pelletaufstellöfen mit je 8 kW Leistung als Zusatzheizung.
