Energiemanagement ist primär eine Managementaufgabe, und die ebenfalls wichtigen ­Tätigkeiten auf der technischen und operativen Ebene folgen erst in zweiter Linie. Wer mit Energie­management etwas erreichen möchte, der muss zuallererst eine organisatorische und konzeptionelle Leistung vollbringen. Was die ­Organisation betrifft, beschreibt die GEFMA 124-1 dies so: «Die zentrale Aufgabe der Organi­sationsgestaltung besteht darin, die Gesamtaufgaben des Unternehmens durch die Bildung von organisatorischen Einheiten auf die Mitarbeiter zu verteilen und die Koordination der Einzelaufgaben sicherzustellen. Die Bildung von verschiedenen Organisationseinheiten folgt der Notwendigkeit zur Arbeitsteilung, die mit ­einer zunehmenden Arbeitsmenge, -vielfalt und -komplexität wächst.»

Für die Praxis bedeutet dies vor allem, dass mehr Gewicht auf das Wort Management zu ­legen ist. Bisher ist diese Aufgabe für den Grossteil der mit Energiemanagement beauftragten Personen zunächst einmal ein rein technisches Problem. Dabei ist es offensichtlich, dass zunächst die organisatorischen Belange geregelt werden müssen. Zudem sollte, dies ist eigentlich selbstverständlich, Energiemanagement nicht konzeptlos erfolgen. Und auch psychologische Aspekte können entscheidend sein.

5.1 Entscheidungsfindung im Energiemanagement

Zu Beginn stehen strategische ­Entscheidungen an. Die Entscheidungsfindung im Energiemana­gement sollte nach folgendem Schema (Abb. 21)erfolgen.

Abb. 21: Phasen der Entscheidungsfindung im Energiemanagement

Phase 1: Erwartung

In der Regel beginnt der Entscheidungs­prozess, der zur Einführung und Durchführung von Energiemanagement in einem Unternehmen führt, mit der Formulierung von Erwartungen. Das Sparen von Energie ist positiv besetzt, sodass alle Beteiligten im Unternehmen dem sehr ­offen ­gegenüberstehen. Es ist aber durchaus entscheidend, wo in der Hierarchie die Initiative entsteht, die sich mit dem Thema Energie auseinandersetzt.

Ist die Unternehmung gedanklich grob in «Führung» und «Ausführung» unterteilt, wird ein aufkommendes Engagement zur Einführung von Energiemanagement vonseiten der «Ausführung» viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. In der «Führung» zählen normaler­weise hauptsächlich ökonomische Argumente. Wenn nun ein Betriebsleiter, Gebäude­betreiber oder ein Facility Manager das Energie­management aufbringt und eine Einführung verfolgen will, muss dieser seiner «Führung» deutlich ­machen, warum diese das tun sollte. Die Erwartung, mit Energiemanagement ­Ressourcen zu ­sparen, Emissionen zu vermindern und dem Umweltschutz Genüge zu tun, ist auf den ersten Blick verlockend. Wenn sich dann aber herausstellt, dass dazu erhebliche Investitionen und inter­ne Anstrengungen notwendig sind, fällt die Argumentation schon schwerer. Häufig ist in diesem Moment ein opportunistisches Argumenta­tionsverhalten zu beobachten. Hohe Investitions­kosten und zusätzlicher Personal­bedarf schrecken ab. Oft wird auch die Kostenrelation zu z.B. Personal- oder Gesamtkosten eines Unternehmens angeführt. Energie kann tatsächlich immer noch sehr preisgünstig eingekauft werden. Die Energiekosten sind deshalb im Gesamtbudget häufig fast vernach­lässigbar. Grössere Investitionen in diesem Bereich rechnen sich aus ökonomischer Sicht oft nicht oder nur knapp. In diesem Fall ist die «Führung» nicht wirklich am Thema interessiert. Will also die «Ausführung» trotzdem die Einführung von Energiemanagement bei der «Führung» durchsetzen, sind klare und starke ­Argumente gefragt.

Energiekosten werden oft erst dann wieder thematisiert, wenn z.B. höhere Einkaufspreise für Energie (insbesondere beim elektrischen Strom) von Energieversorgern angekündigt werden. Dann sind plötzlich die Energiekosten ­wieder im Blickfeld der Führungsetage. Je nach Unternehmung können Energiekosten als so entscheidend angesehen werden, dass z.B. mit dem Wegzug von Produktionsstätten gedroht wird.

Anders ist die Sachlage natürlich, wenn das Engagement für Energiemanagement aus der «Führung» selbst kommt. Entscheidungen, die Investitionen und internen Aufwand zur Folge haben, werden in diesem Fall leichter gefällt. Dem Impuls folgend, werden die notwendigen Massnahmen in kurzer Zeit umgesetzt. Die Erwartung ist dann selbstverständlich, dass sich Erfolge einstellen und Fortschritte im Umgang mit Energie im Unternehmen erkennbar werden. Die Gefahr, die in dieser Situation lauert, ist eine falsche Erwartung an den Aufwand für das Energie­management. Nach einem Initialaufwand ist die Aufgabe nicht beendet. Steigt der Verbrauch nach einer gewissen Zeit wieder an, weil kein dauerhaftes Energiemanagement eingeführt wurde, stellt sich Ernüchterung ein.

Phase 2: Abklärung

Für die Einführung von Energiemanagement ist Transparenz über die energetische Situation im Gebäude resp. im Betrieb notwendig. Die Er­fahrung zeigt, dass dies in der Vorstellung als ­unproblematisch angesehen wird. Tatsächlich stellt sich das Sammeln von Informationen zu An­lagen und Verbräuchen als schwieriges Unter­fangen heraus. Die nachfolgenden Probleme sind in der Praxis anzutreffen:

  • Energieabrechnungen sind unvollständig und/oder nicht chronologisch vorhanden
  • Reale Flächenverhältnisse sind nicht ­bekannt
  • Anlagendokumentationen sind nicht oder unvollständig vorhanden
  • Verbrauchswerte geben keinen Aufschluss über den Verbrauch bestimmter Gebäudebereiche oder Anlagen

Die Abklärung benötigt ein grosses Mass an Disziplin und Organisation. Nicht selten ­findet dabei gleichzeitig ein Prozess der Bewusst­seins­werdung statt. Die Inventarisierung der energetischen Situation im Gebäude bzw. im Unternehmen bringt so einiges zutage.

  • Bestandsaufnahme bestehender Anlagen
  • Verbräuche der technischen Anlagen
  • Erfassung von Verbrauchsverhalten

Es ist wirklich erstaunlich, wie sehr das Alltagsgeschäft von Unternehmen dazu führt, mit dem Energieeinsatz vergleichsweise achtlos umzu­gehen. Natürlich hat es im letzten Jahrzehnt diesbezüglich einen Wandel gegeben. Dennoch herrscht in vielen Unternehmen eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit Energie. Vor allem aber fehlt es sehr oft an detaillierten Zahlen­werten zum Energieverbrauch.

Phase 3: Erkenntnis

Die mehr oder weniger vollständige, transparente energetische Situation eines Gebäudes, ­eines Gebäudeparks eines Unternehmens oder eines Unternehmens zeigt, wie es um den Umgang mit Energie im Gebäude/Unter­nehmen wirklich steht. Der Energieverbrauch muss be­wertet werden, um Aussagen zum Sparpotenzial zu er­halten. In dieser Phase sind weitere Erkenntnisse möglich. Es kann auch Transparenz darüber geschaffen werden,

  • in welchem Zustand die technischen ­Anlagen sind und wie gross der Instand­setzungsaufwand ist,
  • wie ausführlich und aussagefähig die ­Gesamtdokumentation ist,
  • mit welchem Zeithorizont für etwaige Massnahmen zu rechnen ist,
  • welcher Personaleinsatz notwendig wird,
  • wie sich das Budget (Investitionsvolumen und langfristige Kosten) ungefähr darstellt.

Die dann vorliegende Faktenlage verdeutlicht, von wie vielen Einflussparametern ein zu erarbeitender Massnahmenplan abhängt. Die Festlegung der richtigen Umsetzungsstrategie muss individuell und mit einer ausgedehnten Planungsphase vonstattengehen. Es empfiehlt sich, ein geeignetes Team zusammenzustellen und für die Planung genügend Zeit vorzusehen.

Die Durchschlagskraft dieser Erkenntnisphase wird ebenfalls von der Bedeutung der Energiekosten für das Kerngeschäft eines Unternehmens beeinflusst. Wenn die Energiekosten in einem produzierenden Unternehmen direkt in die Produktkosten einfliessen, sind die aus der Erkenntnisphase resultierenden Massnahmen von ganz anderem Interesse als die­jenigen ­eines Dienstleitungsunternehmens, welches ledig­lich ein paar Büros benutzt. Im letzteren Fall kann die Einführung von Energiemanagement von anderen Einflüssen abhängig sein, da die Energie­kosten nur unbedeutend sind. So kann zum Beispiel das Image des Unternehmens gefördert werden.

Andere Einflüsse und Entscheidungen, die den Geschäftsverlauf stark beeinflussen oder im laufenden Unternehmensgeschehen finanzielle Mittel binden bzw. verbrauchen, werden oft zulasten der Einführung von Energiemanagement höher gewichtet. Auch Investitionen in Massnahmen zur Energieeffizienzverbesserung werden dann oft gestrichen oder vertagt.

Ist die energetische Situation geklärt, kann über die Massnahmen, die zur Durchführung eines erfolgreichen Energiemanagements notwendig sind, nachgedacht werden. In der Regel verlangen alle möglichen Massnahmen einen grösseren Aufwand an Personal und Finanzen.

Phase 4: Entscheidung

Liegen die Fakten und Argumente auf dem Tisch, muss die Entscheidung getroffen werden, ob und wie das Energiemanagement betrieben werden soll. Hierbei macht es keinen Sinn, ein Energiemanagement «light» in Erwägung zu ziehen. Das Energiemanagement ist ein langfristiges Engagement und alle relevanten Massnahmen sind in diesem Kontext zu ­sehen. Da Immo­bilien langfristig (zwischen 30 bis über 100 Jahre) betrieben werden, zahlen sich Investi­tionen in Energiesparmassnahmen oft aus, weil lange Payback-Zeiten erreicht werden können. Im Falle von z.B. Produktions­anlagen kann diese Payback-Dauer anders ausfallen, da deren Lebens­zyklus sehr viel kürzer (wenige Jahre) sein kann.

In der heutigen Geschäftswelt wird über­wiegend ökonomisch entschieden. Dies ist auch im Energiemanagement der Fall. Es ist nun die Aufgabe des Managements, alle Fakten und Chancen bzw. Hemmnisse zu beurteilen und gegeneinander abzuwägen. Je besser die Entscheidungsgrundlagen erarbeitet werden, umso sicherer können die Entscheidungen gefällt werden. Klar ist, dass die Einführung von Energiemanagement langfristig angelegt werden muss und daher sorgfältig geplant und durchgeführt werden muss.