6.1.1 Kriterien zur Wahl von Klimaanlagen
Klimaanlagen sind Lüftungsanlagen, bei denen die Raumluftkonditionen (wie Temperatur, Feuchtigkeit, Reinheit) während des ganzen Jahres innerhalb definierter Grenzen gewährleistet werden können. Aufwand und Betriebskosten entsprechen den gestellten Anforderungen.
Grenzen von klimatechnischen Einrichtungen:
- Raumtemperaturen –30 bis 100 °C
- Raumlasten bis 1500 W/m2
- Raumfeuchte von 20 bis 95 %
- Luftmengen bis 1500 m3/h m2
- Reinheit bis unter 10 Partikel pro m3
Klimaanlagen müssen dort eingesetzt werden, wo die gesetzlich geforderten Raumzustände, die Gesundheit der Menschen und Tiere oder die Produktion von Gütern bei abweichenden Raumzuständen nicht mehr gewährleistet sind. Grosse interne Wärmelasten in Dienstleistungsbetrieben oder spezifische Vorgaben für industrielle Prozesse sind oft nur mit einer Klimaanlage zu bewältigen. In Rechenzentren, Operationssälen, Labors oder Produktionsräumen (Fleisch, Blumen, Confiserie) sind die Raumluftanforderungen durch die Nutzung gegeben und erfordern meistens eine Klimaanlage ggf. mit Be- und Entfeuchtung.
Andererseits gibt es aber sehr viele Situationen, in denen kurzzeitige Überschreitungen der geforderten Raumzustände ohne Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit durchaus tolerierbar sind. Häufig werden «übertriebene» Raumluftkonditionen (Sommer < 26 °C) gefordert, die unnötig sind und nur durch eine Klimaanlage erfüllt werden können. Es gilt vorerst zu definieren, ab welchen Raumkonditionen gekühlt sowie be- und entfeuchtet werden darf. Im Weiteren soll berechnet werden, ob und unter welchen Bedingungen diese Grenzen nicht überschritten werden.
6.1.2 Kühlleistungs- und energiebedarf
Die hauptsächlichen Einflüsse auf den Kühlbedarf gehen aus Bild 6.1 hervor. Die Berechnung des Leistungsbedarfs und des Energiebedarfs sollte bei grösserem Bedarf mit einem dynamischen Simulationsprogramm erfolgen. Die Berechnung erfolgt im Stundenschritt für einen ortstypischen Aussenklimazustand [SIA 2028]. Auf diese Weise werden die instationären Speichervorgänge angemessen berücksichtigt. Weiter sind eine Menge Informationen zu den internen Lasten erforderlich, wie die sensible Wärmeabgabe von Personen, Angaben zu Beleuchtung und Geräten, Lastprofile, Nutzungszeiten usw. [SIA 2024]. Programme, welche die Anforderungen nach [SIA 382/2, SIA 2044] erfüllen, sind beispielsweise IDA-ICE oder das SIA-Tec-Tool.
Bild 6.1 Einflussgrössen auf die Raumkühllast
Bild 6.2 zeigt den Soll-Betriebsbereich der Raumtemperatur ausserhalb der Heizperiode. Für natürlich und mechanisch belüftete Räume wird die Raumtemperatur verschieden beurteilt. Wird bei mechanisch belüfteten Räumen die Grenzkurve b während mehr als 100 h/a überschritten, ist eine Kühlung erforderlich. Bei einer Überschreitung bis zu 100 h/a ist eine Kühlung erwünscht, ohne Überschreitung ist keine Kühlung nötig. In mechanisch belüfteten Wohnräumen ist eine etwas länger dauernde Überschreitung zu tolerieren. Die Anwendung solcher Programme ist mit beachtlichem Aufwand verbunden. Ob sie überhaupt eingesetzt werden müssen, kann jedoch mit einfachen Abschätzungen festgestellt werden.
Bild 6.2 Zulässige Bereiche der empfundenen Temperatur
a: Untergrenze; b: Obergrenze, während der Raum konditioniert wird; c: Obergrenze bei natürlich belüftetem Raum, während dieser weder gekühlt noch beheizt wird [SIA 180, SIA 382/1]
Bild 6.3 Bauliche Anforderungen
6.1.3 Bedarfsabklärung für Klimaanlagen
Bauliche Voraussetzungen
Der Bedarf für eine Klimaanlage ist gegeben, wenn alle zumutbaren architektonischen, bautechnischen und konzeptionellen Massnahmen (Reduktion der internen und externen Lasten sowie Nachtlüftung) ausgeschöpft sind und eine einfache Lüftungsanlage zur Einhaltung komfortabler Raumluftzustände nicht mehr genügt (Bild 6.3). Das grösste Risiko für den sommerlichen Wärmeschutz ist ein grosser Glasanteil (Bilder 6.4, 6.5). Selbst an der Nordfassade braucht es eine Beschattung. Der Glasanteil fg ist das Verhältnis der lichtdurchlässigen Glasfläche zur Brutto-Fassadenfläche des betrachteten Raums. Bei grossem Glasanteil ist eine Automatisierung des Sonnenschutzes dringend zu empfehlen. Letzterer sollte bei einer Globalstrahlung von etwa 150 W/m2 auf die betreffende Fassade betätigt werden.
Bild 6.4 Anforderungen an den g-Wert von Fassadenfenstern (Glas und Sonnenschutz) je nach Glasanteil und Orientierung [SIA 180]
Bild 6.5 Anforderungen an den g-Wert von Dachfenstern (Glas und Sonnenschutz) [SIA 180]
Beurteilung des Bedarfs
Im Allgemeinen kann die Notwendigkeit einer Kühlung anhand der internen Wärmequellen und den Möglichkeiten der Fensterlüftung beurteilt werden (Bild 6.6). Bei der Bestimmung der internen Wärmequellen sind die tatsächlichen Wärmeabgaben der Personen, Geräte und Beleuchtung zu verwenden (nicht Typenschildangaben). Als Bezugsfläche dient die Nettogeschossfläche der betrachteten Nutzung. Typische Werte für interne Wärmequellen sind in [SIA 2024] zu finden.
Interne Wärmequellen pro Tag in Wh/m2 | Kühlung | ||
mit Fensterlüftung | mit Fensterlüftung | ohne | |
> 200 | > 140 | > 120 | notwendig |
140–200 | 100–140 | 80–120 | erwünscht |
< 140 | < 100 | < 80 | nicht notwendig |
Bild 6.6 Beurteilung des Bedarfs einer Kühlung, wenn die baulichen Anforderungen eingehalten sind [SIA 382/1]