9.1.1 Lichtkomfort

Licht ermöglicht die visuelle Wahrnehmung unserer Umwelt. Dies wird durch einen schmalen Bereich von Strahlung ermöglicht. Strahlung ist Energieübertragung in Form elektromagnetischer Wellen. Kürzere Wellenlängen als Licht haben Ultraviolett- (UV-), Röntgen-, Gamma- und kosmische Strahlung. Grössere Wellenlängen haben Infrarot- (IR-), Radar-, Fernseh- und Radiowellen. Die sichtbare Strahlung liegt im Wellenlängenbereich zwischen 380 und 780 Nanometer. Da die Empfindlichkeit des menschlichen Auges im Bereich der sichtbaren Strahlung nicht konstant ist, sondern von der Wellenlänge abhängt (Bild 9.1), sind spezielle Grössen und Einheiten erforderlich, um Licht bewerten zu können. Ob eine Beleuchtung als gut oder schlecht empfunden wird, hängt jedoch nicht nur davon ab, was gemessen wird, sondern wesentlich von der wahrnehmungspsychologischen Bewertung. Diese basiert unter anderem auf:

  • der Leuchtdichtenverteilung (9.1.2) und
  • der Beleuchtungsgüte.

Bild 9.1 Spektrale Hellempfindlichkeitsfunktionen des menschlichen Auges in Abhängigkeit der Wellenlänge [SLG]:
– V(λ) helladaptiertes Auge (Tagessehen)
– V'(λ) dunkeladaptiertes Auge (Nachtsehen)

Für Arbeitsräume heisst Beleuchtungsgüte, Lichtverhältnisse zu schaffen, wie sie tagsüber im Freien anzutreffen sind. Hierfür ist der menschliche Sehsinn optimiert. Folgende Gütemerkmale gelten für die Beleuchtung von Arbeitsräumen (etwa in der Reihenfolge ihrer Bedeutung):

  • Schutz vor störendem Glanz und Reflexblendung
  • Schutz vor Direktblendung
  • angemessene Beleuchtungsstärke
  • stabiles Licht (flickerfrei)
  • harmonische Leuchtdichteverteilung
  • natürliche Schattigkeit
  • geeignete Lichtfarbe
  • befriedigende Farbwiedergabe
  • zirkadiane Lichtverhältnisse (biologischer Rhythmus)

Wenn diese Kriterien bei der Planung von Beleuchtungsanlagen berücksichtigt werden, findet der Lichtanwender befriedigende Lichtverhältnisse vor. Sie erlauben ihm, seine Arbeit schnell, sicher und fehlerfrei zu leisten. Er wird sich dann wohl fühlen und auch nicht vorzeitig und übermässig ermüden – ein Gewinn für jedes Unternehmen.

9.1.2 Fotometrische Grössen

Die Messung lichttechnischer Grössen bezeichnet man als Fotometrie (Bild 9.2, siehe auch Lichttechnische Grundbegriffe [Zür]).

Bild 9.2 Fotometrische Grössen

Lichtstrom

Der Lichtstrom ist ein Mass für die von einer Lichtquelle abgegebene Strahlungsleistung (bewertet mit der Hellempfindlichkeit V(λ)):

– Symbol: Φ (Phi)
– Einheit: Lumen (lm)

 

Lichtströme gebräuchlicher Lichtquellen:

LED 50 W 6’000 lm
Leuchtstofflampe 49 W 4’950 lm
Halogen-Metalldampflampe 70 W 6’900 lm
Natriumdampf-Hochdrucklampel 150 W 17’500 lm

 

Die Lichtausbeute in Lumen pro Watt (lm/W) dient als Mass für den Wirkungsgrad einer Lichtquelle. Sie gibt an, wie viel Lichtstrom die Lichtquelle aus 1 Watt zugeführter elektrischer Leistung erzeugt. Das fotometrische Strahlungsäquivalent für Tagessehen ist die theoretisch grösstmögliche Lichtausbeute. Sie beträgt 683 lm/W. Dazu müsste die gesamte zugeführte elektrische Energie in Strahlung der Wellenlänge 555 nm umgewandelt werden. Das Licht einer solchen Lichtquelle wäre dann einfarbig gelbgrün (monochromatisch), für allgemeine Beleuchtungszwecke also unbrauchbar. Bei dem üblichen, aus vielen Wellenlängen zusammengesetzten, weissen Licht liegt die theoretische Maximallichtausbeute bei etwa 240 lm/W.

Lichtstärke

Die Lichtstärke gibt an, welcher Lichtstrom in eine bestimmte Richtung ausgestrahlt wird (pro Raumwinkeleinheit):

– Symbol: I
– Einheit: Candela (cd)

 

Es gilt die Einheitengleichung cd = lm/sr (ein Raumwinkel von 1 sr entspricht einer Fläche von 1 m2 auf einer Kugel mit Radius 1 m)

Die Lichtstärkeverteilungskurve (LVK) ist die grafische Darstellung der einzelnen Lichtstärken einer Lampe oder Leuchte in verschiedenen Richtungen. Man verwendet hierzu meist eine Polarkoordinaten-Darstellung (Bild 9.3). Bei Spots wird häufig anstelle einer LVK der Ausstrahlungswinkel angegeben. Er be­schreibt den Lichtkegel, an dessen Rand die Lichtstärke 50 % des Maximalwertes beträgt (Bild 9.4).

Bild 9.3 Ermittlung einer Lichtstärkeverteilungskurve

Bild 9.4 Ausstrahlungswinkel

Beleuchtungsstärke

Die Beleuchtungsstärke gibt an, welcher Lichtstrom auf einer Fläche auftrifft:

– Symbol: E
– Einheit: Lux (lx)

 

Es gilt die Einheitengleichung lx = lm/m2

Die Beleuchtungsstärke auf horizontalen Büroarbeitsflächen beträgt üblicherweise 300 bis 1000 lx (Nenn­beleuchtungsstärke).

Die Beleuchtungsstärke ist kein direktes Mass für den Helligkeitseindruck, da die Reflexion nicht berücksichtigt wird. Die Hauptbeleuchtungsnorm für Innenräume [EN 12464-1] gibt den Wartungswert der Beleuchtungsstärke vor. Dies ist der Mittelwert auf der Arbeitsebene unter Berücksichtigung einer mittleren Alterung und Verschmutzung der Anlage. Der Anlagenneuwert liegt dementsprechend höher (Wartungsfaktor). Die Beleuchtungsstärkeverteilung im Raum hilft, die zu erwartende Beleuchtungsharmonie zu beurteilen. Dabei sollte eine logarithmische Abstufung gewählt werden, da dies der Empfindung des Auges nahe kommt.

Leuchtdichte

Die Leuchtdichte ist die Lichtstärke je Flächeneinheit:

– Symbol: L
– Einheit: Candela pro m2 (cd/m2)

 

Die massgebende Fläche ist die Projektion der strahlenden Fläche in Richtung des Beobachters. Diese Fläche kann eine Lichtquelle oder eine reflektierende Fläche sein. Die Leuchtdichte beschreibt den Helligkeitseindruck. Sie ist deshalb das wichtigste Mass in der Lichttechnik. Die Leuchtdichte ist proportional zur Beleuchtungsstärke, wenn die beleuchtete Fläche vollständig diffus reflektiert. Bei gerichteter Reflexion hängt die Leuchtdichte vom Reflexionsgrad der beleuchteten Fläche ab, von Form und Grösse der Lichtquelle sowie von der Lichteinfallsrichtung und der Beobachtungsrichtung. Die Adaptationsleuchtdichte ist diejenige Leuchtdichte, an die sich das Auge anpasst. Im Allgemeinen ist dies die mittlere Leuchtdichte im Gesichtsfeld des Beobachters.

9.1.3 Verhalten beleuchteter Körper

Reflexion

Es gibt zwei Grundarten der Reflexion:

  • Vollständig gestreute (diffuse) Reflexion. Das auftreffende Licht wird unabhängig von der Einfallsrichtung in alle Richtungen reflektiert. Beispiele sind Schreib- und Zeichenpapier, Gipsplatten, raue Textilien.
  • Vollständig gerichtete oder spiegelnde Reflexion. Beispiele sind Spiegel, Glas und polierte Metallteile.

Die meisten Oberflächen liegen zwischen diesen beiden Extremen, z.B. lackierte Flächen, Glanzpapier, Kunststoffe. Der Reflexionsgrad ρ ist der Anteil des auftreffenden Lichtes, den die Fläche reflektiert (Bild 9.5).

Absorption, Transmission

Der Transmissionsgrad τ ist der Anteil des auftreffenden Lichtes, welcher durchgelassen wird. Sein Wert liegt zwischen 0 und 1. Das auf einen Körper fallende oder diesen durchdringende Licht wird je nach Absorptionsgrad α ganz oder teilweise absorbiert und in Wärme umgesetzt. Die Summe von Absorptionsgrad, Transmissionsgrad und Reflexionsgrad ergibt stets 1.

Farbe/Material

ρ

weiss

0,7–0,85

steingrau

0,4–0,5

schwarz

0,03–0,09

creme, hellgelb

0,5–0,75

Marmor, weiss

0,6–0,7

Holz, hell

0,3–0,5

Holz, dunkel

0,1–0,25

Bild 9.5 Reflexionsgrade von Farben und Materialien [Ris]

9.1.4 Lichtfarbe und Farbwiedergabe

Die Lichtfarbe beschreibt den «Wärmeeindruck» von weissem Licht. Als Mass dafür dient die Farbtemperatur. Die Farbtemperatur gibt an, wie hoch ein schwarzer Körper erhitzt werden müsste, damit er die gleiche Lichtfarbe hat wie das Licht einer so gekennzeichneten Lichtquelle. Für den praktischen Gebrauch unterteilt man die «weissen» Lichtfarben in 3 Gruppen:

  • warmweiss (ww, bis 3300 K)
  • neutralweiss (nw, um 4000 K)
  • tageslichtweiss (tw, ab 5000 K)

Farbige Lichtquellen (grün, blau etc.) können nicht durch eine Farbtemperatur charakterisiert werden. Solche Lichtquellen werden durch ihre spektrale Energieverteilung gekennzeichnet oder durch ihre Koordinaten im CIE-Normfarbsystem [CIE 15].

Der allgemeine Farbwiedergabeindex einer Lichtquelle ist ein Mass für die Qualität der Wiedergabe von Objektfarben im Vergleich zu einem Temperaturstrahler ähnlichster Farbtemperatur. Der allgemeine Farbwiedergabeindex Ra wird auch als Color Rendering Index (CRI) bezeichnet. Die Farbwiedergabe-Eigenschaften werden in Stufen eingeteilt (Bild 9.6). Glühlampen und Tageslicht weisen den Maximalwert Ra = 100 auf, obwohl die Farbtemperaturen beider Lichtquellen weit auseinanderliegen und deshalb Objektfarben unter diesen Lichtquellen sehr unterschiedlich aussehen. Für die subjektive Bewertung der Farbwiedergabe ist der Farbwiedergabeindex weniger geeignet. In der Regel empfindet man die Farbwiedergabe bei warmweisser Lichtfarbe angenehmer als bei neutral- oder gar tageslichtweissem Licht, selbst wenn der Farbwiedergabeindex schlechter ist.

Ein neues System für die Einstufung der Farbwiedergabequalität wurde 2015 von der Illumination Engineering Society of America (IES) entwickelt (Technical Memorandum TM30-15). Diese Systematik ist (noch) nicht im europäischen Normsystem verankert.

Ra

Anwendungsgebiet

90–100

Farbkontrolle, Museum

80–89

Speiseräume, Büro

70–79

Verkauf

60–69

Instandhaltung

40–59

Korridore, Parkgarage

20–39

Strassen

Bild 9.6 Allgemeiner Farbwiedergabeindex Ra und sinnvolle Anwendungsgebiete [SLG]

9.1.5 Sehen

Licht ist unser wichtigster Informationsträger: Mehr als 80 % aller Sinneseindrücke werden über das Auge wahrgenommen. Der Mensch benötigt Licht nicht nur zum Sehen, sondern auch zur körperlichen Aktivierung. Gutes Licht hebt das Wohlbefinden und baut Stress ab. Deshalb wächst mit gutem Licht auch die Toleranz gegenüber Störungen aus der Umwelt (z.B. Lärm, Klima und Hektik).

Auge

Die Hornhaut schliesst das Auge nach aussen ab. Sie bewirkt durch ihre Krümmung den grössten Teil der Brechkraft, mit welcher auf der Netzhaut ein Bild der Umwelt erzeugt wird. Die Regenbogenhaut (Iris) bildet die Pupille, deren Durchmesser sich in Abhängigkeit vom Lichteinfall von etwa 2 mm bis 8 mm ändern kann. Dies entspricht einer Variation der Lichteintrittsfläche von 1:16. Die Linse ergänzt die Brechkraft der Hornhaut. Der Ciliarmuskel, der sie hält, kann ihre Krümmung und damit die Brechkraft verändern und somit der jeweiligen Sehdistanz anpassen (Akkommodation). Mit zunehmendem Lebensalter verhärtet sich die Linse, sodass die Entfernungsanpassung schwerer fällt (Altersweitsichtigkeit). Mit hohen Beleuchtungsstärken lässt sich dieser Mangel z.T. kompensieren, weil die dann verminderte Pupillenöffnung die Schärfentiefe vergrössert (ähnlich wie beim Fotoapparat bei reduzierter Blendenöffnung).

Die Netzhaut (Retina) enthält die lichtempfindlichen Empfänger: Zapfen und Stäbchen. Die Zapfen sind farbentüchtig und nur bei hohen Leuchtdichten (ab etwa 30cd/m2) wirksam. Jeder Zapfen ist durch eine individuelle Nervenfaser mit dem Sehzentrum im Gehirn verbunden, so dass beim Zapfensehen die grösste Informationsvielfalt aufgenommen werden kann. In der Sehgrube (Fovea Centralis) befinden sich ausschliesslich Zapfen, sehr dicht zusammengefasst. Dies ist deshalb der Ort der grössten Sehschärfe und der besten Farbwahrnehmung. Gegen den Netzhautrand hin nimmt die Zapfenkonzentration stark ab und damit auch die Sehschärfe und das Farbunterscheidungsvermögen. Mit den Stäbchen sehen wir bei schlechten Lichtverhältnissen und bei Nacht. Die Sehschärfe ist viel geringer als beim Zapfensehen. Stäbchen sind nur hell-dunkel-empfindlich, Farberkennung ist nicht möglich.

Die Adaptation ist die Fähigkeit des Auges, sich an sehr unterschiedliche Leuchtdichteniveaus anzupassen. Deshalb kann man sowohl in einer Neumondnacht als auch bei strahlendem Sonnenschein sehen. Diese Spanne entspricht einem Leuchtdichteverhältnis von ca. 1:100 Milliarden. Die Adaptation erfolgt sowohl durch Änderung des Pupillendurchmessers als auch durch Änderung der Netzhautempfindlichkeit durch chemische Vorgänge. Während des Adaptationsvorganges sind die Sehfunktionen herabgesetzt. Dies kann jedoch bei Leuchtdichteverhältnissen unterhalb von 3:1 bis 5:1 im Allgemeinen vernachlässigt werden, weil sich das Auge dann innerhalb von Millisekunden anpasst. Deshalb sollten in Arbeitsräumen die Leuchtdichteverhältnisse im Hauptblickfeld diese Werte möglichst nicht überschreiten.

Die Sehschärfe beschreibt die Fähigkeit des Auges, zwei eng benachbarte Linien oder Punkte getrennt wahrzunehmen. Die Sehschärfe steigt mit wachsendem Beleuchtungsniveau. Ihren Maximalwert erreicht sie erst bei Beleuchtungsstärken wie tags­über im Freien (mehrere Tausend Lux). Die Sehschärfe ist auch vom Kontrast des Sehobjektes abhängig: Je mehr sich das Sehobjekt vom Hintergrund abhebt, desto schärfer wird es gesehen. Bei gleichem Kontrast und gleichen Leuchtdichten erscheint helle Schrift auf dunklem Untergrund grösser und besser lesbar als dunkle Schrift auf hellem Grund.

Kontrast

Entsprechend der Fähigkeit unseres Auges, Helligkeits- und Farbunterschiede wahrzunehmen, unterscheidet man zwei Arten von Kontrasten; den Leuchtdichte-(Helligkeits-)Kontrast und den Farbkontrast. Der Leuchtdichte-Kontrast beschreibt den Leuchtdichte-Unterschied zwischen einem Sehobjekt und seiner unmittelbaren Umgebung bzw. seinem Hintergrund. Die gebräuchlichste Definition ist:

LO Leuchtdichte des Objektes in cd/m2
LU Leuchtdichte der unmittelbaren Umgebung in cd/m2

Der Leuchtdichte-Kontrast kann positiv und negativ sein. Schwarze Druckschrift auf weissem Papier hat einen Negativkontrast.

Farbkontraste ermöglichen das Erkennen eines Sehobjektes auch dann, wenn kein Leuchtdichte-Unterschied besteht. Deshalb ist es oft zweckmässig, Sehobjekte auch farblich von ihrer Umgebung abzuheben. Dabei ist aber zu beachten, dass das Auge für blaues Licht kurzsichtiger ist, so dass es blaue Sehobjekte nicht so scharf sieht wie z.B. gelbe und grüne. Blau ist deshalb eine gute Hintergrundfarbe.

Blendung

Man unterscheidet zwei Arten, die physiologische Blendung und die psychologische Blendung. Die Blendempfindlichkeit steigt mit zunehmendem Alter, weil sich der Glaskörper durch Verunreinigungen trübt und deshalb mehr Streulicht entsteht. Die physiologische Blendung tritt auf, wenn die Leuchtdichte-Unterschiede im Gesichtsfeld zu gross werden. Die Blendlichtquelle erzeugt dann im Glaskörper des Auges Streulicht, das sich wie ein Schleier auf die Netzhaut legt. Typisches Beispiel: Wenn bei Nacht auf unbeleuchteter Strasse ein Auto mit aufgeblendeten Scheinwerfern entgegenkommt, kann man unmittelbar daneben kaum noch etwas erkennen. Im Innenraum kann physiologische Blendung z.B. dann auftreten, wenn ein Bildschirm vor einem Fenster aufgestellt wird [SUVA]. Empfindet man Blendlichtquellen als störend, ohne dass die Sehleistung beeinträchtigt wird, spricht man von psychologischer oder Unbehaglichkeitsblendung. Sie stört das allgemeine Wohlbefinden, lenkt ab und führt zu rascherer Ermüdung.