Da das Erstellen, Betreiben und Unterhalten eines Bauwerkes einen Eingriff in unsere Umwelt – primär Atmosphäre und Lithosphäre – bedeutet, ist u. a. eine umfassende Beschreibung/Erfassung des klimatischen Umfeldes eines Gebäudes im Hinblick auf «klimagerechtes» Bauen eine unabdingbare Forderung. Das «baurelevante» Wetter, das mit seinen tages- und jahreszeitlichen Veränderungen das Verhalten eines Bauwerkes wesentlich beeinflusst, spielt sich einerseits hauptsächlich in der Troposphäre (Luft), der untersten, etwa 10 km dicken Luftschicht, und andererseits in den obersten Schichten der Lithosphäre, der sog. Pedosphäre (« Erdreich ») ab.
1.1.1 Sonne/Atmosphäre
Sonneneinstrahlung/Tageslicht
Die Sonne kann als eigentliche Triebfeder unseres Wettergeschehens betrachtet werden. Zusammen mit Bewölkung/Nebel bestimmt der Sonnenstand die von der Sonne momentan eingestrahlte Leistung und das zur Verfügung stehende Tageslicht. Die Sonnenwärme gelangt nur z. T. als direkte Sonnenstrahlung (IB) – entsprechend dem Sonnenstand – zur Erdoberfläche. Je nach Witterung durchdringt ein beachtlicher Teil der einfallenden Sonnenenergie die Atmosphäre als diffuse Strahlung (ID). Diese beiden Einstrahlungen zusammen ergeben die sog. Globalstrahlung (IG = IB + ID).
Umfangreiches Datenmaterial zur Sonnenenergienutzung – aufgearbeitet auf der Basis langjähriger Messreihen des nationalen Wetterdienstes (MeteoSchweiz) – steht heute in Form eines Nachschlagewerks mit PC-Programm zur interaktiven Berechnung von Solardaten für einen beliebigen Standort zur Verfügung (METEONORM, [1.18]).
1.1.2 Troposphäre (erdnahe Luftschichten)
Der momentane Zustand dieses Teils der Lufthülle wird im Wesentlichen durch die Wetterelemente – Lufttemperatur, Luftfeuchte, Niederschlag, Luftdruck, Wind, Bewölkung und Nebel – beschrieben. Die Mittelwerte lokaler Wetterelemente über eine längere Zeitperiode und deren charakteristische Abweichungen von diesen Mittelwerten beschreiben das sogenannte Klima. Aufgrund derartiger, langjähriger Beobachtungen lässt sich die Schweiz grob in 12 verschiedene Klimaregionen aufteilen (vgl. Abb. 1.7).
Das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) in Zürich hat in den letzten Jahrzehnten ein automatisches Wetterbeobachtungsnetz (ANETZ, heute SwissMetNet [1.2]) aufgebaut, bei dem an ca. 72 Standorten in der Schweiz alle 10 min. die wichtigsten meteorologischen Grössen gemessen, an MeteoSchweiz übermittelt und dort zu Klimadaten verarbeitet werden [1.2]. Es stehen deshalb heute relativ rasch aktuelle Klimawerte zur Verfügung. Seit 2005 werden die verschiedenen nationalen Messnetze der Schweiz unter der Bezeichnung SwissMetNet durch MeteoSchweiz modernisiert, zusammengeführt und die Anzahl Messstationen erweitert. Die Daten werden in einer zentralen Datenbank erfasst und aufbereitet.
Im Folgenden werden – hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt des Wärme- und Feuchteschutzes – die wichtigsten Klimaelemente vorgestellt: Lufttemperatur, Feuchte, Wind und Sonneneinstrahlung.
Luft als Gasgemisch
Mit ca. 99,99 % stellen die Gase Stickstoff, Sauerstoff, Argon und Kohlendioxid den Hauptanteil in diesem Gemisch von Gasen. Neben diesen permanenten Anteilen enthält die Luft, abgesehen von Verunreinigungen, noch Wasserdampf in wechselnden Mengen (0 bis ca. 3 Gew.-% bzw. 0 bis ca. 4 Vol.-%).
Lufttemperatur
Je nach Problemstellung werden verschiedene Bemessungs-/Auslegungstemperaturen aus den durch das SwissMetNet erfassten Meteodaten errechnet [1.2], z. B.:
- θmin: massgebende Wintertemperatur für Oberflächenkondensatfreiheit (→SIA-Norm 180 [1.6])
- θh: Auslegungstemperatur Berechnung Heizleistungsbedarf, Nachweis Behaglichkeit (→ SIA-Norm 384/[1.43], SIA-Norm 180 [1.6])
- θMonat: Monatsmitteltemperatur für Energieverbrauchsberechnung (→ SIA-Merkblatt 2028 [1.38]); Auslegetemperatur Schimmelpilzfreiheit, Feuchteanreicherung in Konstruktionen, Luftaustausch und kritische Feuchte (→ SIA-Norm 180 [1.6])
Für eine Auswahl von Klimastationen des SwissMetNet sind die entsprechenden Angaben mit Erlaubnis des SIA im Anhang 9.15 zusammengetragen: Basel-Binningen, Bern-Liebefeld, Davos, Genève-Cointrin, Lugano, Zermatt, Zürich-Kloten.
Bis etwa 10 km Höhe nimmt die Lufttemperatur mit zunehmender Höhe im Mittel ca. (0,55–0,65) K je 100 m ab. In den Tälern zeigt die Alpensüdseite ca. 2 K höhere Werte als die Nordseite.
Luftfeuchtigkeit
Die Aussenluft enthält in Abhängigkeit von Jahreszeit, Tageszeit und Wetterlage einen gewissen Anteil an Wasserdampf, der, verglichen mit dem maximal möglichen Wasserdampfgehalt der Luft, als relative Feuchtigkeit (vgl. Kap. 3.3) angegeben wird. (Zusammen mit der Aussenlufttemperatur ist sie das wichtigste Klimaelement zur Beurteilung von Kondensationsvorgängen!).
Im Gegensatz zur absoluten Luftfeuchtigkeit (dargestellt durch die Wasserdampfdichte bzw. den Wasserdampfdruck) zeigt die relative Luftfeuchtigkeit in Anlehnung an den Tagestemperaturverlauf ein ausgeprägt periodisches Verhalten [1.3] (vgl. Abb. 1.9). Im Mittelland schwanken die monatlichen relativen Feuchtemittelwerte zwischen ca. 85 % (Winter) und 70 % (Sommer); vgl. Abb. 1.10.
Niederschläge
Die Niederschläge fallen in erster Linie in Form von Regen, Schnee und/oder Hagel an. Sie zeigen im schweizerischen Mittelland ein stark ausgeprägtes Sommermaximum (vgl. Abb. 1.11), wobei einerseits eine Zunahme der monatlichen Niederschlagsmenge von Bern nach Zürich und andererseits eine Abnahme von Zürich Richtung Ostschweiz festzustellen ist. In Bezug auf den Schneeanteil sind die Unterschiede für Standorte im Mittelland mit einer mittleren Meereshöhe von 500 m hingegen nicht sehr gross; vgl. Tab. 1.2.
Luftdruck
Der atmosphärische Luftdruck (Barometerstand) nimmt mit zunehmender Höhe ab; im Mittel kann bei einer Höhe von 500 m über Meer mit einem Druck von 95’000 Pa, bei 1000 m Meereshöhe mit 89’900 Pa gerechnet werden [1.10]. In erster Näherung darf angenommen werden, dass der Luftdruck jeweils bei einer Höhenzunahme von 400 m um 5 % abfällt. Er spielt bauphysikalisch eher eine untergeordnete Rolle, da dessen Schwankungen verglichen mit dem den natürlichen Luftwechsel stark beeinflussenden Winddruck relativ langsam ablaufen.
Wind
Starke Winde beeinflussen unter anderem auch die Fallrichtung der Regentropfen (Schlagregen) und erhöhen die Wärmeverluste durch Abkühlung der Fassaden / Dächer. Winde lassen sich durch zwei Parameter charakterisieren: Windgeschwindigkeit und Windrichtung, die örtlichen, tages- und jahreszeitlichen Schwankungen unterliegen (vgl. Abb. 1.12).
Folgende Windlagen sind für den schweizerischen Alpenraum typisch:
- Südföhn im Urner Reusstal und im Chur Rheintal (> hohe Boenspitzen in den Tälern, mild und trocken auf Alpennordseite)
- Westwind vom Jura ins Mittelland (> wechselhaftes Wetter)
- Bise vom Bodensee bis zum Genfersee (> Hochnebel in der kalten Jahreszeit)
- Nordföhn vom Jura über Mittelland ins Tessin (> Staulage auf Alpennordseite)
Luftschadstoffe/Treibhausgase
Als Folge menschlicher Aktivitäten, insbesondere durch den stark angestiegenen Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe, sind in den letzten Jahrzehnten – speziell in dicht besiedelten Gebieten – die Konzentrationen einiger «Spurengase» extrem stark angestiegen, sodass die ursprüngliche «Gleichgewichtszusammensetzung» der Luft nicht mehr gewährleistet ist und unter Umständen mit einschneidenden Klimaveränderungen gerechnet werden muss (→Treibhauseffekt und mögliche Folgen). In Ballungsgebieten entfallen bis zu 90 % der Luftschadstoffe auf zivilisatorische Aktivitäten, wobei der Motorfahrzeugverkehr, die Feuerungsanlagen und Industrie/Gewerbe als Hauptquellen zu nennen sind.
Im Winter, d. h. in der Heizsaison, kann es in Zeiten schlechter Luftdurchspülung (namentlich bei Hochdrucklagen) in Ballungsgebieten zu starken Luftbelastungen durch Feuerungsabgase kommen. Dieser sog. Wintersmog wird verursacht durch die « sauren Gase » Schwefeldioxid und Stickoxide sowie durch Rauch/Staub und kann, je nach herrschenden Witterungsverhältnissen, über Tage andauern (bei der Verbrennung von 1 kg Heizöl extraleicht entstehen durchschnittlich folgende Schadstoffmengen (Low-NOx-Brenner): 1 g Stickstoffoxide, 2–5 g Schwefeldioxid, 1–2 g Kohlenmonoxid, 2500 g Kohlendioxid, 0,2–0,4 g VOC, 0,02–0,1 g Staub und Russ). Dank dem Übergang zu schwefelarmen Brennstoffen sowie effizienterer Verbrennung – unter anderem als Folge der Luftreinhalteverordnung (LRV) [1.14] – bleiben die SO2-Belastungen in der Schweiz inzwischen auch bei kalten Witterungsbedingungen unter den Grenzwerten der LRV.
Neben dem Wasserdampf (H2O) als wichtigstes natürliches Treibhausgas, erscheint CO2 bei den sog. anthropogenen, d. h. den durch menschliche Aktivitäten beeinflussten Treibhausgasen, zuoberst auf der Liste (Treibhauseffekt siehe z. B. [1.11,1.12]).
1.1.3 Pedosphäre (Erdreich)
Der Verlauf der Erdreichtemperaturen spielt eine entscheidende Rolle bei der thermisch-hygrischen Beurteilung von Bauteilen/Nutzungszonen im Erdreich. Der Temperaturverlauf in 3 m Tiefe (Lage Bodenplatte bei einstöckiger Unterkellerung) zeigt eine 2–3 monatige Verzögerung gegenüber der Aussenlufttemperatur, d. h., auf dieser Tiefe wird die Minimaltemperatur erst in den Monaten März/April erreicht.
Die Temperatur im ungestörten Erdreich in der Tiefe x, zur Zeit t, für eine eingeschwungene periodische Störung an der Oberfläche, lässt sich wie folgt errechnen:
Die Eindringtiefe xE, d. h. die Tiefe, in der die Temperaturschwankungen auf ca. 1 % des Amplitudenwertes Δθs abgeklungen sind, beträgt:
1.1.4 Bauphysikalisch wichtige Wetterzustände
Den folgenden Kombinationen von Wetterelementen kommt eine besondere Bedeutung zu:
- tiefe Lufttemperaturen und hohe Windgeschwindigkeiten (Winterzustand/Heizlastberechnungen)
- hohe Lufttemperaturen und starke Sonneneinstrahlung (Sommerzustand/Kühllastberechnungen)
- starke Regenfälle und hohe Windgeschwindigkeiten (Schlagregen)
- hohe Luftfeuchtigkeiten (Übergangszeiten/Feuchteschäden in kalten Pufferzonen)
1.1.5 Aussenlärm
Der Lärm gehört heute leider zum Teil immer noch zu den verharmlosten Belastungen des Menschen in einer motorisierten und ‹ maschinierten › Welt, da er nicht direkt ‹ energierelevant › ist. Lärm ist ein Produkt unserer Zivilisation, die Krux an der Sache ist, dass der Lärm meist von den ‹ andern › gemacht wird. Im Gegensatz zum Sehen können wir bei unerwünschten Gehörreizen nicht einfach ‹ weghören ›. Zur Beschreibung des Schallschutzes gegen Aussenlärm wird normalerweise die Differenz zwischen Innen- und Aussenschallpegel verwendet. Trotz Einhalten von normativen Vorgaben kommt es immer wieder vor, dass Nutzer sich durch Aussenlärm gestört fühlen. Offenbar unterscheiden sich Störgeräusche nicht nur in ihrer Lautstärke, sondern oft noch stärker im Toncharakter, Zeitverlauf usw. Meist ist in diesen Fällen u. a. eine detailliertere Analyse des Lärmspektrums der Quelle erforderlich: Bei welcher Tonhöhe (Frequenz) und welcher Schallstärke (Schalldruckpegel) tritt eine Belästigung auf? Im Folgenden werden die Schallspektren ausgewählter, charakteristischer Störgeräusche aufgezeigt.