Bei vorhandenem Strahlungsgewinn-Überschuss ist zu beachten, dass u. U. infolge Temperaturerhöhung im Rauminnern ein Teil des Gewinns nicht als heizwirksam angesehen werden kann (vgl. Abschnitt 6.2.1, Nutzbare Wärmegewinne Qug). Das Fenster ist bei der Energiebilanzierung deshalb immer zusammen mit dem ganzen Raum zu betrachten. Folgende Faktoren beeinflussen die Ausnutzung der Strahlungswärme positiv:

  • Speichermasse im Raum zur Aufnahme von Überschusswärme
  • Raumthermostatregelung oder Niedertemperaturheizsystem zur Anpassung der Heizabgabeleistung an den aktuellen Bedarf

Sonnenschutzeinrichtungen

Die Wirkung von Sonnenschutzeinrichtungen in Form von Senkrechtmarkisen, Rollläden, Jalousien und Lamellensystemen auf den solaren und visuellen Strahlungsdurchgang in Kombination mit einer Verglasung kann nach dem vereinfachten Verfahren in EN 13363-1 [2.36] ermittelt werden. Die Berechnung des Gesamtenergiedurchlassgrades gtot für Solarstrahlung und des Lichttransmissionsgrades τv,tot erfolgt in Abhängigkeit der Position der Sonnenschutzeinrichtung zur Verglasung und der Stellung des Behanges (geschlossen, Arbeitsstellung bei 45° oder vorgegebene Öffnungsfläche). Für die Berechnung sind detaillierte Kennwerte der Verglasung und der Sonnenschutzeinrichtung erforderlich.

In Anhang 9.14 sind die Anforderungen an den Sonnenschutz gemäss SIA 382/1 [2.39] sowie das vereinfachte Berechnungsverfahren nach EN 13363-1 [2.36] zur Bestimmung des totalen g-Wertes von Verglasungen in Kombination mit Sonnenschutzeinrichtungen angegeben.

Durch Strahlungseinflüsse und den täglichen Gang der Aussenlufttemperaturen sind Aussenbauteile ständigen Temperatur- und Wärmestromschwankungen unterworfen. Um die zeitlichen Temperaturschwankungen im Bauteil richtig erfassen zu können, sind die Effekte der Wärmespeicherung zu berücksichtigen. Jedes Material hat die Fähigkeit, Wärme aufzunehmen und zu speichern:

(2.47)

2.2.1 Homogene Baustoffe

Das Wärmespeichervermögen eines homogenen Baustoffes mit halbunendlicher Dicke kann durch den Wärmeeindringkoeffizienten b charakterisiert werden:

(2.48)

Berühren sich zwei halbunendliche Körper unterschiedlicher Temperatur (T1, T2), so stellt sich an der Kontaktfläche eine Temperatur T0 ein, die von dem Wärmeeindringkoeffizienten bj abhängt:

(2.49)

Die Temperaturleitfähigkeit a gibt das Mass für die Geschwindigkeit an, mit der sich eine Temperaturänderung im Material ausbreitet:

(2.50)

Die Eindringtiefe δ ist diejenige Tiefe in einem halbunendlichen Baustoff, bei der die Temperaturschwankung auf 1/e des Wertes der Oberflächentemperaturschwankung abgeklungen ist:

(2.51)

Definition der Eindringtiefe und Abnahme von Temperaturschwankungen
Abbildung 2.34: Definition der Eindringtiefe und Abnahme von Temperaturschwankungen

Die Eindringtiefe ist von der Periodenlänge T der Temperaturschwankung abhängig. Kurzzeitige Temperaturstörungen dringen somit weniger tief in den Baustoff ein als langzeitige.

Aufgrund der Wärmespeicherfähigkeit der Wandmaterialien treten äussere Temperaturschwankungen beim Durchgang durch die Wand an der inneren Oberfläche abgeschwächt (gedämpft) und zeitlich verzögert auf. Für den idealisierten Fall periodischer Schwankungen der Aussentemperatur (z. B. Tag- und Nachtgang mit Periodendauer T = 24 h) wird das Verhältnis zwischen den Amplituden der Aussenlufttemperatur und denjenigen der inneren Wandoberflächentemperatur als sog. Temperaturamplitudendämpfung υ definiert. Die Zeitverschiebung zwischen dem Auftreten der äusseren und inneren Temperaturextremalwerte (z. B. Maxima/Minima) wird als Phasenverschiebung η bezeichnet.

Periodischer Wärmedurchgang
Abbildung 2.35: Periodischer Wärmedurchgang

2.2.2 Mehrschichtige Bauteile

Der periodische Wärmedurchgang durch eine mehrschichtige Wand kann wie folgt dargestellt werden:

Temperaturverlauf in einer homogenen Aussenwand bei periodischer Wärmebelastung von aussen
Abbildung 2.36: Temperaturverlauf in einer homogenen Aussenwand bei periodischer Wärmebelastung von aussen (4h-Schritte; θi = θe ; Δqi = 0) [2.27]

(2.52)

Mit Hilfe der Matrizenrechnung [2.18, 2.29]

(2.53)

Einfluss von Masse und Schichtenfolge auf den Tagesgang der Wärmestromdichte an der Innenoberfläche
Abbildung 2.37: Einfluss von Masse und Schichtenfolge auf den Tagesgang der Wärmestromdichte an der Innenoberfläche (U ≈ 0,4 W/(m2 K); Südorientierung; θi ≈ 20 °C, θe ≈ 0 °C ± 2 °C; IS,max ≈ 700 W/m2)

Randbedingungen und Kennwerte für den periodischen Wärmedurchgang nach EN ISO 13786
Abbildung 2.38: Randbedingungen und Kennwerte für den periodischen Wärmedurchgang nach EN ISO 13786 [2.38]

Um instationäre Kennwerte bestimmen zu können, sind die Randbedingungen (RB) für die Oberflächen festzulegen. Folgende Kennwerte sind üblich (vgl. Abb. 2.38):

Instationäre Bauteilkennwerte typischer Aussenwandkonstruktionen
Abbildung 2.39: Instationäre Bauteilkennwerte typischer Aussenwandkonstruktionen (Definition inst. Kennwerte vgl. Abb. 2.38)

Wärmelasten aussen: (RB I und II)

  • Temperaturamplitudendämpfung υ
  • Phasenverschiebung η
  • dynamischer U-Wert UT

Wärmelasten innen: (RB III und IV)

  • Wärmespeichervermögen Y
  • speicherwirksame Masse M

oder wirksame Wärmekapazität κ

Für die Randbedingung I (vgl. Abb. 2.38) kann die maximale Wärmestromdichte als Überlagerung eines stationären mit einem instationären Anteil bestimmt werden:

(2.54)

Bei der Anwendung der Kennwerte υ, η und UT ist Vorsicht geboten, da sich die Werte nur auf den entsprechenden Bauteil selbst beziehen und an bestimmte Randbedingungen gebunden sind, die in Wirklichkeit meist nicht genau erfüllt sind. Dennoch sind diese Werte ein wertvolles Hilfsmittel zur qualitativen Beurteilung des instationären Verhaltens eines Bauteils (vgl. [2.20]).

Die Annahme einer konstanten Innentemperatur (Fall I) entspricht am ehesten einem klimatisierten Gebäude oder einer Bauweise mit massivem Innenausbau.

Wird konstanter Wärmestrom (Fall II) im Innern vorausgesetzt, so handelt es sich eher um ein Gebäude mit konstanter Heizung/Kühlung oder um eine Bauweise mit vernachlässigbaren Innenmassen (leichter Innenausbau).

Die Randbedingungen III und IV werden zur Beurteilung des Wärmeaufnahmevermögens bei einer raumseitigen Temperaturschwankung infolge Wärmelasten im Raum (z. B. Personenabwärme, Beleuchtung, durch Fensterflächen eingestrahlte Sonnenenergie usw.) verwendet.

Speicherwirksame Masse verschiedener Wandkonstruktionen
Abbildung 2.40: Speicherwirksame Masse verschiedener Wandkonstruktionen (Fall III)

Speicherwirksame Masse einer Betondecke, in Abhängigkeit des thermischen Widerstandes des Bodenbelages R
Abbildung 2.41: Speicherwirksame Masse einer Betondecke, in Abhängigkeit des thermischen Widerstandes des Bodenbelages R (Fall IV)

In den Abbildungen 2.40 und 2.41 sind die speicherwirksamen Massen verschiedener Wand- und Deckenkonstruktionen angegeben (vgl. SIA 382 [6.3]).