Wärmebrücken sind Stellen bzw. Bereiche der Gebäudehülle, wo lokal Veränderungen des Wärmeflusses und der Temperaturen gegenüber dem ebenen, eindimensionalen Fall auftreten. Es können folgende drei Situationen unterschieden werden:
- Materialbedingte Wärmebrücken liegen vor bei voller oder teilweiser Durchdringung der Gebäudehülle durch Baustoffe mit unterschiedlicher Wärmeleitfähigkeit, wie z. B. Fensterrahmen (vgl. Abb. 2.42).
- Geometriebedingte Wärmebrücken bei einem Wechsel in der Dicke eines Bauteiles oder bei unterschiedlichen Innen- und Aussenabmessungen, wie z. B. bei Wandecken (vgl. Abb. 2.43).
- Lokal unterschiedliche Randbedingungen, z. B. Wärmequellen bei Fussbodenheizungen (vgl. Abb. 2.44).

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U-Wert Uf = 1,66 |
W · (m2 · K)–1 |
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U-Wert Ug = 0,5 |
W · (m2 · K)–1 |
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Psi-Wert Ψg = 0,077 |
W · (m · K)–1 |
Wärmebrücken lassen sich nie ganz vermeiden, es gilt jedoch, deren Einfluss auf den Wärmedurchgang und die Oberflächentemperaturen möglichst gering zu halten. In der Planungsphase müssen deshalb kritische Stellen der Gebäudehülle erkannt und mit geeigneten Methoden untersucht werden. Als solche stehen zur Verfügung:
- Näherungsberechnungsverfahren
- Wärmebrückenkataloge [2.11]
- Numerische Rechenverfahren (finite Differenzen und finite Elemente-Methode)
- Labormessungen (Heizkastenmethode, Thermografieaufnahme)

2.3.1 Näherungsverfahren für ebene Konstruktionen
Der Wärmedurchgangswiderstand R einer inhomogenen, ebenen Konstruktion kann mit einem Näherungsverfahren abgeschätzt werden. Der Bauteil wird hierzu in vertikale Abschnitte und in horizontale Bauteilscheiben unterteilt, um einen oberen und einen unteren Grenzwert des Wärmedurchgangswiderstandes zu erhalten (vgl. [2.3]).

2.3.2 Numerische Methoden
Für die Untersuchung von Wärmebrücken werden 2- oder 3-dimensionale numerische Rechenmethoden (finite Differenzen- und finite Elementenverfahren) eingesetzt [2.21]. Die numerischen Verfahren erfordern eine Diskretisierung des betrachteten Objektes. Vom Untersuchungsgegenstand wird ein 2- oder 3-dimensionales Modell erstellt, das in der Regel ein rechtwinkliges Maschennetz verwendet. Für jeden Knotenpunkt bzw. jedes Maschenelement wird eine Wärmestrombilanz erstellt.

Das so entstehende Gleichungssystem wird entweder iterativ oder mittels einer Direktlösungsmethode gelöst. Der Umfang der Diskretisierung des Objektes ist so zu wählen, dass die Summe der Absolutwerte aller Wärmeströme, die in das Objekt einfliessen, eine Konvergenz erreicht. Gemäss EN ISO 10211 [2.22] darf sich bei einer Verdoppelung der Unterteilungen der berechnete Wärmestrom nicht um mehr als 1 % und der Temperaturfaktor fRsi nicht um mehr als 0,005 verändern. Wird das Gleichungssystem iterativ gelöst, so ist die Iteration so lange fortzuführen, bis eine genügend kleine Divergenz erreicht wird (< 0,1 %).

Der mit den numerischen Methoden berechnete Wärmestrom Φ aus einem Raum i oder einem Gebäude kann wie folgt dargestellt werden:

Wenn der Raum oder das Gebäude aus mehreren Teilbereichen zusammengesetzt sind (ebene Flächen, 2- und 3-dimensionale Ecken etc.), so wird der Li,j-Gesamtwert wie folgt berechnet:

Die Bedeutung der thermischen Leitwerte unter mehreren Temperaturrandbedingungen lässt sich mit Abbildung 2.47 veranschaulichen.
2.3.3 Isothermen, Temperaturfaktoren

Ist nach mehreren Iterationsschritten die geforderte Genauigkeit in den einzelnen Knotentemperaturen erreicht, so lassen sich im Bauteilausschnitt die sog. Isothermen (Linien konstanter Temperatur) einzeichnen. Aus dem errechneten Isothermenfeld lässt sich nachher der Weg des Wärmestromes einfach feststellen, da die einzelnen Wärmestromlinien die Isothermen immer senkrecht kreuzen.
Die Abbildungen 2.43 und 2.48 zeigen deutlich, dass Aussenecken aufgrund grosser äusserer Abkühlflächen stärker auskühlen, sodass die Eckentemperatur innen merklich unter die innere Oberflächentemperatur θsi im Regelquerschnitt fällt. Durch das « Einlegen » einer Zwischenisolationsschicht in die Backsteinwand steigt wohl die kritische Oberflächentemperatur in der Ecke von ≈ 9 °C auf 16 °C an (vgl. Abb. 2.48); der geometrische Wärmebrückeneffekt bleibt aber bestehen.

Die Wärmeübergangsbedingungen an den Innenoberflächen beeinflussen in starkem Masse die zu erwartenden, minimalen Oberflächentemperaturen. An Kanten und Ecken ist ein verminderter Strahlungsaustausch vorhanden. Die in Tabelle 2.17 angegebenen Werte können für den Strahlungswärmeübergangskoeffizienten verwendet werden.

Die lokale Oberflächentemperatur θsi am Ort x,y,z kann für zwei Temperatur-Randbedingungen wie folgt berechnet werden:

Liegen mehr als zwei Temperatur-Randbedingungen vor, so kann die Oberflächentemperatur wie folgt ermittelt werden:


In Abb. 2.50 sind die minimalen Oberflächentemperaturen θsi,min und die zugehörigen Temperaturfaktoren fRsi für typische Konstruktionen bei verschiedenen inneren Wärmeübergangskoeffizienten angegeben.

2.3.4 Linien- und Knotenzuschläge ⓘ
Die zusätzlich, infolge einer Wärmebrücke entstehenden Wärmeverluste lassen sich für praktische Anwendungen relativ einfach durch einen Linienzuschlag Ψ bzw. Knotenzuschlag χ erfassen.
Der thermische Gesamtleitwert Li,j lässt sich unter Verwendung dieser Zuschlagsfaktoren wie folgt ermitteln:

Die Wärmebrückenzuschläge werden damit wie folgt bestimmt:



2.3.5 Mittlerer U-Wert ⓘ
Für einzelne Bereiche oder die ganze Gebäudehülle kann ein mittlerer U-Wert bestimmt werden, sofern die Bauteile dem gleichen Temperaturgefälle ausgesetzt sind. Im mittleren U-Wert Um müssen alle Verlustfaktoren, d. h. alle vorhandenen Wärmebrücken (linien- oder punktförmige), enthalten sein.


2.3.6 Wärmeverluste ins Erdreich
Bei erdberührten Bauteilen liegen mehrdimensionale Wärmedurchgangsverhältnisse vor; die Aussenklimaeinflüsse werden durch die Erdschichten gedämpft und zeitlich verzögert [2.31]. Die Wärmeleiteigenschaften von Bodenmaterialien können in folgenden Bereichen liegen:

Wie aus dem Isothermenverlauf in Abbildung 2.53 hervorgeht, sind die Wärmeverluste im Perimeterbereich, d. h. entlang der Umschliessungsflächen des Gebäudes, am grössten. Wärmeschutzmassnahmen sollten deshalb vor allem für die Wände getroffen werden. Bei Bodenflächen sind die orts- bzw. objektspezifischen Randbedingungen in die Beurteilung einzubeziehen:
- Tiefe unter der Erdoberfläche
- Art des Bodenmaterials und der Feuchtebedingungen (wasserführende Schichten)
- Grösse der Gebäudegrundrissfläche
Bei der Anordnung von Wärmedämm-Massnahmen muss die Gefahr von Schäden infolge Eisbildung (Frosthebungen, Wasserleitungen) abgeklärt werden.
Für Wärmeflussberechnungen müssen die in Abbildung 2.53 angegebenen Erdreichabmessungen verwendet werden [2.23].

Die mittlere jährliche Wärmeverlustleistung eines beheizten Kellers kann gemäss EN ISO 13370 [2.23] wie folgt ermittelt werden:


Der thermische Leitwert setzt sich dabei aus einem Anteil Wand und einem Anteil Boden wie folgt zusammen:

Da es sich um eine 3-dimensionale Wärmedurchgangssituation handelt, muss die Grösse des Kellers berücksichtigt werden. Hierzu wird eine sog. « charakteristische Dimension » des Kellerbodens eingeführt:
Die thermischen Widerstände von Wand- und Bodenkonstruktion werden mit dem Konzept der «wirksamen Dicke» erfasst, d. h. einer wirksamen Erdschichtdicke mit der Wärmeleitfähigkeit des Erdreichs mit identischem thermischen Wärmedurchlasswiderstand. Die Definitionen der äquivalenten Dicken für Böden dʹFG und Wände dʹWG lauten wie folgt:

Der Wärmedurchgangskoeffizient der Boden- und Wandflächen lässt sich gemäss EN ISO 13370 [2.23] ermitteln:
- Bodenkonstruktionen:
Für gilt:
Für gilt:
- Wandkonstruktionen:
Für gilt:
Für gilt:
Der effektive Wärmedurchgangskoeffizient UG des Kellers gegenüber dem Aussenklima ist: