2.1 Eindimensionaler stationärer Wärmetransport

2.1.3 Wärmeübergang Baustoffoberfläche/Umgebung

Die Wärmestromdichte q von einer Oberfläche an ihre Umgebung (aussen oder innen) durch Konvektion und Strahlung kann mit Hilfe von Wärmeübergangskoeffizienten mit der Formel A2.1 bestimmt werden:

(A2.1)

Die beiden Wärmeübergangkoeffizienten Konvektion und Strahlung können zu einem kombinierten Wärmeübergangskoeffizienten h = hc + hr zusammengefasst werden. Die Formel zur Bestimmung der Wärmestromdichte einer Oberfläche zu seiner Umgebung vereinfacht sich durch die Verwendung der Umgebungstemperatur θn zur Formel A2.2:

(A2.2)

Die Umgebungstemperatur θn wird gemäss Formel A2.3 ermittelt und kann als eine Gewichtung der Luft- und Strahlungstemperatur betrachtet werden.

(A2.3)

Definition der Umgebungstemperatur aussen, der Aussentemperatur θe:

(A2.4)

 

 

Definition der Umgebungstemperatur innen, der Raumtemperatur θi:

(A2.5)

 

 

Die Verwendung eines kombinierten Wärmeübergangskoeffizienten h darf bei einfachen Temperatur- und Energieberechnungen erfolgen, wobei es dann zulässig ist anzunehmen, dass die Lufttemperatur und die Strahlungstemperatur nahezu gleich sind d.h. θa θr ,woraus folgt, dass θeθa,e bzw. θi ≈ θa,i ist.

Unter realen Bedingungen, insbesondere bei Messungen vor Ort oder im Labor, sollte jedoch immer eine detaillierte Ermittlung der Umgebungstemperatur stattfinden, um eine korrekte Bestimmung der Wärmestromdichte q zu erreichen. Die Wärmeübergangswiderstände Rse und Rsi sind in diesem Fall variable Grössen, ihre Werte können wesentlich von den Normwerten Rse = 0,04 (m2 . K)/W und Rsi = 0,13 (m2 . K)/W abweichen. Deren rechnerische Bestimmung kann näherungsweise gemäss EN ISO 6946 [2.1] mit den Formeln A2.6 und A2.7 erfolgen.

(A2.6)

(A2.7)

Abbildung A2.1 zeigt den berechneten Verlauf der kombinierten Wärmeübergangskoeffizienten aussen und innen an einer Backsteinwand, basierend auf gemessenen Temperaturen und Wetterdaten während einer Thermografiemessung im Winter 2010 (BFE-Projekt «Energetische Beurteilung von Gebäuden mit Thermografie und der Methode QualiThermo» [2.2]). Während der Wärmeübergangskoeffizient aussen he grosse Schwankungen von 8÷25 W/(m2 . K) infolge Windeinwirkungen aufweist, verbleibt der Wärmeübergangskoeffizient innen hi relativ konstant bei ca. 7,5 W/(m2 . K).

Wärmeübergangskoeffiziente an einer Aussenwand unter realen Klimabedingungen
Abbildung A2.1: Wärmeübergangskoeffiziente an einer Aussenwand unter realen Klimabedingungen

2.1.5 Wärmedurchgang und Temperaturverteilung

U-Werte von Fensterrahmen

Die Rahmen stellen beim Fenster im Vergleich zur Verglasung häufig noch eine thermische Schwachstelle dar. Die Hersteller begegnen diesem Umstand mit Produktentwicklungen und führen zusätzliche oder verbesserte Wärmedämmzonen in die Rahmenkonstruktion ein. Besonders bei Kunststoffprofilen und wärmegedämmten Metallprofilen wurden wesentliche Verbesserungen der thermischen Eigenschaften erreicht. Tabelle A2.1 gibt einen groben Überblick der Uf-Werte bei verschiedenen Rahmenmaterialien:

2.2 Wärmespeicherung

Kennwerte zur Wärmespeicherfähigkeit eines Bauteils

Die Wärmespeicherfähigkeit eines Bauteils wird bei den verschiedenen normierten Rechenverfahren je nach Problemstellung auf unterschiedliche Weise definiert. Bei der vereinfachten Monatsbilanzmethode SIA 380/1 [2.3] (Basisnorm EN ISO 13790 [2.4]) zur Ermittlung des Heizwärmebedarfs wird mit einer flächenspezifischen Wärmespeicherfähigkeit κi des Bauteils (ohne Berücksichtigung der Wärmeübergangswiderstände) die Raumspeicherfähigkeit pro Energiebezugsfläche C/AE in MJ/(m2 . K) bestimmt, um die mögliche Ausnutzung der Wärmegewinne zu ermitteln. Bei SIA 180 [2.5] wird beim sommerlichen Wärmeschutz mit einer flächenspezifischen Wärmespeicherfähigkeit κi des Bauteils (mit Berücksichtigung der Wärmeübergangswiderstände) die auf die Nettogeschossfläche des Raumes bezogene Wärmespeicherfähigkeit CR/ANGF in Wh/(m2 . K) ermittelt und als Kriterium bei den baulichen Anforderungen verwendet. Dies erlaubt eine grobe Abschätzung des Risikos einer Überwärmung des Raumes. Es gilt also zu beachten, dass bei der Definition der Wärmespeicherfähigkeit eines Bauteils drei verschiedene Fälle unterschieden werden müssen:

  • statische, flächenbezogene Wärmespeicherfähigkeit κstat bei einer einmaligen Anregung (Temperatursprung):
(A2.8)

  • dynamische, flächenbezogene Wärmespeicherfähigkeit κi bei einer periodischen Anregung (Periode T = 24h) beim Energienachweis nach SIA 380/1 ohne Berücksichtigung der Wärmeübergangswiderstände Rsi und Rse:
  • dynamische, flächenbezogene Wärmespeicherfähigkeit κi bei einer periodischen Anregung (Periode T = 24h) beim Nachweis zum sommerlichen Wärmeschutz (thermische Behaglichkeit) nach SIA 180 mit Berücksichtigung der Wärmeübergangswiderstände Rsi und Rse:

Bei der einmaligen Anregung tragen alle Bauteilschichten zur Wärmespeicherung bei, bei einer periodischen Anregung hingegen dringt die Temperaturwelle nur teilweise in das Bauteil ein, abhängig von der Periodendauer T und den Temperaturleitfähigkeiten a der Baustoffe. Es kann somit nicht die ganze Bauteilmasse aktiviert werden. Bei einer Tagesschwankung T = 24 h liegt – je nach Baustoff – die grösste speicherwirksame Dicke dT,max bei 5÷10 cm. Sie wird mit der Formel 2.9 berechnet:

(A2.9)

Zur Illustration der Grössenordnung der Unterschiede der drei verschiedenen Wärmespeicher-Kenngrössen eines Bauteils sind in Abbildung A2.2 die flächenbezogenen Wärmespeicherfähigkeiten einer homogenen Wandschicht mit einer Dicke von 20 cm für die Baustoffe Holz, Backstein und Beton dargestellt. Die Unterschiede sind besonders bei massiven Baustoffen wie Beton sehr gross. Es ist deshalb wichtig, in den jeweiligen Nachweisverfahren bei der Bestimmung der Wärmespeicherfähigkeit des Raumes – die Definitionen sind in 6.4.1 angegeben – die korrekten Kenngrössen zu verwenden.

Vergleich der drei flächenbezogenen Wärmespeicherfähigkeiten eines homogenen Bauteils aus Holz, Backstein und Beton und einer Schichtdicke von 20 cm
Abbildung A2.2: Vergleich der drei flächenbezogenen Wärmespeicherfähigkeiten eines homogenen Bauteils aus Holz, Backstein und Beton und einer Schichtdicke von 20 cm

In Abbildung A2.3 sind die thermischen Kenngrössen zu typischen Aussenwandkonstruktionen zusammengestellt.

Kenngrössen zum Wärmespeicherverhalten von typischen Aussenwandkonstruktionen
Abbildung A2.3: Kenngrössen zum Wärmespeicherverhalten von typischen Aussenwandkonstruktionen (in Ergänzung zu Abbildung 2.39).

2.3 Wärmebrücken

2.3.4 Linien- und Knotenzuschläge

Die zusätzlich infolge einer Wärmebrücke entstehenden Wärmeverluste lassen sich für praktische Anwendungen relativ einfach durch einen Linienzuschlag Ψ bzw. Knotenzuschlag χ erfassen.

Der thermische Gesamtleitwert Li,j zwischen Zone i und j lässt sich unter Verwendung dieser Zuschlagsfaktoren wie folgt mit einem detaillierten Berechnungsverfahren ermitteln (EN ISO 10211:2015 [2.7]):

(A2.10)

Die Wärmebrückenzuschläge werden damit wie folgt bestimmt:

(A2.11)
(A2.12)

Bei der Bestimmung der Werte von Ψ und χ muss angegeben werden, welche Abmessungen (innen oder aussen) verwendet werden, da die Werte von Ψ und χ bei bestimmten Wärmebrückentypen von dieser Wahl abhängen.

2.3.5 Mittlerer U-Wert

Für einzelne Bereiche oder die ganze Gebäudehülle kann ein mittlerer U-Wert bestimmt werden, sofern die Bauteile dem gleichen Temperaturgefälle ausgesetzt sind. Im mittleren U-Wert müssen alle Verlustfaktoren, d.h. alle vorhandenen Wärmebrücken (linien- und punktbezogen) enthalten sein.

(A2.13)

In Abbildung A2.4 ist die Verschlechterung der mittleren U-Werte Um einer Kaltdachkonstruktion durch die Holzsparren in Abhängigkeit der Dämmstärke und des Sparrenabstandes angegeben. Bei grossen Dämmstärken ist es vorteilhafter, die Wärmedämmung mehrlagig auszuführen, um die Verschlechterung in Grenzen zu halten.

Mittlere U-Werte Um bei Kaltdachkonstru-ktionen mit unterschiedlicher Wärmedämmschichtdicke und unterschiedlichem Sparrenabstand, berechnet mit2D-Wärmebrückenprogramm
Abbildung A2.4: Mittlere U-Werte Um bei Kaltdachkonstruktionen mit unterschiedlicher Wärmedämmschichtdicke und unterschiedlichem Sparrenabstand, berechnet mit 2D-Wärmebrückenprogramm (ersetzt Abbildung 2.52)

2.4 Literatur: Wärme

[2.1] Bauteile – Wärmedurchlasswiderstand und Wärmedurchgangskoeffizient – Berechnungsverfahren (Norm EN ISO 6946:2015)
[2.2] Energetische Beurteilung von Gebäuden mit Thermografie und der Methode QualiThermo, BFE-Projekt Nr. 102850, Schlussbericht 2011
[2.3] Thermische Energie im Hochbau (Norm SIA 380/1:2009)
[2.4] Energieeffizienz von Gebäuden – Berechnung des Energiebedarfs für Heizung und Kühlung (Norm ISO 13790:2008)
[2.5] Wärmeschutz, Feuchteschutz und Raumklima in Gebäuden (Norm SIA 180:2014)
[2.6] Wärmetechnisches Verhalten von Bauteilen – Dynamisch-thermische Kenngrössen – Berechnungsverfahren (Norm ISO 13786:2015)
[2.7] Wärmebrücken im Hochbau – Wärmeströme und Oberflächentemperaturen – Detaillierte Berechnungen (Norm EN ISO 10211:2015)