Neben der Kondensation von Wasserdampf an Bauteiloberflächen kommt der Frage, welcher Feuchte-/ Wassergehalt sich im Innern einer Baukonstruktion aufgrund herrschender Konzentrations- und Temperaturgradienten einstellen wird, eine zentrale Bedeutung zu. Da mineralische Stoffe (Baustoffe) Wasser meist nur an ihren äusseren oder inneren Oberflächen anlagern, ist die Wasseraufnahme vor allem bei Materialien, deren Oberfläche infolge Porosität im Verhältnis zum Feststoffvolumen gross ist, von entscheidender Bedeutung! Form, Art und Grösse der Poren beeinflussen die Wassereinlagerung und den Transport der Wasserdampfmoleküle (bauphysikalisch interessierender Porendurchmesserbereich ≈ 10–9 m bis 10–3 m ↔ « Durchmesser » eines Wassermoleküls ≈ 0,3 · 10–9 m, vgl. Abb. 3.1).

Übersicht über die für die Praxis relevanten Feuchtespeicher- und Feuchtetransportphänomene in porösen Baustoffen. Die von der relativen Luftfeuchte φ
Abbildung 3.8: Übersicht über die für die Praxis relevanten Feuchtespeicher- und Feuchtetransportphänomene in porösen Baustoffen. Die von der relativen Luftfeuchte φ (φ < 95 %) und vom Porenradius r (φ > 95 %) abhängige Sorptionsfeuchte u = f(φ,r) beeinflusst die gleichzeitig überlagert und thermisch gekoppelt auftretenden Diffusions- und Kapillartransportvorgänge.

Die in die Hohlräume poröser Stoffe eindringende Feuchtigkeit wird unter dem Einfluss verschiedener treibender Kräfte weiter transportiert. Dem Diffusionsstrom des Wasserdampfes, ausgelöst durch ein Partialdruckgefälle, steht der Transport des flüssigen Wassers durch Kapillarkräfte gegenüber. Freies, in grösseren Hohlräumen eingelagertes Wasser kann auch durch die Schwerkraft oder durch den Winddruck in Bewegung gesetzt werden. Eine klare Unterteilung in Dampf- und Flüssigkeitstransport ist aber strenggenommen aufgrund der Koexistenz von flüssiger und dampfförmiger Phase nicht möglich. In realen Baustoffen stellen Feuchteein- und verlagerungsprozesse sowie Phasenübergänge ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Transportarten dar.

Sorptionsisothermen ausgewählter Baustoffe: Verlauf der Baustofffeuchte als Funktion der Umgebungsfeuchte
Abbildung 3.9: Sorptionsisothermen ausgewählter Baustoffe: Verlauf der Baustofffeuchte als Funktion der Umgebungsfeuchte [3.5]

Entsprechend der Stoff- und Porenstruktur können Baumaterialien bei verschiedenen Temperaturen unterschiedliche Mengen Wasser aufnehmen (gilt für flüssiges wie für dampfförmiges Wasser). Befindet sich ein poröser Baustoff in Luft mit konstanter Temperatur und Feuchte, so stellt sich in seinen Hohlräumen eine hygroskopische Gleichgewichtsfeuchte ein. Die experimentell bestimmten «Sorptionsisothermen» stellen die Abhängigkeit dieser Gleichgewichtsfeuchte von Temperatur und Feuchte der Umgebungsluft dar.

Schematische Darstellung der Sorptionsstadien und der dabei auftretenden Transporteffekte in anorganischen, porösen Baustoffen bei zunehmender Befeuchtung
Abbildung 3.10: Schematische Darstellung der Sorptionsstadien und der dabei auftretenden Transporteffekte in anorganischen, porösen Baustoffen bei zunehmender Befeuchtung [3.4]

Bei der Feuchteaufnahme werden die grossen inneren Porenoberflächen bei niedriger Feuchte mit einer, später mit mehreren Wassermolekülschichten belegt. In diesem relativ trockenen Bereich unterliegt der eigentliche Wassertransport den Gesetzen der Dampfdiffusion. Bei noch höheren Feuchten werden Wasserinseln ausgebildet, und der Dampftransport wird durch die einsetzende Kapillarkondensation behindert und bei weiterer Feuchtezunahme durch leistungsstärkere Mechanismen wie Kapillarleitung abgelöst. Diese fortlaufende Wassereinlagerung kann anhand der Sorptionsstadien und der dabei auftretenden Transporteffekte in sechs Abschnitte unterteilt werden (vgl. Abb. 3.10).

Analyse einer für hygroskopische, poröse Baustoffe charakteristischen Sorptionsisotherme
Abbildung 3.11: Analyse einer für hygroskopische, poröse Baustoffe charakteristischen Sorptionsisotherme [3.5] (oberes Bild: Zusammenhang Stofffeuchte und Porenradien (nach dem Zylinderkapillarenmodell), unteres Bild: Temperatureinfluss und Bereiche gebundenes bzw. ungebundenes Wasser in den Poren; umax: maximale Wasseraufnahme (≙ Gesamtporosität), uf: maximale freie Wasseraufnahme (ohne Einwirkung äusserer Drücke bei Wassereinlagerung))

Zur Beschreibung der Speichervorgänge in den Poren der Baustoffe wird in neuerer Zeit das sog. «Feuchtepotenzial Φ» beigezogen [3.6, 3.7].

Im hygroskopischen Bereich ist Φ mit der relativen Luftfeuchte identisch. In diesem Bereich wird Φ durch die Sorptionsisotherme dargestellt. Bei Φ = 1 sind alle Mikroporen (Porenradius r < 10–7 m) mit Wasser gefüllt. Im überhygroskopischen Bereich (Φ > 1) mit Kapillar- und Makroporen (Porenradien r > 10–7 m) findet sich ungebundenes Wasser. Der Verlauf der Wasseraufnahmekurve kann nur experimentell durch Porositätsmessungen und kapillare Wasseraufnahme bestimmt werden. Aufgrund der Beziehung von Kelvin-Thomson ergibt sich für den Übergangsbereich folgende Beziehung zwischen Feuchtepotenzial Φ und Porenradius r:

Baustofffeuchte als Funktion des Feuchtepotenzials, zusammengesetzt aus Messungen der Baustoffeuchte
Abbildung 3.12: Baustofffeuchte als Funktion des Feuchtepotenzials, zusammengesetzt aus Messungen der Baustoffeuchte (→ Sorptionsisotherme (Feuchtegehalt = f (relative Luftfeuchte) für 0 % bis ca. 100 % r. F.)) und Messungen der Porosität und kapillaren Wasseraufnahme (→ Porengrössenverteilung Feuchtegehalt = f (Porenradius) für Porenradien von 10–7 m bis 10–3 m)

Systematische Typisierung der Speichereigenschaften anhand des Feuchtepotenzials Φ für nichthygroskopische und hygroskopische Baustoffe mit unterschiedlichen Porengrössen
Abbildung 3.13: Systematische Typisierung der Speichereigenschaften anhand des Feuchtepotenzials Φ für nichthygroskopische und hygroskopische Baustoffe mit unterschiedlichen Porengrössen [3.4].
Es zeigt sich, dass die meisten anorganischen Baustoffe gemischte Typen gemäss D und H darstellen. Organische Beschichtungen (Kunststoffe) verhalten sich hauptsächlich gemäss Typ E, wobei die obere Grenze für hydrophiles, die untere Bereichsgrenze für hydrophobes Material gilt. Beispiele von typischen Vertretern: A: Metalle, Gläser; B: Holzkohle, Molekularsieb; C: silikonisierte Grobkeramik; D: Grobkeramik (gering hygroskopisch); E: org. Polymere; F: Adsorbentien; G: Blähton; H: mineralische Baustoffe

(3.9)

Stofffeuchte ausgewählter Baustoffe in Abhängigkeit vom Feuchtepotenzial
Abbildung 3.14: Stofffeuchte ausgewählter Baustoffe in Abhängigkeit vom Feuchtepotenzial (umax: Sättigungsfeuchte (mit Druck); uf: max. freie Wasseraufnahme (ohne äussere Drücke); u100 bei φ = 100 % (obere Grenze Übergangsbereich); ukr: kritischer Wassergehalt, untere Grenze für kapillaren Wassertransport; u90 bei φ = 90 % (untere Grenze Übergangsbereich); u50 bei φ = 50 % (Beginn Kapillarkondensation)) [3.6]