1.2 Innenklima und Komfort

1.2.2 Thermo-hygrische Behaglichkeit

Die Anforderungen an ein behagliches Raumklima sind in den Normen EN ISO 7730:2005 [1.1], EN 15251:2007 [1.2] bzw. EN 16798-1:2015 [1.3] und SIA 180:2014 [1.4] festgelegt. Für die Anwendung werden folgende vier in Tabelle A1.1 aufgeführte Innenklima-Kategorien verwendet. Die Anwendbarkeit der Norm SIA 180:2014 [1.4] ist in erster Linie auf die Kategorie II ausgerichtet.

Die bestehende Norm EN 15251:2007 [1.2] gibt in Tabelle A1.2 die Temperaturbereiche für die stündliche Berechnung der Heiz- und Kühlenergie bei verschiedenen Gebäudenutzungen und Innenklima-Kategorien an.

Die Norm SIA 180:2014 [1.4] legt bei der thermischen Behaglichkeit folgende generelle Bedingungen fest:

Die thermische Behaglichkeit im Aufenthaltsbereich gemäss Abbildung A1.1 und Tabelle A1.3 muss in allen Jahreszeiten während der Nutzungszeit sichergestellt werden, wenn die Aussenklimabedingungen den Auslegungsbedingungen entsprechen, die Nutzung der Projektierung entspricht, der Betrieb der gebäudetechnischen Anlagen gemäss Projektierung erfolgt und die Bekleidung gemäss Abbildung A1.2 der Aussentemperatur angepasst wird.

Festlegung des Aufenthaltsbereichs
Abbildung A1.1: Festlegung des Aufenthaltsbereichs (links Grundriss, rechts Schnitt) (Quelle: Norm SIA 180:2014 [1.4])

Bereich der clo-Werte je nach dem gleitenden Mittelwert der Aussentemperatur
Abbildung A1.2: Bereich der clo-Werte je nach dem gleitenden Mittelwert der Aussentemperatur
(Quelle: Norm SIA 180:2014 [1.4])

Bei einer Tätigkeit mit 1,2 met wird im Jahresverlauf eine Bekleidungsvariation nach dem gleitenden Mittelwert der Aussentemperatur nach Abbildung A1.2 angenommen. Unter 10 °C Aus-sentemperatur wird eine Kleidung mit 0,8 bis 1,0 clo angenommen, über 25 °C eine solche mit 0,5 bis 0,8 clo. Für andere Tätigkeiten wird eine der Saison und Aktivität angepasste Kleidung angenommen.

Die Komfort-Anforderungen an die empfundene Temperatur werden in der Norm SIA 180:2014 [1.4] neu in Abhängigkeit des gleitenden Mittelwerts der Aussentemperatur θrm über 48 Stunden gemäss folgender Formel festgelegt.

(A1.1)

Zwei Fälle werden in der Norm SIA 180:2014 [1.4] bei den Anforderungen an die empfundene Temperatur unterschieden:

  • Räume, die beheizt, gekühlt oder mechanisch belüftet sind (gebäudetechnische Anlagen sind in Betrieb), gemäss Abbildung A1.3;
  • Räume, die weder beheizt noch gekühlt sind und bei denen der Benutzer die Fenster zur Regelung des Raumklimas verwenden kann. Der Benutzer darf zudem seine Bekleidung nach Belieben anpassen, gemäss Abbildung A1.4.

Abbildung A1.5 zeigt die als optimal empfundene Raumtemperatur θcomfort und die als maximal zulässig empfundenen Raumtemperaturen im Sommer bei Gebäuden ohne maschinelle Kühlanlagen (nach EN 15251:2007 [1.1] für die Kategorien I bis III im Vergleich zur Anforderung nach SIA 180:2014 [1.4]).

Zulässiger Bereich der empfundenen Temperatur in Wohn- und Büroräumen, während diese beheizt oder gekühlt sind
Abbildung A1.3: Zulässiger Bereich der empfundenen Temperatur in Wohn- und Büroräumen, während diese beheizt oder gekühlt sind (gebäudetechnische Anlagen sind in Betrieb) (Quelle: Norm SIA 180:2014 [1.4], ersetzt Abbildung 1.29)

Zulässiger Bereich der empfundenen Temperatur in Räumen mit natürlicher Lüftung, während diese weder beheizt noch gekühlt sind
Abbildung A1.4: Zulässiger Bereich der empfundenen Temperatur in Räumen mit natürlicher Lüftung, während diese weder beheizt noch gekühlt sind (Quelle: Norm SIA180:2014 [1.4])

Die als maximal zulässig empfundenen Raumtemperaturen nach EN 15251:2007 und SIA 180:2014 für Räume ohne maschinelle Kühlung
Abbildung A1.5: Die als maximal zulässig empfundenen Raumtemperaturen nach EN 15251:2007 und SIA 180:2014 für Räume ohne maschinelle Kühlung

Lokale Unbehaglichkeit infolge Zugerscheinungen

Der Kaltluftabfall an kalten Oberflächen, insbesondere an Fensterflächen, stellt ein öfter beklagtes Phänomen dar, das den Komfort lokal entscheidend beeinflussen kann. Abbildung A1.6 zeigt schematisch die Grenzschichtströmung an einem Fenster auf. Mit der angegebenen Näherungsformel kann die maximale Luftgeschwindigkeit in der Grenzschicht ermittelt werden. Das Diagramm zeigt eine starke Abhängigkeit der Luftgeschwindigkeit vmax von der Temperaturdifferenz ∆T (Luft-Oberfläche) und der Höhe H des Fensters auf.

Max. Luftgeschwindigkeit in der Grenzschicht eines Fensters aufgrund der Temperaturdifferenz Raumluft/Glasscheibeninnenoberfläche
Abbildung A1.6: Max. Luftgeschwindigkeit in der Grenzschicht eines Fensters aufgrund der Temperaturdifferenz Raumluft/Glasscheibeninnenoberfläche (ersetzt Abbildung 1.27)

Die maximale Luftgeschwindigkeit in einem Abstand x von einer vertikalen kalten Oberfläche und 0,1 m über Boden kann mit folgender Näherungsformel A1.2 bestimmt werden. Details dazu sind in Anhang 9 angegeben.

(A1.2)

Die lokale Unbehaglichkeit infolge Zugluft wird mit dem sogenannten DR-Wert («Draught Rate») [1.1] beschrieben, welcher angibt, wie hoch der Prozentsatz an Personen ist, die sich bei gegebenen Werten der Raumluftgeschwindigkeit, der Raumlufttemperatur und des Turbulenzgrades unbehaglich fühlen. Die Norm SIA 180:2014 [1.4] gibt für Räume mit mechanischer Lüftung einen maximalen Wert DR = 15 %, für Räume mit natürlicher Lüftung einen maximalen Wert von DR = 20 % an. Abbildungen A1.7 und A1.8 zeigen, wie stark die zulässige mittlere lokale Luftgeschwindigkeit vom Turbulenzgrad abhängig ist. In SIA 180:2014 [1.4] wird als Defaultwert für den Turbulenzgrad Tu = 50 % angenommen, in der Norm EN ISO 7730:2005 [1.1] wird Tu = 40 % angenommen, falls der Wert nicht bekannt ist.

Zulässige mittlere lokale Luftgeschwindigkeit am Aufenthaltsort in Abhängigkeit von der lokalen Lufttemperatur und dem Turbulenzgrad für Räume mit mechanischer Lüftung
Abbildung A1.7: Zulässige mittlere lokale Luftgeschwindigkeit am Aufenthaltsort in Abhängigkeit von der lokalen Lufttemperatur und dem Turbulenzgrad für Räume mit mechanischer Lüftung (ergänzt Abbildung 1.28)

Zulässige mittlere lokale Luftgeschwindigkeit am Aufenthaltsort in Abhängigkeit von der lokalen Lufttemperatur und dem Turbulenzgrad für Räume mit natürlicher Lüftung
Abbildung A1.8: Zulässige mittlere lokale Luftgeschwindigkeit am Aufenthaltsort in Abhängigkeit von der lokalen Lufttemperatur und dem Turbulenzgrad für Räume mit natürlicher Lüftung (ergänzt Abbildung 1.28)

1.2.4 Akustische Behaglichkeitskriterien

Belastungsgrenzwerte

In der Schweiz regelt vor allem die vom Bundesrat auf der Basis des Umweltschutzgesetzes erlassene Lärmschutz-Verordnung (LSV) [1.5] Lärmfragen. Das Ziel dieser Verordnung ist es, die Bevölkerung vor schädlichem und lästigem Lärm zu schützen. Um die Lärmbelastung zu beurteilen, werden in Abhängigkeit der Lärmart (Strassenlärm, Bahnlärm, Fluglärm, Industrie- und Gewerbelärm, Schiesslärm) Belastungsgrenzwerte (Planungswerte, Immissionsgrenzwerte, Alarmwerte) definiert, welche die Lärmempfindlichkeit (Empfindlichkeitsstufe) des belasteten Gebietes berücksichtigen. In der Nacht gelten jeweils tiefere Werte (vgl. Tabelle A1.4).

Bezüglich der in der Lärmschutz-Verordnung verankerten Belastungsgrenzwerte gilt [1.6]:

  • Planungswerte gelten für die Errichtung neuer lärmerzeugender Anlagen und für die Ausscheidung und Erschliessung von Bauzonen für lärmempfindliche Gebäude (Wohnungen).
  • Immissionsgrenzwerte legen die Schwelle fest, ab welcher der Lärm die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden erheblich stört. Sie gelten für bestehende lärmerzeugende Anlagen und für Baubewilligungen von lärmempfindlichen Gebäuden (Wohnungen).
  • Alarmwerte sind ein Kriterium für die Dringlichkeit der Sanierungen und den Einbau von Schallschutzfenstern.

Zur Beurteilung der an einem bestimmten Immissionsort vorhandenen Belastung wird der sogenannte Beurteilungspegel Lr verwendet, welcher der Summe des A-bewerteten Mittelungspegels (Leq) und einer lärmartabhängigen Pegelkorrektur K entspricht (Messpunkt: Mitte des offenen Fensters eines lärmempfindlichen Raumes)[1.5].

Gemäss [1.5] wird bezüglich Empfindlichkeitsstufen wie folgt unterschieden (vgl. Tabelle. A1.4):

  • Empfindlichkeitsstufe I in Zonen mit einem erhöhten Lärmschutzbedürfnis, namentlich in Erholungszonen
  • Empfindlichkeitsstufe II in Zonen, in denen keine störenden Betriebe zugelassen sind, namentlich in Wohnzonen sowie Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen
  • Empfindlichkeitsstufe III in Zonen, in denen mässig störende Betriebe zugelassen sind, namentlich in Wohn- und Gewerbezonen (Mischzonen) sowie Landwirtschaftszonen
  • Empfindlichkeitsstufe IV in Zonen, in denen stark störende Betriebe zugelassen sind, namentlich in Industriezonen

 

Tabelle A1.4: Drei Stufen von Belastungsgrenzwerten für Strassenlärm und Bahnlärm in Abhängigkeit der Empfindlichkeitsstufe sowie der Tageszeit [1.5 und 1.6] (ersetzt Tabelle 1.20)

1.3 Literatur: Randbedingungen (Klima)

[1.1]Ergonomie der thermischen Umgebung – Analytische Bestimmung und Interpretation der thermischen Behaglichkeit durch Berechnung des PMV- und des PPD-Indexes und Kriterien der lokalen thermischen Behaglichkeit (Norm EN ISO 7730:2005)
[1.2]Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden – Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik (Norm EN 15251:2007)
Anmerkung: Diese Norm ist in Revision und erscheint neu unter der Bezeichnung EN 16798-1:2015
[1.3]Energetisches Verhalten von Gebäuden – Teil 1: Eingangsparameter für das Raumklima
zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden – Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik (Normenentwurf prEN 16798-1:2015)
[1.4]Wärmeschutz, Feuchteschutz und Raumklima in Gebäuden (Norm SIA 180:2014)
[1.5]Lärmschutz-Verordnung (LSV) vom 15. Dezember 1986 (Stand am 1. Februar 2015), Schweizerische Eidgenossenschaft, www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19860372/index.html (21.8.2015)
[1.6]Belastungsgrenzwerte für Lärm, Bundesamt für Umwelt (BAFU), www.bafu.admin.ch/laerm/10312/10995/?lang=de (23.8.2015)