Die Zustandsanalyse gebäudetechnischer Anlagen ist im Zusammenhang mit der Betriebssicherheit, dem gewünschten Behaglichkeitsniveau und sonstigen gebäude- und nutzerbezogenen Anforderungen eine wichtige, wiederkehrende Notwendigkeit. Umso erstaunlicher ist es, dass es dazu nur wenig bis gar keine Literatur gibt.

Ohne die Kenntnis des Zustands technischer Anlagen im Gebäude ist ein Management dieser Anlagen auch nicht möglich. Die Zustandsanalyse gehört zu den Voraussetzungen, die im Energiemanagement erfüllt sein müssen. Dies bedingt, dass bereits eine Inventarisierung der technischen Anlagen im Gebäude erfolgt ist. Der Betrieb der Anlagen verändert laufend den Zustand, sodass die Zustandsanalyse eine permanente Aufgabe bleibt. Im Zuge der Digitalisierung werden für diese Aufgabe verstärkt Sensoren eingesetzt, die Gebäudebetreiber in die Lage versetzen, jederzeit den Zustand der technischen Anlagen beurteilen und Massnahmen planen zu können.

Anleihen bzw. Hinweise, die für die Zustandsanalyse technischer Anlagen in Gebäuden relevant sind, finden sich in verwandten Disziplinen wie die Instandhaltung und die technische Diagnostik. Abb. 36 zeigt Einflüsse auf Bestandsaufnahmen technischer Anlagen. (Klingenberger, 2007)

Abb. 36: Einflussfaktoren auf Bestandsaufnahmen
Klingenberger, 2007

Die Grafik macht deutlich, wie vielfältig die Umstände sind, die den Zustand einer technischen Anlage beeinflussen. Im Hinblick auf einen zuverlässigen Betrieb eines Gebäudes inklusive der Energieversorgung zeigt Abb. 36 umfassend, warum es so schwierig ist, einerseits den Zustand einer technischen Anlage zu erfassen und andererseits eine terminierte Aussage bezüglich einer anstehenden Instandhaltungsmassnahme zu treffen.

Der Betrieb von Immobilien ist von Erfahrungswissen geprägt. Anders ist dies in der produzierenden Industrie mit einem entsprechenden Maschinenpark. Ein zuverlässiger Betrieb der Produktion entscheidet über das Fortbestehen der Unternehmung. Aus diesem Zwang heraus ist die technische Diagnostik entstanden (s. Abb. 37, Brendel et al., 1979).

Abb. 37: Einordnung der technischen Diagnostik
Brendel et al., 1979

Als Teil der planmässig, vorbeugenden Instandhaltung (Predictive Maintenance) dienen die Methoden der technischen Diagnostik dazu, den Zeitpunkt für eine Instandhaltungsmassnahme möglichst gut abschätzen zu können. Der Zeitpunkt entscheidet über die Höhe und Häufigkeit der eingesetzten Mittel für Personal und Material. Die Bedeutung dieser Disziplin ist somit offensichtlich. Um so erstaunlicher ist es, dass die technische Diagnostik für den Gebäudebetrieb bisher keine besondere Bedeutung hat.

(Brendel et al., 1979) definierten verschiedene Zustände einer technischen Anlage:

Betriebszustand:
Zustand, in dem die vorgegebenen Betriebsparameter eingehalten werden.

Schädigungszustand:
Zustand, der im Ergebnis einer Schädigung infolge von Verschleiss, Korrosion, Ermüdung, Alterung oder anderen äusseren Einflüssen eingetreten ist (unabhängig von der Nutzungsdauer).

Sicherheitstechnischer Zustand:
Zustand, in dem die gesetzlichen und betriebsbedingten Erfordernisse des Gesundheits-, Arbeits- und Brandschutzes erfüllt werden.

Neuzustand/Instandsetzungszustand:
Zustand, den das betrachtete Objekt (Betrachtungseinheit) nach der Neufertigung oder nach einer Instandsetzung aufweist. Die Bestimmung des Zustands von

  • einzelnen Bauelementen
  • einzelnen Baugruppen
  • ganzen Maschinen
  • Maschinensystemen

muss die Bewertung von

  • Einsatzfähigkeit und richtiger Funktion
  • Ort und Art der Funktionsstörung
  • sicherheitstechnischem Zustand
  • möglicher Restnutzungsdauer
  • Gütezustand

entsprechend den geforderten Einsatzbedingungen zur Folge haben.Die technische Diagnostik dient (Brendel et al., 1979) dem Überprüfen

  • des Betriebszustandes der technischen Anlage,
  • des Schädigungszustandes,
  • der Restnutzungsdauer der technischen Anlage
  • der Sicherheitstechnik der technischen Anlage und
  • der Ermittlung der Notwendigkeit von Pflegemassnahmen
  • permanente Überwachung des Zustandes von einzelnen Baugruppen oder Elementen durch Messeinrichtungen, die in die Maschine eingebaut sind
  • Überprüfung der Herstellungs- und Instandsetzungsqualität im Rahmen der Endkontrolle

(Brendel et al., 1979) unterscheiden unterschiedliche Formen der Diagnose:

Funktionsdiagnose:
Massnahmen zum Überprüfen der Funktionsfähigkeit von technischen Arbeitsmitteln (Bestimmung und Bewertung von Funktions- und Betriebsparametern technischer Systeme entsprechend geforderter Einsatzparameter, wie z. B. Leistung, Drehzahl, spezifischer Energieverbrauch)

Schädigungsdiagnose:
Massnahmen zum Ermitteln des Schädigungszustandes technischer Arbeitsmittel und Baugruppen

Teildiagnose:
Massnahmen zum Überprüfen einzelner Teile oder Baugruppen eines technischen Arbeitsmittels

Gesamtdiagnose:
Die Gesamtdiagnose/Volldiagnose ist der Vorgang des Ermittelns und Bewertens des Zustandes technischer Systeme und ihrer Elemente. Eine Gesamtdiagnose umfasst alle Baugruppen und Elemente eines technischen Systems.

Tiefendiagnose:
Massnahmen zum detaillierten Überprüfen von Baugruppen oder Einzelteilen. Tiefendiagnosen dienen überwiegend der Ermittlung des Zustandes technischer Systeme und ihrer Elemente und der Bestimmung der Restnutzungsdauer.

Komplexdiagnose:
Massnahmen zum Feststellen des Allgemeinzustandes technischer Arbeitsmittel und Baugruppen anhand umfassender Kenngrössen.

Ist der Zustand einer technischen Anlage geklärt, besteht die Aufgabe der Analyse und der Interpretation für den Gebäudebetrieb. Für das bessere Verständnis eignet sich zur Verdeutlichung der Herausforderung das Modell des Abnutzungsvorrats, welches Abb. 38 zeigt (Klingenberger, 2007).

Abb. 38: Modellvorstellung des Abnutzungsvorrats in Abhängigkeit von der Zeit
Klingenberger, 2007

Die Ordinate zum Zeitpunkt t0 widerspiegelt den Neuzustand einer gebäudetechnischen Anlage. Ist die Anlage frisch installiert und wird in Betrieb genommen, ist der sogenannte Abnutzungsvorrat auf dem Höchststand. Mit jeder Nutzung wird etwas von diesem Vorrat verbraucht, bis irgendwann zum Zeitpunkt tA1 es zu einem Ausfall der Anlage kommt. Dann ist der ursprünglich vorhandene Abnutzungsvorrat soweit verbraucht worden, dass die Abnutzungsgrenze erreicht wurde. Der Ausfallzeitpunkt ist dabei nicht einzig von der Nutzungszeit, sondern auch noch von weiteren Parametern wie z. B. die Nutzungsintensität abhängig.

Das Modell des Abnutzungsvorrats veranschaulicht sehr schön, was durch Nutzung von Anlagen passiert, und zeigt gleichzeitig die Problematik auf, warum Vorhersagen eines Anlagenausfalls so schwierig sind. Die Zustandsbewertung ist somit unverzichtbar, um der Abschätzung des Zeitraums bis zum Erreichen der Abnutzungsgrenze mehr Sicherheit in der Prognose zu geben. Hersteller von Anlagen geben grobe, sicher bei «normaler Nutzung» erreichbare Lebensdauerzeiten an. Der Ausfallzeitpunkt ist also nicht berechenbar und dies macht den Umgang mit der Abnutzung so schwierig. In der Praxis wird diese Unsicherheit, wie lange eine Anlage noch problemlos funktioniert, mit vor allem dem Erfahrungswissen der die Anlage betreuenden Mitarbeitenden kompensiert. Mithilfe von Instandhaltungsstrategien und -massnahmen wird versucht, den Abnutzungsvorrat nicht unter die Abnutzungsgrenze fallen zu lassen.

Abb. 39 (Klingenberger, 2007) zeigt, was mit einer Wartung bezüglich des Abnutzungsvorrats erreicht werden kann.

Abb. 39: Verschiebung des Ausfallzeitpunkts durch Wartung
Klingenberger, 2007

Eine (regelmässige) Wartung von Anlagen verschiebt den Ausfallszeitpunkt tA1 weiter in die Zukunft und erhöht die störungsfreie Nutzungsdauer. Technische Anlagen in Gebäuden werden über viele Jahre betrieben. Innerhalb der jeweils erreichten Lebensdauerzeiten werden Massnahmen zur Erhaltung der Funktionalität (Instandsetzungen) durchgeführt, bis es genügend Gründe für eine Stilllegung der Anlage gibt.

Abb. 40 (Klingenberger, 2007) zeigt die Zyklen im Abnutzungsvorrat, die durch Instandsetzungen entstehen.

Abb. 40: Zyklen des Abnutzungsvorrats durch Instandsetzungen
Klingenberger, 2007

Nach jeder Instandsetzung ist der Abnutzungsvorrat wieder auf dem ursprünglichen Niveau. Sind die Intervalle regelmässig (nur durch Erfahrung zu ermitteln), kann der Ausfallszeitpunkt tA1 recht genau prognostiziert werden. In diesem Fall kann also eine präventive Instandsetzung als Betriebsstrategie gewählt werden.

Um bezüglich einer Betriebsstrategie bzw. einer Instandhaltungsstrategie zu einem praktikablen Ergebnis zu kommen, ist eine gute Zustandsanalyse als Ausgangspunkt notwendig. Letztlich ist diese aber auch eine Risikoanalyse, die sich auf den Betrieb von gebäudetechnischen Anlagen bezieht. Abb. 41 (Klingenberger, 2007) zeigt die Beurteilungskriterien, die eine Bewertung des Zustands einer technischen Anlage hinsichtlich der Auswirkungen und hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls ermöglicht. Die Auswirkungen reichen dabei von «unbedeutend» bis zu «katastrophal».

Abb. 41: Matrix zur Risikoanalyse
Klingenberger, 2007

Eine Risikoanalyse ist notwendig, damit etwaige Gefahren z. B. für Leib und Leben oder finanzielle Schäden aufgrund von Betriebsausfall minimiert werden können. Die Abwägung ist daher immer individuell zu treffen.

Ganz grundsätzlich sind Modelle wie der Abnutzungsvorrat und Hilfsmittel wie die Risikobewertungsmatrix nützlich, um sich die Fragestellung, um die es geht, klarzumachen. Letztlich aber basieren sämtliche Abschätzungen auf Erfahrungswissen und Annahmen. Insofern ist eine gute Zustandsbewertung etwas, was in der Praxis erlernt werden muss. Des Weiteren empfiehlt es sich, dies in einem Team zu machen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Augenmass. Eine übertrieben vorsichtige Einschätzung führt zwangsläufig zu unnötigem (finanziellen) Aufwand. Andersherum ist eine unangebrachte Laissez-faire-Haltung mit den gleichen Risiken bzw. auch folgenschwereren Risiken behaftet.

Die folgenden Kennzeichen im Rahmen einer Zustandsanalyse sind also gegeben bzw. zu beachten:

  • Jede Zustandsanalyse ist individuell (Zustand, Art der Anlage, (Ab-)Nutzung)
  • Die Rahmenbedingungen sind ebenfalls individuell (Personalressourcen, Budget, Anzahl Anlagen)
  • Risikobewertung ist notwendig und unterliegt dem verfügbarem Erfahrungswissen
  • Betreiberverantwortung ist ein wesentlicher Punkt innerhalb der Zustandsanalyse
  • Nutzeranforderungen (Verfügbarkeit) sind selbstverständlich prioritär zu beachten
  • Überblick im Gebäude (Anzahl, Ort und Zustand der Anlagen)
  • Erfahrung aus dem Betrieb der Anlagen
  • Erfahrung mit der Nutzung des Gebäudes (Verhalten des Gebäudes)
  • Gesunder Menschenverstand

Damit eine Zustandsanalyse zum gewünschten Ergebnis führt, ist es notwendig, dies mit der nötigen Zeit und Bedacht zu tun. Alle nachfolgenden Entscheidungen stützen sich auf die Einschätzung der Zustandsbewertung. Aus diesem Grund ist dabei die Sorgfalt in der Ausführung besonders zu beachten.

Literatur

Brendel, H., Hornung, E., Leistner, D., Neukirchner, J., Schmidt, H.-J., Winkler, H. und Winkler, L. (1979). Technische Diagnostik. In Brendel, H., Hornung, E., Leistner, D., Neukirchner, J., Schmidt, H.-J., Winkler, H. und Winkler, L., Herausgeber, Wissensspeicher Tribotechnik: Schmierstoffe — Gleitpaarungen — Schmiereinrichtungen, Seiten 271– 307. Springer Wien, Wien.