Zur Ermittlung des Kühlleistungsbedarfes eines Raumes bzw. des ganzen Gebäudes müssen instationäre Rechenmodelle verwendet werden. Je nach Trägheit des Raumes – Speichermasse der Raumumschliessungsflächen – benötigt der Raum eine kürzere oder längere Einschwingphase (vgl. Abb. 6.11) zur Erreichung eines Beharrungszustandes (periodische Temperaturschwingung).

Einschwingverhalten eines Raumes
Abbildung 6.11: Einschwingverhalten eines Raumes

Für den eingeschwungenen Zustand können vereinfachte Berechnungsmodelle eingesetzt werden. Die Ermittlung des Kühlleistungsbedarfes muss über eine Bilanzierung der Wärmeströme in einem Raum erfolgen, wobei die in Abbildung 6.12 dargestellten Grössen zu berücksichtigen sind.

Wärmeströme im Einzelraum
Abbildung 6.12: Wärmeströme im Einzelraum

Einschwingvorgänge als solche müssen mit dynamischen Simulationsprogrammen gemäss Kapitel 6.6 untersucht werden.

Die Kühlleistung des Raumes setzt sich aus einem Anteil interner Lasten und einem Anteil externer Lasten zusammen:

(6.37)

wobei:

(6.38)

Die internen Lasten werden durch die Belegungsdichte und den Technisierungsgrad bestimmt. Richtwerte hierzu sind in den Tabellen 6.12 bis 6.14 zusammengestellt.

(6.39)

Dem Raum zugeführte Wärmeströme werden positiv, abgeführte Wärmeströme negativ betrachtet.

Der zur Kühlung notwendige Zuluftvolumenstrom berechnet sich zu:

(6.40)

Bei der Beurteilung der internen Lasten wie Personen-, Beleuchtungs- und Geräteabwärme muss ein Gleichzeitigkeitsfaktor berücksichtigt werden. Für typische Büronutzungsarten sind in SIA-Merkblatt 2024 Richtwerte vorgegeben (vgl. Abb. 6.13–6.15).

Tagesgang Personenbelegung im Büroraum
Abbildung 6.13: Tagesgang Personenbelegung im Büroraum (Einzel-, Gruppen- oder Grossraumbüro)

Tagesgang Gerätebenutzung im Einzel- und Gruppenbüro
Abbildung 6.14: Tagesgang Gerätebenutzung im Einzel- und Gruppenbüro (3–6 Arbeitsplätze)

Tagesgang Gerätebenutzung im Grossraumbüro
Abbildung 6.15: Tagesgang Gerätebenutzung im Grossraumbüro

Der Einfluss der Wärmespeicherwirkung von massiven Bauteilen wird entweder mit einem instationären Rechenansatz oder durch vereinfachte Modelle, wie z. B. durch die Verwendung von Speicherfaktoren oder von äquivalenten Temperaturdifferenzen (Kühllasttemperaturdifferenz nach SIA 382/2 bzw. ASHRAE [6.24]) berücksichtigt.

6.5.1 Bedarfsnachweis Kühlung

Der Bedarf für eine mechanische Kühlung ist gemäss Norm SIA 382/1 [6.4] gegeben, wenn die Raumlufttemperatur während der Nutzungszeit den oberen Grenzwert von 26,5 °C (vgl. Grenzen des Betriebsbereiches gemäss Abb. 1.29, Kap. 1.2) deutlich überschreitet. Die über dem Grenzwert liegenden Temperaturen dürfen pro Jahr die Summe von 100 Kelvinstunden nicht überschreiten. Die Betrachtung gilt für die Nutzungszeit inkl. Hitzetage (Tagesmaximum über 30 °C).

Zur Erbringung des Bedarfsnachweises sind detaillierte dynamische Berechnungsmodelle gemäss Kapitel 6.6 und folgende Standard-Randbedingungen zu verwenden:

  • Zeitschritt: 1 Stunde oder kleiner
  • Klimadaten: Design Referenz Year (DRY) aus Merkblatt SIA 2028 [6.32], durchschnittliches Design Jahr oder warmes Design Jahr
  • Sonnenschutz: Anforderungen an den g-Wert gemäss Abb. 6.16 und Abb. 6.17. Die Sonnenschutzeinrichtung wird geschlossen, wenn die Globalstrahlungsintensität an der Fassade 90 W/m2 überschreitet
  • Interne Lasten: Es sind die internen Wärmelasten nach dem SIA-Merkblatt SIA 2024 [6.29] zu verwenden
    • Personen: Anteil Konvektion 50 %, Anteil Strahlung 50 %, nur sensibler Teil der Wärmeabgabe der Person massgebend, Werte in Abhängigkeit der Tätigkeit gemäss SIA-Merkblatt 2024 [6.29] und Tabelle 1.10 in Kap. 1.2
    • Beleuchtung: Beleuchtungsstärke nach SIA-Merkblatt 2024 [6.29]. Tageslichtabhängig gesteuert, separat für 5 m tiefe Aussenzone und Restfläche. Anteil Konvektion 30 %, Anteil Strahlung 70 %
    • Geräte: Lastprofile gemäss SIA-Merkblatt 2024 [6.29] Anteil Konvektion 80 %, Anteil Strahlung 20 %
  • Aussenluftraten:
    • Fensterlüftung während Nutzungszeit mit erhöhter Rate, falls θe < θi und θi > 22 °C, ansonsten nur hygienisch erforderliche minimale Aussenluftrate (30 m3/h pro Person)
    • Intensive Fensterlüftung ausserhalb Nutzungszeit (na = 3 h–1), falls θe < θi und θi > 22 °C, ansonsten konstanter Aussenluftstrom von 0,3 m3/(hm2)
    • Mechanische Lüftung: Hygienisch erforderliche Aussenluftrate von 30 m3/h pro Person während Betriebzeit, ausserhalb Betriebszeit erhöht auf na= 3 h–1, falls die Temperaturdifferenz zwischen Raum- und Aussenluft mindestens 4 K beträgt und die Raumlufttemperatur über 24 °C liegt, ansonsten konstanter Aussenluftstrom von 0,3 m3/(hm2)
  • Nutzungszeit: Die Nutzungszeit ist entsprechend der jeweiligen Standardnutzungen gemäss SIA-Merkblatt SIA 2024 [6.29] anzunehmen
  • Betriebszeit: Die Anlage wird morgens 1 Stunde vor dem Nutzungsbeginn in Betrieb genommen und läuft am Abend 1 Stunde nach. In der Mittagspause läuft die Anlage durch.
  • Berechnungsperiode: 15. April bis 15. Oktober (Jahr 1987 dient zur Festlegung der Wochentage)
  • Auszählung: Die Raumlufttemperaturen sind während der Betriebszeit den Tagesmaxima der Aussenlufttemperatur zuzuordnen, Hitzetage werden berücksichtigt

Der Glasanteil fg eines Gebäudes, einer Fassade oder eines Daches ist gleich dem Verhältnis der Summe der lichtdurchlässigen Glasflächen Ag zur Summe der Fassadenflächen AF bzw. Dachfläche AR.

Anforderungen an den g-Wert von Fassadenfenstern
Abbildung 6.16: Anforderungen an den g-Wert von Fassadenfenstern (Verglasung und Sonnenschutz) je nach Glasanteil und Orientierung gemäss Norm SIA 382/1 [6 .4]

Anforderungen an den g-Wert von Dachfenstern
Abbildung 6.17: Anforderungen an den g-Wert von Dachfenstern (Verglasung und Sonnenschutz) gemäss Norm SIA 382/1 [6 . 4]

6.5.2 Grundsätze für die Planung

Externe Wärmelasten können im schweizerischen Klima durch Sonnenschutzmassnahmen soweit reduziert werden, dass in der Regel auf eine Kühlung des Raumes verzichtet werden kann. Um eine mechanische Kühlung generell zu verhindern, gilt es, folgende Grundsätze zu beachten:

  • Optimaler Sonnenschutz der Fensterflächen durch Verwendung aussenliegender Vorrichtungen zur Erzielung eines niedrigen g-Wertes mit geringem sekundären Wärmeabgabeanteil
  • Minimierung der internen Lasten durch den Einsatz von Geräten mit geringem Stromverbrauch oder durch Direktkühlung der Geräte (z. B. EDV-Anlagen)
  • Optimale Tageslichtnutzung sowie bedarfsgerechte Aufteilung und Regelung der Kunstlichtbeleuchtung
  • Massive Bauweise (m > 300 kg/m2) durch Einsatz von Betondecken- und Betonbodenkonstruktionen ohne thermische Abdeckungen
  • Zweckmässige Fensteranordnung zur Erzielung eines guten, natürlichen Luftaustausches (z. B. Querlüftung); witterungsgeschützte und einbruchsichere Fenster erlauben zudem eine wirksame Nachtlüftung des Raumes (natürliche Nachtkühlung um 1 bis 3 K).

Der Kühlleistungsbedarf eines Raumes hängt vor allem von den internen Wärmelasten und der Möglichkeit der Fensterlüftung ab. Bei folgenden Tagessummenwerten der internen Lasten wird gemäss SIA 382/1 [6.4] eine Kühlung unter Umständen als notwendig erachtet: