Mit dem Energieliefercontracting (auch als Anlagencontracting bezeichnet, Abb. 96) erwirbt ein Liegenschaftsbesitzer oder ein Unternehmer vom Contractinganbieter (Contractor) genau die Energie in der Form, welche er für seine Zwecke benötigt. Wie beim Strom sind die Energieerzeugung, der Bau und die Finanzierung der entsprechenden Anlagen und deren Betrieb Sache des Contractors. Der Kunde kauft die fertige Wärme, Kälte, Druckluft, Dampf, konditionierte Zuluft oder was vereinbart wurde.

Abb. 96: Schema Energieliefercontracting

12.2.1 Vorgehen

Der Kunde (Contractingnehmer) muss über seinen mittel- und längerfristigen Bedarf an Nutzenergie Klarheit haben. Er muss ferner seine Ansprüche an die Versorgungssicherheit definieren können. Auch muss der Kunde über eine gute Bonität verfügen.

Wenn nun ein Neubau geplant ist, eine neue Produktionslinie errichtet werden soll, die vorhandene Energieversorgung den Ansprüchen nicht mehr genügt oder aus einem anderen Grund eine Investition in eine energietechnische Anlage ansteht, so kann sich der Kunde für eine Contractinglösung entscheiden. Bei hohen Energiekosten kann sich eine Contractinglösung besonders lohnen.

Er kann sich nun von möglichen Contracting-anbietern eine Offerte über die Energielieferung erstellen lassen. Diese offerieren die Lieferung der verlangten Energieformen mit den Tarifangeboten und mit Garantien betreffend Versorgungssicherheit resp. Anlagenverfügbarkeit. Bei der Auswahl der Anbieter sind folgende Punkte wichtig:

  • Bonität des Anbieters
  • Erfahrung und Kompetenz des Anbieters
  • Referenzanlagen
  • Örtliche Präsenz des Anbieters

Contracting basiert neben den technischen Aspekten auf einem Vertragswerk. Die Ausgestaltung dieser Verträge ist für den Erfolg entscheidend.

Der Contractor verkauft dem Kunden die Nutzenergie zu vereinbarten Tarifen. Das Preisangebot besteht typischerweise aus einem fixen Betrag pro Monat oder Jahr für die fixen Kosten des Contractors (insb. für Abschreibung und Verzinsung der Anlagen, Versicherungsprämien, fester Anteil der Betriebskosten) und einem variablen Energietarif, der insbesondere die (schwankenden) Kosten der Endenergie (Heizöl, Gas, Strom etc.) umfasst und entsprechend dem Energiebezug verrechnet wird. Dazu muss die gelieferte Energie gemessen werden. Dieser Tarif wird üblicherweise jährlich neu festgelegt, aufgrund der Preisentwicklung bei den genutzten Endenergieträger.

12.2.2 Vorteile und Risiken

Für den Kunden ergeben sich folgende Vorteile:

  • Keine Eigeninvestitionen, keine Kapitalbindung
  • Wenig Umtriebe für die Energieerzeugung
  • Im Idealfall günstigere Energiekosten
  • Feste resp. transparente Energiekosten über die Vertragsdauer
  • Keine Betriebsrisiken mit den energietechnischen Anlagen
  • Sichere, effiziente Energieversorgung

Für den Contractinganbieter ergeben sich folgende Vorteile:

  • Neue Geschäftsmöglichkeit
  • Langfristige Kundenbindung
  • Nutzung des internen Know-hows
  • Marge abhängig vom erfolgreichen Optimieren der Anlage und von tiefen Lebenszykuskosten

Im Idealfall entsteht eine typische Win-Win-Situation. Da Contracting im Allgemeinen von der Nutzbarmachung der Optimierungsmöglichkeiten lebt, profitiert auch die Umwelt und die Gesellschaft. Damit stellt sich die Frage, was denn die Nachteile sind. Eigentliche Nachteile sind nur schwer zu finden, aber es gibt einige Randbedingungen und Risiken zu beachten.

Randbedingungen:

Eine Win-Win-Situation kann nur entstehen, wenn ein erschliessbares Optimierungspotenzial besteht, welches ohne Contracting nicht erschlossen werden könnte. Dies ist in vielen Fällen so, wie bereits gesagt wurde. Aber auch wenn davon ausgegangen wird, dass ein Bauherr seine Anlage genauso optimiert bauen und betreiben würde wie der Contractor, kann Contracting dennoch interessant sein.

Jedoch sind Energieliefer-Contractingprojekte meist langfristige Vorhaben. Der Kunde muss, wie ebenfalls bereits erwähnt, seine Zukunft und den Bedarf an Energie entsprechend planen können. Er muss bereit und fähig sein, entsprechend langfristige Verpflichtungen einzugehen.

Der Kunde begibt sich auch in eine gewisse Abhängigkeit zum Contractor. Sein Risiko ist aber wesentlich kleiner, insbesondere da die Energieerzeugungsanlage in den meisten Fällen mit dem Gebäude fest verbunden ist und der Kunde somit immer eine Zugriffsmöglichkeit darauf hat.

Risiken:

Die grössten Risiken liegen beim Contracting-anbieter. Er ist darauf angewiesen, dass der Kunde über die Vertragslaufzeit die vereinbarten Energiemengen abkauft und auch bezahlt. Ein Konkurs des Kunden, das Leerstehen eines Gebäudes oder die Aufgabe einer Produktion können dazu führen, dass die Erlöse des Contractors zurückgehen oder gar ausfallen und er seine Investition nicht mehr amortisieren kann.

Der Contractinganbieter trägt auch das ganze technische Risiko. Ein Ausfall der Anlage nach der Garantiezeit, aber noch vor Ende der Vertragslaufzeit, geht zu seinen Lasten. Dagegen kann er sich entsprechend versichern.

Aufseiten des Kunden hingegen sind die Risiken wesentlich kleiner. Im Notfall (Konkurs des Contractors) kann der Liegenschaftseigentümer die Anlagen aus der Konkursmasse kaufen und selbst weiter betreiben. Oder er kann einen neuen Contractinganbieter suchen.

Beim Kunden bleibt nur das Risiko kurzfristiger Ausfälle der Energieversorgung, welches nun vom Verhalten des Contractors abhängt. Bei sehr sensiblen Prozessen kann dieses Risiko ein gewichtiger Nachteil sein.

Das Risiko steigender oder fallender Energiepreise wird üblicherweise voll auf den Kunden überwälzt. Der Kunde muss dieses Risiko aber auch ohne Contracting tragen.

Unklar ist, ob ein Anlagencontracting-Vertrag die Handelbarkeit einer Liegenschaft beeinflusst. Allenfalls könnten potenzielle Interessenten vom Kauf einer Liegenschaft absehen, wenn sie mit dem Kauf der Liegenschaft einen Contractingvertrag übernehmen müssen. Sachlich betrachtet hingegen geht ein Käufer einer Liegenschaft, deren Energieversorgung von einem Contractor gewährleistet wird, weniger Risiken ein als bei einer konventionellen Lösung.

12.2.3 Finanzierung

Der Contractor muss seine Projekte finanzieren. Dazu ist er üblicherweise auf Kredite angewiesen. Die Banken können bei der Gewährung solcher Kredite skeptisch sein. Sie befürchten einen grossen Aufwand in der Prüfung der Projekte und ein grosses Risiko. Auch die typischerweise lange Laufzeit ist ein Hindernis.

Für Banken sind Finanzierungen von grossen Projekten lukrativer als von kleineren Projekten, wie sie typisch sind für Energieliefercontrac­ting-Vorhaben. 

Diese Hindernisse bei der Mittelbeschaffung könnten mit dazu beigetragen haben, dass in der Schweiz seit Längerem der Markt für Energieliefercontracting fast vollständig in der Hand öffentlich-rechtlicher Energieversorger oder von Stadtwerken ist. Diese öffentlichen Organisationen können sich anders und besser finanzieren als private Firmen.

Seit die Zinsen für Kapital sehr tief sind (seit etwa 2015) können sich die Kunden oft selbst sehr günstig finanzieren. Deswegen ist der Finanzierungsvorteil von Contractinglösungen in Tiefzinsphasen kleiner.

12.2.4 Contracting und Recht

In der Schweiz gibt es keine speziellen rechtlichen Bestimmungen zum Energieliefercontracting. Da die Projekte lange Laufzeiten haben und oft viel Geld im Spiel ist, muss den rechtlichen Fragen ein besonderes Augenmerk gewidmet werden.

Bei Mietobjekten muss auch das Mietrecht mit einbezogen werden. Die verrechenbaren Nebenkosten beinhalten normalerweise nur die Betriebskosten der Wärmeerzeugung, nicht aber die Abschreibungs- und Verzinsungskosten der Investitionskosten. Da davon ausgegangen wird, dass mit einer Contractinglösung die Wärmeversorgung insgesamt nicht teurer wird und davon auch die Mieter profitieren, können die Wärmekosten auch bei Contractinglösungen auf die Mieter als Nebenkosten überwälzt werden. Die Kalt- oder Nettomiete müsste aber um die für den Vermieter geringeren Investitionen reduziert werden.

Ein weiterer Punkt ist die Frage der Eigentums- und Besitzrechte. Eine Heizanlage in einem Gebäude gehört dinglich zum Gebäude resp. wird ein Bestandteil dieses Gebäudes. Damit geht sie ins Eigentum des Gebäudeeigentümers über. Mit einer im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit kann allerdings dem Contractor der Besitz an der Anlage und ein Zutrittsrecht eingeräumt werden. Dieses Recht ist wiederum mit dem Gebäude verbunden, geht also auch an einen allfälligen neuen Eigentümer über.

Einfacher ist es, wenn die Anlage in einem separaten Gebäude untergebracht ist, für welches ein Baurecht erteilt werden kann.

Falls die Energieerzeugungsanlage mobil erstellt werden kann (z. B. in einem Container), wird sie ebenfalls nicht Bestandteil des Gebäudes. Hier sind weitere rechtliche Lösungen möglich.