Grundsätzlich lassen sich zwei Fälle unterscheiden, die im Hinblick auf die anstehenden Aufgaben der Energieoptimierung unterschiedliche Auswirkungen haben:

  • Neubau
  • Bestehendes Gebäude

5.7.1 Neubau

Ein eigentlich günstiger Fall ist der Neubau. Im Sinne des Energiemanagements lässt sich dann von Beginn an ein Energiekonzept und korrespondierend dazu ein Messkonzept erstellen. Vielfach sind diese Konzepte auch vorgeschrieben oder im Rahmen einer Zertifizierung des Gebäudes vorgesehen.

Die besondere Herausforderung ist die Abschätzung des zukünftigen, durch die Gebäude­nutzung verursachten Energiebedarfs. In der Praxis treten dabei verschiedene Schwierigkeiten auf.

Ist die Nutzung in etwa bekannt, kann ein erfahrener Planer abschätzen, wie viel Energie etwa verbraucht werden wird. Zudem kann dann auch bestimmt werden, wo es Sinn macht, Daten für das Erfassen der energetischen Situation aufzunehmen und auszuwerten.

In vielen Fällen ist es aber gar nicht bekannt, wer der spätere Nutzer bzw. wie die Nutzung des Gebäudes sein wird. In diesem Fall ist es entsprechend schwer möglich, den Energiebedarf einigermassen genau vorherzusagen. Die Messkonzepte müssen auf diesen Fall ausgerichtet sein. Es werden vorerst nur Messgeräte vorgesehen, die sich auf die Erfassung mehrheitlich globaler Energiedaten von grösseren Einheiten eines Gebäudekomplexes oder eines Gebäudes beschränken. Eine Aufschlüsselung nach verschiedenen Etagen oder Bereichen ist in solchen Fällen erst nachträglich vorzunehmen. In der Regel ist dann auch der (finanzielle) Aufwand entsprechend hoch. Das Messkonzept muss es soweit wie möglich ermöglichen, dort, wo es notwendig ist, eine Messstelle unterzubringen.

Weiter ist die Konzentration aller Beteiligten in der Planungs- und Bauphase auf die eigentliche Gebäudeentstehung gerichtet. Das Messkonzept ist aber auf die spätere Nutzung ausgerichtet. Es wird deshalb oft nicht in der nötigen Qualität erstellt.

Ein anderes ernst zu nehmendes Problem in der Praxis ist die Übergabe von Informationen von der Baufertigstellung zur Inbetriebnahme. Das Konzept der Gebäudetechnik ist den Betreibern häufig nicht in der nötigen Detaillierung bekannt. Dadurch werden die Anlagen in den wenigsten Fällen optimal betrieben. Neben der Phase, wo die Anlagen «eingefahren» werden, gibt es eine längere Phase, wo die Anlagen an den Gebäudebetrieb angepasst werden müssen. Erst dann kann mit einem sinnvollen Energie­management begonnen werden, bzw. diese Betriebsoptimierung ist eine der ersten und wichtigsten Phasen im Energiemanagement.

Der Lebenszyklus eines Gebäudes wird anschaulich mit dem am Institut für Facility Mana­gement entwickelten 4P-Modell dargestellt. Die verschiedenen Phasen im Lebenszyklus werden im Kontext der 4P «People, Performance, Planet und Profit» betrachtet.

Im Lebenszyklus eines Gebäudes dominiert die Nutzungs- und Betriebsphase (Abb. 27). Wird es in der Phase des Informationsübergangs von Planung und Errichtung zum Betrieb des Gebäudes versäumt, die nötigen Details an die Betreiber weiterzugeben, wird der Aufwand in der ­Anfangsphase, also nach der Inbetriebnahme des Gebäudes, oft unverhältnismässig gross.


Abb. 27: 4P-Modell zum Lebenszyklus eines Gebäudes

Übersetzt von: Ashworth S., 2012, Added Value of FM Know-how, Masterarbeit ZHAW, Wädenswil

Je besser diese Übergabe gelingt und je ­besser der anschliessende Betrieb schon in der Konzeptions-, Planungs- und Errichtungsphase berücksichtigt wurde, umso besser läuft die ­Inbetriebnahme und die Anpassung des Betriebs der Gebäudetechnik an die reale Ge­bäude­nutzung. Das Energiemanagement kann dann verstärkt auf den Nutzereinfluss ausgerichtet werden.

Im Zentrum des 4P-Modells steht nicht zufällig das Facility Management. Dort liegt die Verantwortung für den optimalen Gebäudebetrieb. Das Modell zeigt auf, wo und wie ein Mehrwert im Gebäudelebenszyklus erreicht wird, wenn von Beginn an ein strategisch denkender, erfahrener Facility Manager miteinbezogen wird.

Teil eines guten Konzepts ist in diesem Fall auch die Ausarbeitung eines Kommunikationskonzeptes für die Gebäudenutzer. Gelingt es den Nutzer «abzuholen», beeinflusst dies sein späteres Verhalten auf positive Weise. Viele Nutzer (Mitarbeiter eines Unternehmens im Gebäude) bringen durchaus eine positive, im Sinne des effizienten Energieeinsatzes nutzbare Grundhaltung mit. Ein solches Konzept sollte die folgenden Punkte berücksichtigen:

  • Den Grundgedanken des Gebäudes (Was war die Idee?)
  • Die Qualität des Gebäudes (Minergie P, DGNB-Zertifizierung nach SGNI)
  • Die allgemeinen Informationen zu Grösse, Fläche usw.
  • Die intendierte Nutzung (Wie soll was ­gemacht werden?)
  • Die Funktion der Gebäudetechnik
  • Die verantwortlichen Stellen (Wo können Mängel und Anregungen platziert ­werden?)
  • ggf. weitere Punkte

Wer den Gedanken des Kommunikationskonzepts weiterführt, kommt automatisch zu der Forderung, dass für Gebäudenutzer eigen­tlich eine Art «Führerschein» eingeführt ­werden sollte. Dies ist wohl überzogen, aber dennoch wäre eine obligatorische Einführung in die Nutzung des Gebäudes sehr wünschenswert. Bei ­einem neuen Auto beispielsweise ist dies selbstverständlich. Die genaue Vorgehensweise ist zwischen dem Planungsteam (zu dem selbst­verständlich der Facility Manager gehört) und dem Betreiber des Gebäudes abzustimmen.

5.7.2 Bestehendes Gebäude

Viele für den Gebäudebetrieb relevante Parameter sind in genutzten Gebäuden natürlich schon gegeben. Dies betrifft die Flächen, die ein­gesetzte Gebäudetechnik und die Nutzung.

Nach einer vollständigen Bestandsaufnahme der energetischen Situation des betrachteten Gebäudes ist zunächst der Vergleich mit bekannten Vorgaben oder Benchmarks zu Verbrauchswerten zu ziehen. Als Nächstes wird die Funktionalität der existenten Gebäude­technik analysiert. Die mit einer Optimierung dieser technischen Einrichtungen möglichen Verbesserungen werden untersucht, die Massnahmen soweit möglich und sinnvoll realisiert.

Ab diesem Zeitpunkt wird das Nutzerverhalten untersucht. Häufig geht mit diesem Schritt auch ein grundsätzliches Hinterfragen der normal gewordenen Abläufe und Prozesse einher. Die Kommunikation spielt hier eine entscheidende Rolle. Die erfolgreichsten Mass­nahmen sind diejenigen, die Energie einsparen, aber keiner­lei Einschränkungen oder Komfort­einbussen zu Folge haben. Da ja Gebäude häufig geplant und gebaut werden, ohne dass die Nutzung oder der Nutzer vorher genau bekannt ist, ist es der Regelfall, dass sich eine Organisation bzw. ein Unternehmen an die Gegebenheiten eines Gebäudes anpassen muss. Dies ist ein längerer Prozess, der einiges an Aufwand bedeutet. Wenn nun im Zuge der Einführung des Energiemanagements «liebgewonnene» Verhaltens­weisen hinterfragt bzw. unterbunden werden müssen, ist Konfliktpotenzial vorhanden.