Um die technische Seite des Energiemanagements verstehen zu können, müssen ein paar Grundbegriffe aus der Physik erklärt werden. Ein Energieverantwortlicher muss diese Begriffe verstehen und unterscheiden können. Nur so kann er den Nutzen von energetischen Massnahmen verstehen und beurteilen.

3.4.1 Kraft

Fast alles in unserem Alltag benötigt in irgend­einer Form Kraft, sei es, um die Tür zu öffnen, Treppen zu steigen oder den Laptop in seiner ­Tasche zu tragen. In der klassischen Mechanik gilt:

Kraft = Masse mal Beschleunigung

Mit dieser mechanischen Definition der Kraft sind wir aus dem Alltag vertraut. Wenn wir in einem Auto sitzen und beschleunigen, drückt es uns in den Sitz. Sobald das Auto mit gleichmässiger Geschwindigkeit weiterfährt, verspüren wir diese Kraft nicht mehr, die Beschleunigung ist gleich null und somit die Kraft auch. Wird das Auto nun gebremst, drückt es uns gegen den Sicherheitsgurt und wir spüren die Bremskraft. Auch beim Bremsen sind wir also beschleunigt, jedoch in umgekehrter Richtung. Physikalisch gesprochen, ist etwas immer dann beschleunigt, wenn es seine Geschwindigkeit ändert, also schneller oder langsamer wird. Weiter hat etwas eine Geschwindigkeit, wenn es seinen Ort ­ändert. Die Distanz l zwischen zwei Orten können wir in Metern (m) messen. Wollen wir ­wissen, wie lange wir vom einen zum andern Ort benötigen, messen wir die Zeit t, wir zählen z.B. die Sekunden (s). Die Geschwindigkeit sagt also, wie schnell wir den Ort ändern können:

Geschwindigkeit = Änderung des Ortes pro Zeit

Sinngemäss sagt uns die Beschleunigung also, wie schnell sich die Geschwindigkeit ändert:

Beschleunigung = Änderung der Geschwindigkeit pro Sekunde

Kräfte treten in der Natur und der Technik in vielerlei Formen auf, sei es als Schwerkraft, Reibungskraft, elektromagnetische Kraft oder ­einer beliebigen anderen Form. Berechnet werden sie alle etwas anders, gemessen werden sie aber immer in Newton (N). Folglich können Kräfte mit­einander addiert, subtrahiert und verglichen werden.

3.4.2 Energie und Arbeit

Die Energie ist der Schlüssel zum Leben. Deshalb ist es wichtig, die physikalische Bedeutung dieses Begriffes zu kennen. Mit dem Energiebegriff eng verknüpft ist der Begriff der Arbeit. Vom Velofahren her wissen wir, dass es Energie braucht resp. man Arbeit erbringen muss, um beispielsweise dem See entlang von Zürich nach Rapperswil zu fahren. Zuerst müssen wir beschleunigen, dazu benötigen wir Kraft, um zu treten, und wir legen dabei einen gewissen Weg zurück. Um dann nicht langsamer zu werden, müssen wir weiter Kraft aufbringen, also weiter treten, bis wir in Rapperswil ankommen. Wenn wir also auf dem Velo arbeiten, dann ­bringen wir Kraft für das Treten auf, dadurch drehen sich die Räder und wir legen deshalb eine Weg­strecke zurück. Diese Kraft dient dem Über­winden der Reibung, die uns sonst wieder abbremsen würde. Umgekehrt ist es nicht möglich, zu treten und dabei keinen Weg zurückzulegen. Tatsächlich gilt:

Arbeit = Kraft mal Weg
Einheit: Joule J = N · m = Nm

Es ist aber möglich, einen Berg hinunterzu­rollen, ohne zu treten. Wir legen also einen Weg zurück, ohne Kraft aufbringen zu müssen. Mit der Definition der Arbeit finden wir leicht heraus, dass wir nicht arbeiten, was mit unserer Erfahrung natürlich übereinstimmt.

Um uns den Weg von Zürich nach Rapperswil zu erleichtern, können wir auch ein E-Bike benutzen. Wir müssen nun weniger arbeiten, dafür erledigt der Elektromotor den Rest der Arbeit. Damit der Elektromotor arbeiten kann, benötigt er elektrische Energie, welche er aus einem Akku bezieht. Ist der Akku leer, hört der Motor auch auf zu arbeiten. Kurz: Ohne Energie keine Arbeit.

Energie wird physikalisch korrekt als «Arbeitsvermögen» bezeichnet. Arbeit als physikalischer Begriff kann als der Nutzen von Energie verstanden werden. Umgekehrt ist Energie «gespeicherte» oder «potenzielle» Arbeit. Eine gewisse Arbeit verbraucht immer eine entsprechende Menge Energie. Die Einheit und der Wert sind gleich, vorausgesetzt, es gibt keine unerwünschten Nebeneffekte, was in der realen Welt leider nie der Fall ist. Wird für 100 Joule Arbeit erbracht, so werden dazu 100 Joule Energie benötigt. In der realen Welt entsprechen die 100 Joule Energie dem theoretischen minimalen Energieeinsatz.

Damit der Akku wieder Energie abgeben kann, muss er zuerst wieder geladen werden. Das heisst, er nimmt über ein Netzkabel elektrische Energie auf und speichert diese, um sie später wieder abgeben zu können. Auch wir Menschen sind nach getaner Arbeit hungrig und brauchen neue Energie, welche wir in Form von Nahrung wieder zu uns nehmen und für den späteren Gebrauch speichern. Die zugeführte Energie ist im Akku wie auch im Körper chemisch gebunden.

Was passiert nun mit der Energie, welche wir bei einer Velofahrt verbrauchen? Mit der Energie, welche zu Beginn der Fahrt für die Beschleunigung benötigt wurde, ist es noch am ehesten spürbar: am Ende der Fahrt werden damit die Bremsklötze aufgeheizt. Diese werden beim Bremsen warm. Auch mit der restlichen Energie wird die Umgebung aufgeheizt (Reibung verursacht Wärme), sodass theoretisch die Bewohner neben dem Veloweg von einer ganz leicht ­höheren Lufttemperatur profitieren können. Nur bleibt der Temperaturanstieg so klein, dass niemand ihn spürt, und so erhalten wir auch keinen Dank dafür.

Nun können wir sehr grundlegende und wichtige Zusammenhänge erahnen. Energie kann in verschiedenen Formen auftreten (mecha­nische Arbeit, Wärme, chemisch gebundene Energie, elektrische Energie usw.). Energie muss von irgend­woher kommen und wird in eine andere Energieform umgewandelt. Tendenziell hat die Energie die Neigung, sich in Wärme zu verwandeln. Und diese Wärme hat die Tendenz, sich zu «verteilen», beispielsweise Wärme, die durch Reibung entsteht. Wärmezufuhr führt zu einer Erhöhung der Temperatur. Wenn aber die Verteilung der Energie resp. Wärme so stark wird, dass der Temperaturanstieg nur noch sehr klein ist, dann nützt diese Energie nichts mehr. Wir sagen, sie ist verloren, dabei ist sie noch vorhanden, aber eben nicht mehr spürbar und nicht mehr nutzbar. So gesehen, gibt es wertvolle und wertlose Energieformen. Solange wir aus einer Energieform Nutzen ziehen können, hat sie für uns einen Wert, und wir sind bereit, dafür zu bezahlen. Beispielsweise kaufen wir Heizöl oder Erdgas, um unser Haus zu beheizen, und wir bezahlen für elektrische Energie, um alle unsere elektrischen Geräte zu betreiben. All diese hochwertige Energie wandeln wir letztlich in Wärme um, die sich bis zur absoluten Nutz­losigkeit verteilt. Die Energie ist noch da, für uns aber nicht mehr nutzbar und deshalb wertlos. Dieser «Energieverlust» durch Wärmeverteilung wird Dissipation genannt.

Diese Zusammenhänge sind im ersten Hauptsatz der Thermodynamik wie folgt definiert, der so für einen stationären Fall gilt:

Die Summe aller einem System zu- und ab­geführten Energie ist null.

Energie kann offenbar nicht verbraucht, sondern nur umgewandelt werden. Damit wird es auch unmöglich (und scheinbar unsinnig), Energie zu sparen. Und dennoch wissen wir, dass der sogenannte Energieverbrauch eines der grossen Probleme der Menschheit darstellt. Dem Problem kommen wir insofern auf die Spur, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass wir laufend Formen hochwertiger Energie in nicht mehr nutzbare Abwärme umwandeln.

Der obige Hauptsatz kann auch wie folgt umgeschrieben werden:

Energie kann nur von einer Form in eine andere umgewandelt werden, geht aber nie verloren.

Energie wird in der Masseinheit Joule (J) ge­messen, wobei ein Joule die Energiemenge ist, die es braucht, um mit der Kraft von einem Newton einen Meter zurückzulegen: 1 Joule = 1 Newton · Meter (1 J = 1 N · m). Ein Joule ist dabei eine sehr kleine Energiemenge, weshalb meistens das Kilojoule (kJ) genutzt wird (das Tausend­fache eines Joules) oder das Megajoule (MJ), das Millionenfache eines Joules. Eine weitere häufige und handliche Grösse, mit der Energie gemessen wird, ist die Kilowattstunde, abgekürzt kWh. Die Kilowattstunde kennen wir von unserer Stromrechnung, die wir regelmässig bezahlen müssen. Strom ist bei der Rechnung allerdings das falsche Wort. Wir bezahlen nicht Strom, sondern Energie, eben die Kilowattstunden. Unsere Stromrechnung ist in Tat und Wahrheit eine Energierechnung. Aus Joule (Ws) werden Kilowattstunden mit der Umrechnung: 1 kWh = 1000 (für Kilo) · 1 W · 3600 s = 3’600’000 Ws (= J) = 3600 kJ = 3,6 MJ (Megajoule), oder kurz:

1 kWh = 3,6 MJ

Das alte Mass, um die Energie oder Arbeit zu messen, ist die Kalorie. Im Alltag kennen wir dieses Mass nur noch durch die Angaben der enthaltenen Kalorien (cal) in Lebensmitteln. Es gilt:

1 cal = 4,18 J bzw. 1 kcal = 4,18 kJ

3.4.3 Leistung

Nach der Energie (und der Arbeit) führen wir nun noch den Begriff der Leistung ein. Wie die Masse und das Gewicht, so werden auch die Leistung und die Energie oft verwechselt oder einander gleichgestellt. Dabei besteht wohl ein Zusammenhang, die Begriffe bedeuten aber nicht dasselbe. Der Zusammenhang ist die Zeit. Die Leistung sagt, wie schnell wir die Energie verbrauchen bzw. eine Arbeit erledigen. Wir können eine Arbeit schnell oder langsam erledigen, die Arbeit bleibt dieselbe, die Leistung ist aber eine andere. Wir können nicht arbeiten, ohne zu leisten, oder umgekehrt. Wichtig ist immer zu wissen, ob uns interessiert, wie schnell etwas erledigt wird, das entspricht der Leistung, oder ob wir wissen wollen, was erledigt wird, das entspricht dann der Arbeit bzw. Energie. Die Leistung ist folgendermassen definiert:

Leistung P = Energie E pro Zeiteinheit t
Einheit: Watt = Joule pro Sekunde

Ein Watt ist eine sehr kleine Leistung. Schon beim Sitzen setzt unser Körper annähernd 100 Watt um, die er in Form von Wärme abgibt. Beim Velofahren sind es je nach Geschwindigkeit (und Steigung) bis zu 500 Watt. In der Technik werden deshalb Leistungen meist in Kilowatt (1 kW = 1000 W) angegeben (vergleiche Gramm g und Kilogramm kg).

Weil das Kilowatt (kW) eine «handliche» Grös­se ist, wird auch Energie oft unter Verwendung dieser Einheit, kombiniert mit einer Zeit, verwendet. Als Zeit ist die Stunde (h) geeignet, es ergibt sich die Kilowattstunde (kWh) für ­Energie.

Ebenfalls eine Leistungseinheit, allerdings eine veraltete, ist die Pferdestärke (PS, 1 PS = 0,736 kW). Diese Einheit kennen wir nur noch aus der Autowerbung.

3.4.4 Zusammenhang zwischen Energie und Leistung

Aus
wird

Der Zusammenhang zwischen Energie und Leistung soll hier noch mit einem Beispiel erläutert und vertieft werden. Betrachten wir einen Raclette-­Ofen und die Uhr des Kochherdes. Der Raclette-Ofen hat eine Leistung von 1000 W = 1 kW. Er wird 8-mal im Jahr während je 1 Stunde und 6 Minuten eingeschaltet. Die Uhr des Kochherdes (eine elektronische Digitaluhr mit Leuchtdiodenanzeige) verbraucht 2 Watt Leistung. Da sie aber nicht mit einer Spannung von 230 V aus der Steckdose betrieben werden kann, wird noch ein Netzteil benötigt, welches die Netzspannung zu Kleinspannung wandelt. Dieses ist nur preislich optimiert und hat deswegen eine Verlustleistung von 8 Watt, sodass der Kochherd das ganze Jahr über 10 Watt aus dem Netz bezieht. Welches der beiden Geräte braucht mehr Energie?

Raclette-Ofen: 8 mal 1 Stunde 6 Minuten sind 8 mal 1,1 h = 8,8 h
Energie = Leistung · Zeit = 1 kW · 8,8 h = 8,8 kWh
Uhr vom Herd: Die Uhr läuft das ganze Jahr: 365 Tage à 24 h gibt 8760 h.
Energie = 10 W · 8760 h = 87’600 Wh = 87,6 kWh

Die Uhr vom Herd braucht etwa 10-mal mehr Energie, trotz ihrer sehr kleinen Leistung!

Die Energieeinheit Kilowattstunden (kWh) ist tatsächlich sehr praktisch. In die Basiseinheit der Energie Joule umgerechnet ergibt sich: 8,8 kWh = 8,8 · 1000 W · 3600 s = 31’680’000 J resp. 31’680 kJ resp. 31,68 MJ.

Da ein Joule eine sehr kleine Energieeinheit ist, rechnet man Kilowattstunden meist direkt in Megajoule (MJ) um. Der Umrechnungsfaktor beträgt 3,6 MJ/kWh (siehe oben).

Auf unserer Stromrechnung, die ja eine Energierechnung ist, werden uns die Kilowatt­stun­den in Rechnung gestellt. Je nach Produkt (Solar-, Wasser-, Atomstrom oder einem ­anderen Strommix) und der Tageszeit variieren die Energiepreise. Für eine Kilowattstunde bezahlen wir etwa CHF 0.15. Ein Joule kostet nach der obigen Umrechnung also CHF 0.000000040. Das Joule ist für die Rechnung also völlig ungeeignet. Das Megajoule mit CHF 0.040 wäre schon wesentlich handlicher. Aber wir sind uns die Kilowattstunde gewohnt, und wenn wir die Zahlen anschauen, macht es auch Sinn.

Die Energie (für den «Alltag» meist in kWh angegeben und auch so verrechnet) und die Leistung (meist in kW) müssen strikt getrennt betrachtet werden. Eine grosse Leistung heisst noch nicht zwingend viel Energie, eine kleine Leistung, welche aber lange Zeit eingeschaltet bleibt, kann viel Energie bedeuten.

Oft hat ein Gerät eine variable Leistung (z.B. ein Fotokopierer, welcher eine Heizung mit viel Leistung hat, die aber nur zum Aufheizen benötigt wird). Beim Kopieren benötigt der ­Fotokopierer Leistung für den mechanischen Papiertransport und das Licht, während der Stillstandszeit (im eingeschalteten, kopierbereiten Zustand, im Stand-by) eine tiefe Leistung, zum Warmhalten der Fixierrolle. Vielleicht hat er noch eine Energiesparfunktion. Dann wird die Fixierrolle nur auf einer tieferen Temperatur gehalten, die Stand-by-Leistung ist noch tiefer (dafür muss vor dem nächsten Kopieren eine kurze Zeit gewartet werden). Die Aufheizleistung bleibt dieselbe, der Energieverbrauch kann dank der Energiesparfunktion aber wesentlich sinken, da die meisten Kopierer während der meisten Zeit im Stand-by-Betrieb stehen. Die Leistungsangabe auf dem Typenschild des Kopierers hilft uns nicht zum Berechnen seines Energieverbrauches. Der Energieverbrauch ist die durchschnittliche Leistung mal die Betriebszeit (oder mathematisch das Integral der Momentanleistung über die Zeit). Die durchschnittliche Leistung hängt dabei vom Gebrauch des Kopierers ab (intensiv oder selten gebraucht, mit Gebrauch der Energiespartaste etc.) und muss in der Praxis ge­messen werden.

3.4.5 Energie und Entropie

Was bedeutet der Energieerhaltungssatz für unser Leben? Energie kann offenbar nicht verbraucht, sondern nur umgewandelt werden. ­Damit wird es auch unmöglich (und scheinbar unsinnig), Energie zu sparen. Und dennoch ­wissen wir, dass der sogenannte Energieverbrauch eines der grossen Probleme der Menschheit darstellt. Dem Problem kommen wir auf die Spur, wenn wir eine weitere Erkenntnis aus der Velo­tour am Zürichsee betrachten: Die ­Energie hat die ­Tendenz, sich zu verteilen. Alle ­Energie wird zuletzt in Wärme umgewandelt. Und diese Wärme verteilt sich resp. fliesst zu tieferen Temperaturen, bis der Temperaturanstieg nicht mehr nutzbar ist. Es entsteht aus einer Energiequelle, in der die Energie in konzentrierter, nutzbarer Form gespeichert ist, nicht nutzbare, verteilte Ab­wärme. Die Qualität beziehungsweise der sogenannte Ordnungszustand nimmt ab. Und diese Entwicklung kann nicht rückgängig gemacht werden. Aus dem Temperaturanstieg von weniger als ­einem Millionstel Grad Celsius entlang der Velo­strecke kann man keine Getreide­riegel mehr herstellen. Der Prozess ist also irreversibel. Das Analoge gilt beispielsweise für Farben: Solange sie wohlgeordnet sind, sind sie nutzbar. Werden sie aber vermischt (die Unordnung nimmt zu), so können sie nicht mehr «entmischt» werden, oder aber es braucht ­einen enormen Aufwand. Offensichtlich besteht eine starke und unumkehrbare Tendenz zur Un­ordnung.

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik beschreibt diese Zusammenhänge vereinfacht wie folgt:

Die Unordnung nimmt immer zu.

Anstelle von Energie sparen müsste es also ­heissen: Ordnung halten.In der Thermodynamik nennt man diese «Unordnung» Entropie. Die Entropie (Formelzeichen S) kann nur grösser werden oder allenfalls gleich bleiben. Vorgänge ohne Entropie­zunahme wären umkehrbar (reversible Prozesse), in der Praxis aber gibt es sie so nicht. Je weniger ein Vorgang umkehrbar ist, desto grös­ser ist die Entropiezunahme. Auch Temperatur kann als Ordnung betrachtet werden: Je höher die Temperatur, desto höher die Ordnung. Deshalb gilt auch:

Wärme fliesst immer von höherer zu nied­rigerer Temperatur, nie umgekehrt.

Wenn ein Haus mit Heizöl geheizt wird, so wird diesem Haus Energie in sehr geordneter, konzentrierter Form (als Heizöl resp. als chemisch gebundener Energie) zugeführt. Im Heiz­kessel wird das Öl verbrannt, das heisst in Wärme umgewandelt. Dabei entsteht eine Flamme, ­welche 1000 °C bis 1300 °C heiss wird. Auch so ist die Energie noch sehr konzentriert (was man gut spüren könnte, wenn man die Hand in die Flamme hielte). Für die Heizung mit Radiatoren wird die Wärme der Flamme an Wasser übertragen, welches auf max. 50 °C (früher bis max. 80 °C) erwärmt wird. Nun verbrennt man sich die Hand schon nicht mehr. Mit diesem Wasser wird die Stube (resp. die Raumluft) auf 22 °C geheizt, was sich schön wohlig anfühlt. Leider ist kein Haus ideal isoliert. Die Wärme geht mehr oder weniger rasch an die Umgebung ver­loren. Diese Umgebung wird dadurch zwar aufgeheizt, aber nur so schwach, dass höchstens in Stadtzentren (z.B. Zürich-City) die Aussenluft etwa 1 °C wärmer wird und entsprechend etwas weniger Schnee geräumt werden muss, ansonsten ist die Temperaturzunahme nicht mehr spürbar. Man kann mit der Umgebungswärme, auch wenn sie ganz leicht erhöht ist, das Nachbarhaus nicht mehr heizen, ausser es wird ein technischer Trick namens Wärmepumpe angewendet. Dazu muss ein Teil hochwertige, eben wieder stark geordnete Energie (in Form von Strom oder eventuell Brennstoff) zugeführt werden.

Die wesentliche Grösse aus Sicht der ­Physik ist deswegen nicht die Energie, sondern die ­Entropie. Je weniger Entropiezunahme wir verursachen, desto geringer wird unser «Energieproblem». Alle Massnahmen zur Energieeinsparung haben letztlich eine Verringerung der Entropiezunahme zu Folge, oder sie sind nicht wirklich wirksam. Umgekehrt heisst das, dass die Entropiezunahme verringert werden sollte, das heisst, es sollte Unordnung vermieden werden.

Analog dazu kann auch der Verbrauch von Rohstoffen als Entropieproduktion verstanden werden. Entweder die Rohstoffe werden in ­immer kleineren Teilen immer gleichmässiger über die ganze Welt verteilt, bis sie nicht mehr wieder zurückgewonnen werden können (z.B. ­Kupfer, das in immer dünnere Drähte gezogen wird und immer mehr verteilt wird). Oder Rohstoffe werden «verbraucht», indem sie in andere Stoffe umgewandelt werden, die z.B. dann nicht mehr nutzbar sind (z.B. die Nutzung von Dünge­mitteln). Vorhanden sind diese Stoffe aber immer noch, nur eben nahm die «Unordnung» stark zu.

Exergie und Anergie

Heute wird Energie oft in Exergie und ­Anergie unterteilt. Unter Exergie wird der Teil einer Wärme­menge verstanden, der mittels eines idealen thermodynamischen Kreisprozesses in mechanische Energie umgewandelt werden kann. Dann gilt der Carnot-Wirkungsgrad, der umso höher ist, umso grösser der Unterschied zwischen oberer und unterer ­Systemtemperatur im Kreisprozess ist. Anergie ist dann der rest­liche Teil der Energie, der gemäss dem Carnot-­Wirkungs­grad nicht umgewandelt werden kann. Vereinfacht wird oft gesagt, Exergie sei der nutzbare, Anergie dann der nicht nutzbare Teil von Energie. Sowohl aus physikalischer Sicht wie auch praktisch ist diese Unterteilung allerdings fraglich und willkürlich. Sie hängt stark von den Randbedingungen ab (z.B. eben von den Temperaturen im System) und von der gewünschten Nutzungsart der Energie. Will man z.B. heizen, kühlen oder Licht erzeugen? Je nachdem ist die Nutzbarkeit einer bestimmten Energiemenge auf einem bestimmten Temperaturniveau ganz unterschiedlich.

Viel zielführender ist es, wenn die Begriffe Energie und Entropie verstanden werden. Damit kann immer physikalisch korrekt nach optimalen Lösungen gesucht werden.